Studenten der Hebräischen Universität
demonstrieren:
"Ariel Sharon liquidiert unsere Sicherheit!"
Von Daniel Mahla
Die Stimmung in Jerusalem ist seit dem Bekannt
werden der Liquidierung des geistigen Oberhauptes der Hamas, Scheich
Yassin, höchst angespannt. Die Polizei demonstriert eine
außergewöhnlich hohe Präsenz, Sicherheitsbeamte kontrollieren die an
den Bushaltestellen wartenden Passanten. Alles fürchtet die
angekündigte Rache der Islamisten. Die Hebräische Universität
gleicht in diesen Tagen einer Festung.
Wer auf den Campus gelangen möchte, muss einen
Studenten- oder Mitarbeiterausweis vorzeigen und sich einer
ausführlichen Kontrolle unterziehen. Auch innerhalb des
Universitätsgeländes kommt es immer wieder zu Absperrungen. Neben
der Angst vor Vergeltung gibt es heute allerdings noch einen
weiteren Grund für die erhöhte Sicherheitsstufe: Der israelische
Ministerpräsident Ariel Sharon hat sich zusammen mit der für die
Einwanderung zuständigen Ministerin, Zipi Livni, angekündigt. Er
spricht zu neu eingewanderten Studenten und erfüllt die an ihn
gestellten Erwartungen: "Israel wird die für seine Sicherheit
notwendigen Schritte vollziehen", wer hätte mit einem anderen
Statement gerechnet?
Währenddessen versammelt sich auf dem Campus eine kleine Anzahl von
Demonstranten. Sie tragen Plakate, die Ariel Sharon zum Rücktritt
auffordern und ihm vorwerfen, die Sicherheit der israelischen Bürger
durch seine aggressive Politik zu gefährden. Die sich aus jüdischen
und arabischen Israelis zusammensetzende Menge marschiert durch die
verschiedenen Universitätsgebäude und parodiert Slogans, wie
"Frieden ja, Besatzung nein", oder "Israel und Palästina. Zwei
Staaten für zwei Völker". Viele Studenten nicken beim Vorbeigehen
zustimmend oder schließen sich den Demonstranten an.
Es ist erstaunlich, auf wie wenig Kritik der Trubel
stößt. Nur eine Handvoll Gegendemonstranten fordert das Land Israel
dem Volk Israel allein vorzubehalten. Als die Wortführer
beschließen, die Straße vor der Universität durch eine Sitzblockade
zu blockieren, springen viele der Demonstranten ab. Immerhin knapp
100 Menschen finden sich immerhin noch zu der Blockade bereit. Die
Stimmung ist ausgelassen, es wird Wasser herumgereicht. Zwei
arabische Lastwagenfahrer, die durch die Demonstration festsitzen,
hupen im Rhythmus der Sprechchöre. Die Proteste bleiben bis zum Ende
friedlich. Auch als die Polizei die Demonstranten schließlich
gewaltsam aus dem Weg räumt und ca. zehn Teilnehmer vorübergehend
festnimmt, kommt es zu keinen nennenswerten Übergriffen.
Die Aktion bedeutet einen - zugegebenermaßen sehr
kleinen - Hoffnungsschimmer am blutigen Horizont des Nahen Ostens.
Immerhin ist es das erste Mal seit langem, dass jüdische und
arabische Studenten gemeinsam demonstrieren. Damit gelingt den
Jerusalemer Studenten, wovon man in Europa noch weit entfernt ist:
Gemeinschaftliche Proteste gegen eine verfehlte Politik und die
Forderung nach einem ehrlichen Frieden anstatt der bedingungslosen
"Solidarisierung" mit der einen oder anderen Seite.
hagalil.com
24-03-2004 |