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Jüdische Weisheit
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ROSH HA-SCHANA:
UND WO BLEIBT DIE HOFFNUNG?

Ferdinand DEXINGER, in der Jüdischen Kulturzeitschrift DAVID zum Rosch haSchanah 5763

An dieser Stelle wurde in den vergangenen Jahren auch immer wieder das Pflänzchen Hoffnung genährt, das im Nahostkonflikt ja nicht erst einmal zertreten wurde. Hoffnung ist ja zu Beginn eines neuen Jahres die natürlichste menschliche Annäherung an die noch ungewisse Zukunft.

Hoffnung lebt nicht von bloßem Wunschdenken, sondern hat einen, wenn auch noch so schwachen Rückhalt in der Realität. Aber nicht nur in der harten Realität des Alltags sondern auch in dem realen Imperativ ethischer und religiöser Normen, denen man sich verpflichtet weiß und von denen man erwartet, daß sie auch für andere Gültigkeit haben mögen. Rosch haSchanah mit seinem Gedächtnis der Schöpfung – die Zahl 5763, nach biblischer Zählung die seit der Erschaffung der Welt vergangene Zahl der Jahre, erinnert ja nicht zuletzt daran, daß G’tt der ganzen Schöpfung ein Gesetz gegeben hat. Ein Gesetz, das vor allem dem Menschen dient, von dem es heißt:
Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. (1Mos 1,26).

Ist es nicht utopisch zu meinen, daß dieses theoretische Wissen eine wie immer geartete reale Hoffnungsgrundlage bilden kann? Immerhin hat eine um Frieden bemühte israelische Bewegung eben dieses Wort (betselem=im Abbild) zu ihrem Wahlspruch gemacht. Ein zartes Pflänzchen der Hoffnung: Bewußtseinsbildung im Inneren und Erwartung einer ausgestreckten Hand von außen.

Kann man aber wirklich davon träumen, daß diejenigen, die mit Sprengstoff umgürtet oder mit Panzern und Bulldozern Gerechtigkeit zu schaffen suchen, von solchen subtilen Überlegungen berührt sein könnten? Die Sachlage wird ja dadurch noch zusätzlich komplizierter, daß das Postulat jeglichen Gewaltverzichts unhaltbar ist. Recht muß auch erzwingbar sein, sonst ist es Schall und Rauch und der Staat würde zum bloßen Nachtwächterstaat, in dem das Leben der Menschen von der Gewalt des Unrechts beherrscht wäre.

Im zivilen Leben hat es sich daher bewährt, nicht den die Gewalt anwenden zu lassen, der ein Recht einfordert, das er zu haben meint, sondern zunächst seinen Anspruch durch ein Gericht zu prüfen und mit staatlicher Autorität und nicht mit Selbstjustiz durchzusetzen. Daß das auf der Ebene von Staaten de facto anders läuft, ist jedermann klar.

Es hat überdies den Anschein, als ob im Nahostkonflikt ein sehr starkes Element des corporate-personality-Denkens wirksam ist. Nicht individuelle Schuld, sondern die Zugehörigkeit zur feindlichen Gruppe legitimiert Gewaltanwendung. Das führt de facto zu einer für Generationen unüberwindlichen Spirale des Hasses. Wer freilich nicht diesem Prinzip folgt, riskiert als Schwächling zu gelten. Schon die Bibel kannte dieses Problem. „Lamech sagte zu seinen Frauen: Ada und Zilla, hört auf meine Stimme, ihr Frauen Lamechs, lauscht meiner Rede! Ja, einen Mann erschlage ich für eine Wunde und einen Knaben für eine Strieme. Wird Kain siebenfach gerächt, dann Lamech siebenundsiebzigfach.“ (1Mos 4,23f). Die Tora setzte dagegen das wohltuende, so oft mißverstandene Prinzip „Aug um Aug“: „Bruch um Bruch, Auge um Auge, Zahn um Zahn. Der Schaden, den er einem Menschen zugefügt hat, soll ihm zugefügt werden.“ (3Mos 24,20).

