Ihre Stimme ist genauso wichtig
Sechs jüdische und sechs palästinensische
Sozialarbeiterinnen aus Givat Haviva in Israel sind auf Einladung des
Lidice-Hauses zu einer Fachtagung nach Bremen gekommen. Was sie vor
allem verbindet, ist der Kampf für die Rechte der Frauen
"Ihr seid doch dafür da, für die Rechte der Frauen zu
kämpfen, warum tut ihr es nicht?", wollten die palästinensischen und
jüdischen Frauen von Christel Schütte wissen. Über die Antwort der
Mitarbeiterin der Bremer Gleichstellungsstelle staunten sie: "Wenn wir
heute Frauen zu einer Demo aufrufen würden, würde kaum eine kommen".
Die Zwölf sind auf Einladung des Lidice-Hauses für eine Woche in Bremen.
Besuche beim Mütterzentrum und Migrantenrat, Treffen mit Politikern und
der Besuch bei der Gleichstellungsstelle standen auf dem Programm. Dass
auch in Deutschland die Rechte der Frauen nicht durchgesetzt werden,
schockte die Sozialarbeiterinnen aus Israel fast. "Warum geht ihr nicht
auf die Straße, um euer Recht auf einen Kindergartenplatz zu
erstreiten?", fragte eine. Die Frau in Deutschland kämpfe zumeist für
sich selbst, nicht für andere, erfuhren sie.
Die 12 Frauen von Givat Haviva, dem jüdisch-arabischen Institut für
Frieden und Demokratie, in Israel gehen den umgekehrten Weg. "Wir
kämpfen für alle Frauen", sagt Myriam Bagan. Aus diesem Grund haben sie
das "Community-Program" für Araberinnen und Jüdinnen entwickelt. Diese
werden gemeinsam geschult - auch in Zeiten von Selbstmordattentätern und
Vergeltungsschlägen. Nach zwei Jahren "Community" sollen sie
Frauenprojekte auf beiden Seiten betreuen. "Wenn wir Frauen in unserem
Projekt gleichberechtigt leben, zeigen wir anderen, dass es dort auch
möglich ist", betont Myriam Bagan, Leiterin der jüdischen Gruppe.
Die Frauen im Land würden als Minderheit betrachtet, deren Stimme nicht
zähle, sagt Sanaa Watad, ihre palästinensische Kollegin. Da sei noch ein
weiter Weg nötig, um Gleichberechtigung zu erreichen - auch im
verwestlichten Israel. "Dabei ist unsere Stimme nicht weniger wichtig,
nur anders als die der Männer", meint Myriam Bagan. Gemeinsam wollen sie
den Frauen in Israel ihre Stimme wiedergeben.
Geärgert hat sich die Gruppe "über eine unsensible Äußerung eines
CDU-Politikers in der Bremer Bürgerschaft". Der habe gefragt, wie sich
die Frauen im Bürgerkrieg fühlen würden. "Sie hätten am liebsten
geantwortet: Beschissen - wir sind an Entscheidungen nicht beteiligt",
erzählt Anette Klasing vom Lidice Haus. Aber Gäste sind nun mal höflich,
egal ob Mann oder Frau, egal ob aus Israel oder aus Deutschland.
Katja Plümäkers
-
Israelisches Friedensprojekt für jüdische und arabische Schüler
-
Givat Haviva - Erziehung zum Frieden
taz Bremen Nr. 6784 vom 26.6.2002, Seite 21, 80
TAZ-Bericht Katja Plümäkers
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25-07-02 |