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Zum Regierungskollaps in Israel:
Alles wegen einer kleinen Frucht

Olive als Rädchen

Von Uri Avnery
Aus dem Englischen von Ellen Rohlfs
Junge Welt 07.11.2002

Es beginnt wie eine Kindergeschichte: Es war einmal eine kleine Olive in einem palästinensischen Dorf. Sie wuchs und reifte an einem Zweig eines alten Baumes im Olivenhain ganz oben auf einer Hügelkuppe.

Sie wurde immer reifer, aber die Pflücker kamen nicht. Sie konnten sie nicht erreichen, weil die israelischen Siedler zwei Wohnmobile auf die Hügelkuppe gesetzt hatten, und so das ganze Gebiet zu einer »Sicherheitszone« dieses Außenpostens geworden war. Als die Besitzer des Olivenhaines sich näherten, wurden sie von den Siedlern beschimpft, geschlagen und zuletzt sogar beschossen. Dies geschah an Dutzenden von Orten überall in der Westbank.

Die Dorfbewohner riefen die israelische Armee um Hilfe, denn diese kontrollierten ja jetzt wieder alle palästinensischen Gebiete. Aber die Armee kam nicht, um sie zu beschützen. Viele der Armeeoffiziere waren selbst Siedler. Die Armee betrachtete es als ihre Aufgabe, die Siedler zu verteidigen, anstatt sie anzugreifen. Als die Armee schließlich eingriff, vertrieb sie die Dorfbewohner aus ihren eigenen Olivenhainen rund um die Außenposten. In ihrer Notlage riefen die Dorfbewohner dann die israelischen Friedensgruppen um Hilfe. Nun besteht das israelische »Friedenslager« aus zwei Teilen. Das eine, rund um »Peace now« (Frieden jetzt), ist mit der Arbeiterpartei verbunden, die in der Regierung war. Der Parteivorsitzende war auch der Verteidigungsminister und darum verantwortlich für all die schlimmen Dinge, die sich in den palästinensischen Gebieten ereigneten.

Der andere Teil des Friedenslagers besteht aus vielen radikalen Gruppen wie »Gush Shalom« (das die die gängigen politischen Mythen analysiert und widerlegt), »B’tselem« (sammelt und veröffentlicht Daten über Menschenrechtsverletzungen) oder »Yesh Gvul« (hilft Soldaten, die den Dienst in den besetzten Gebieten verweigern). Die Aktivisten dieser Organisationen gingen hin, um Oliven zu pflücken und gleichzeitig den Dorfbewohnern als menschliche Schutzschilde zu dienen. Ihnen schlossen sich europäische Friedensaktivisten an. An manchen Tagen sind Dutzende von israelischen und internationalen Aktivisten in den Olivenhainen, am Sabbat Hunderte. Sie sind auf mehrere Dörfer verteilt, gehen die Hügel hinauf und werden von den Siedlern angegriffen. Bei Dutzenden von Zwischenfällen schossen die Siedler entweder in die Luft oder auf den Boden rund um die Olivenpflücker. Davon erfuhr die Öffentlichkeit wochenlang nichts. Denn unter den Medien gibt es ein verabredetes Stillschweigen über die Existenz eines radikalen Friedenslagers. »Peace Now!« wird irgendwie als zum nationalen Konsens gehörig betrachtet, weshalb über deren Aktionen – wenn auch nur knapp – berichtet wird. Über Aktivitäten der anderen Kräfte (der »zutiefst Linken« wie sie der frühere Ministerpräsident Ehud Barak nannte, der sie verabscheut) wurde überhaupt nicht berichtet, es sei denn, es war mit Blutvergießen verbunden.

Aber langsam sickerten auch in den Medien Berichte über den Olivenkrieg durch: über die Siedler, die die Palästinenser wegjagten und ihnen die schon gepflückten Oliven stahlen; über Siedler, die, nachdem sie die Besitzer der Olivenhaine vertrieben hatten, selbst ernteten und über Siedler, die die Haine in Brand setzten. Schließlich pflückte eine Gruppe berühmter Schriftsteller Oliven. Die Medien, die die engagierte Arbeit von Hunderten von anonymen Aktivisten ignorierten, waren glücklich, auf Berühmtheiten wie Amos Oz, A.B.Yehoshua, David Grossman und Me’ir Shalev zu treffen. Olivenpflücken wurde auf einmal Konsens. Außerdem waren die Siedler in weiten Teilen der Öffentlichkeit nicht beliebt. Der Zorn über sie wuchs, als bekannt wurde, daß man den Armen in Israel große Summen von Geld wegnahm, um die Siedlungen damit zu mästen. Der Zorn war vermischt mit der Sorge um die Soldaten, die, häufig von Siedlern angegriffen, ihr Leben riskierten, um entfernt gelegene, halbleere Siedlungen zu schützen.

Dies hatte auch einen indirekten Einfluß auf Benjamin Ben-Elieser. Er nahm die sich verändernde Stimmung in der Öffentlichkeit wahr und entschied, daß es nun in seinem Interesse und in dem der Partei sei, die Regierung zu verlassen. Er suchte nach einem Vorwand. Öffentliche Meinungsumfragen ergaben, daß die Siedler jetzt die unbeliebteste Gruppe im Land seien. Er verlangte plötzlich, daß die Regierung das für die Siedlungen bestimmte Geld den Rentnern geben solle. Nun sind die Siedlungen der Hauptpunkt der Auseinandersetzungen geworden. Künftig wird die Arbeiterpartei gezwungen sein, ein Anti-Siedlungsprogramm vorzustellen. Somit wird der Slogan einer kleinen »marginalen« Minorität zum Programm eines großen Lagers.

Dies ist wieder einmal ein Beispiel für die Doktrin des »kleinen Rädchens«, wie wir es schon vor Jahrzehnten formulierten: Ein kleines Zahnrad, von starkem unabhängigem Antrieb bewegt, dreht ein größeres Rad, das ein noch größeres antreibt...bis die ganze große Maschine sich zu bewegen beginnt. In dieser Weise kann eine kleine politische Gruppe mit einer unabhängigen und klaren Agenda einen entscheidenden politischen Prozeß in die Wege leiten, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist.

Wir haben einen weiten Weg vor uns. Es ist nun jedoch bewiesen, daß Dinge in die andere Richtung bewegt werden können. Vielleicht ist eine kleine Olive auf dem Hügel mächtiger als eine Ein-Tonnen-Bombe.

hagalil.com 07-11-02

 

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