Moses Maimonides formulierte sehr klar die Voraussetzung unter der ein König überhaupt Krieg führen darf: Es bedarf der Zustimmung des Sanhedrin. Darunter verbirgt sich wohl ein tiefes Mißtrauen der rabbinischen Halacha gegen die Allmacht der Könige. Das Ganze ist nicht so lebensfern, wenn man die in diesen Tagen laufende Diskussion um die Berechtigung des Präsidenten zu geplanten Kriegsführungen im Namen der Terrorismusbekämpfung beobachtet. Gewaltanwendung bedarf, wenn sie schon nicht vermeidbar ist, der Kontrolle. Einer Kontrolle, die nicht nur vom Gedanken der technisch optimalen Durchsetzung, sondern eben von der Unterwerfung unter die Schöpfungsordnung bestimmt ist. Dem Schreiber dieser Zeilen ist sehr bewußt, daß die wohlwollendste Reaktion auf solche Utopie bei vielen Lesern ein mitleidiges Lächeln sein wird. Die Utopie sei aber dem verziehen, der das Pflänzchen Hoffnung zu Rosch haSchanah unter zerfetzten Menschenkörpern und zerstörten Hausruinen mit Kinderleichen sucht.

Das Bild von der als Pflanze keimenden Hoffnung bedarf aber auch der Konkretisierung: Gibt es gesellschaftlich-politische Strömungen, die ein Gedankengut propagieren, das zur Deeskalation der Gewalt führen könnte? Aber verbirgt sich nicht schon hinter dieser Frage ein Vorurteil? Wer sagt denn eigentlich, daß in diesem konkreten Fall weniger Gewalt zum Ziel führt? Wäre nicht ein höheres Maß an Gewalt besser geeignet, eine radikale Änderung der Situation zu erreichen? Scharon scheint davon überzeugt, die Hamas scheint davon überzeugt und da auch Präsident Busch davon überzeugt ist, gibt es niemanden, der die Kontrahenten vom Gegenteil überzeugen könnte.

Solange es also gelingt, die jeweiligen Bevölkerungen und Anhänger über das im Unklaren zu lassen, was tatsächlich ihrem Wohle dient, kann es auf ihrem Rücken munter so weitergehen. Den naiven Beobachter irritiert dabei der Umstand, daß sowenig über die jeweiligen längerfristigen Zielvorstellungen bekannt wird. Hier liegt sicher einer der Gründe für die nahezu ausweglose Situation. Beide Seiten sind im tiefsten Herzen davon überzeugt, daß es dem jeweils anderen nur um Maximallösungen geht: Zerstörung des Staates Israel bzw. Vetreibung der Palästinenser.

Wenn man die Vorgänge als Außenstehender verfolgt, so läßt sich erkennen, daß dieses leider nicht ganz unberechtigte Mißtrauen bewirkt(e), daß die Lösungsmodelle halbherzig bleiben (müssen). Ein Staat ohne zusammenhängendes Territorium, von Siedlungen und exterritorialen Korridoren unterbrochen ist ebenso wenig attraktiv, wie die Aussicht auf einen souveränen Nachbarstaat als bedrohliches militärisches Aufmarschgebiet.

Wo bleibt die Hoffnung? Sie liegt ausschließlich darin, daß pragmatisch denkende Politiker, zu einem minimalen gemeinsamen Nenner hinsichtlich der zu schaffenden Sicherheits- und Lebensbedingungen gelangen. Was aber noch schwieriger sein dürfte, sie haben die Aufgabe ihre emotional überforderten Bevölkerungen hinter sich zu scharen. Dem kann sich gerade der nicht entziehen, dem es um die Verwirklichung der zionistischen Ideale geht. Denn im Augenblick ist jüdisches Leben nirgendwo so gefährdet, wie im jüdischen Staat. Es steht nicht zuletzt zu hoffen, daß sich jemand findet, der Arik Scharon, wie damals im Jom Kippurkrieg vor 30 Jahren, als er die dritte ägyptische Armee einkesseln wollte und damit die reale Voraussetzung für den späteren Friedensschluß mit Ägypten zunichte gemacht hätte, daran hindert, seinen Stil weiterzuführen. Das ist keine einseitige, antiisraelische Sicht, sondern die klare Konsequenz aus der absoluten militärischen Überlegenheit Israels. Sozusagen die Anwendung des Sprichworts „Der Stärkere gibt nach...“

Daß diese Gedanken nicht an den Haaren herbeigezogen sind, belegt wohl der Umstand, daß die Tochter des ermordeten ehemaligen Ministerpräsidenten Rabin ihr politisches Amt in der Koalitionsregierung kürzlich zurücklegte, um sich dem Werk ihres Vaters zu widmen. Das von ihm eingesetzte Pflänzchen der Hoffnung hatte nicht Gelegenheit sich in der Geschichte zu bewähren, wurde es doch von blinder, mörderischer Gewalt niedergetreten.

Dennoch gibt es immer wieder starke Zeichen eines innerisraelischen Reflexionsprozesses, der nach neuen Wegen sucht. Verfolgt man die in hebräischer Sprache geführten Diskussionen etwa in der angesehenen Tageszeitung Ha-Aretz, so wird einem die Lebendigkeit aber auch die Radikalität dieser Auseinanderstzung bewußt. Manchmal würde man sich wünschen, daß Diskussionsbeiträge außerhalb des Landes Israel dasselbe Niveau erreichen und derselben Toleranz begegnen würden. So aber handeln sich kritische Beiträge nur zu leicht den Vorwurf ein, aus opportunistischer Gesinnung geschrieben zu sein, die nur nach Akzeptanz seitens der Antisemiten lechzt.

Die Überschrift eines Artikels von Naomi Klein bringt das Problem auf den Punkt: “Nein der Besetzung und Nein dem Antisemitismus.“ (Ha-Aretz, 3.Mai 2002 S. 1B). Schade, daß oft übersehen wird, daß die eben beschriebene Gedanken- und Pressefreiheit in Israel das Rückgrat des mit Recht betonten wesenhaft demokratischen Charakters der israelischen Gesellschaft bildet. In gewisser Weise erging es den palästinensischen Persönlichkeiten, die sich mit einem Aufruf gegen die Selbstmordanschläge wandten (Al-Quds 20.Juni 2002) nicht anders. Sari Nouseibe und Hanan Ashrawi handelten sich so den Vorwurf ein, in ausländischem Sold zu stehen (vgl. Die Gemeinde Nr 539 Juli 2002, S. 14).

Solidarität ist gut, wenn sie jedoch aufhört problemorientiert zu sein, wird sie selbstzerstörerisch. Es wäre naiv zu übersehen, daß gerade die Linke in Israel von der Ergebnisnlosigkeit ihrer Bemühungen und dem Mangel an Echo auf der palästinensischen Seite enttäuscht wurde. Dennoch versucht es Jossi Beilin mit einer neuen Partei, der er den hoffnungsvollen Namen „Morgenröte“ gegeben hat. Die Problematik ist keineswegs einfach. Jede Friedenslösung setzt ja aus israelischer Sicht neben allen Sicherheitsüberlegungen auch die Selbstdefinition des Charakters des eigenen Staates voraus. Das kommt etwa in den Worten von Roman Bronfman, des Führers der linken Kleinpartei „Demokratische Wahl“ zum Ausdruck: „Ich persönlich tendiere dazu, daß wir kein jüdisch-demokratisches Land sein sollten, sondern ein demokratisches, in dem das Judentum eine eher symbolische Rolle einnimmt.“ (Die Presse 1.Aug.2002 S. 4).

Man sollte nicht übersehen, daß es innerisraelische Reflexionsprozesse gegeben hat, die heute bereits vergessen sind, obwohl sie größte Bedeutung haben. Noch bis in die 70er Jahre war es verpönt überhaupt von Palästinensern zu sprechen. Auch das hat eine Kehrseite. In dieser Auseinandersetzung und nicht zuletzt durch die gegenwärtigen Ereignisse, wird in eben dieser Bevölkerungsgruppe immer stärker das Bewusstsein gefestigt, ein Volk, mit dem Recht auf Selbstbestimmung zu sein.
Welchen Aspekt also immer man auch aufgreift, nahezu jeder führt in eine ausweglose Sackgasse. Vielleicht ist aber gerade das das einzig Positive an der gegenwärtigen Lage, daß sie das Lösungsmodell „Gewalt“ ad absurdum geführt hat.

Was läge näher, als mit den Worten des etwas melancholischen biblischen Buches Kohelet zu schließen: „Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen, eine Zeit zum Niederreißen und eine Zeit zum Bauen,.... eine Zeit zum Lieben und eine Zeit zum Hassen, eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden.“

Ihjeh tow!
Die beste aller möglichen Welten

Bereshith, die erste Paraschah des ersten Buches der Torah (I. Buch Moses, Genesis), berichtet uns von der Erschaffung der Welt...

hagalil.com 11-10-02

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