Rückzug aus den Gebieten:
Sharons Beitrag zur Stärkung von Hamas
Hören:
politik/sharon-0j.rm,
politik/sharon-1j.rm und speziell zu Beilin:
politik/sharon-2j.rm
Siehe auch:
Yossi Beilin:
The Wrong Exit from Gaza
Y. Beilin, one of the architects of the Geneva Accords, critically
discusses the announcement by Prime Minister A. Sharon of his intention
to withdraw unilaterally from the Gaza Strip and a few settlements in
the West Bank. Beilin argues that: “for all the public fears over
concluding a permanent status agreement […] it is hard not to see that
unilateral disengagement leaves Israel at best with what a full-fledged
agreement would leave Israel at worst.”...
[ARABIC]
[HEBREW]
Von Jossi Beilin
Die Äußerungen Sharons erzielten einen unerwarteten
Erfolg. Noch bevor überhaupt klar ist, ob er seine Absichten umsetzen
wird, ist man in der Avoda schon bereit, sich seiner Regierung
anzuschließen.
Zweifelsohne sind seine Äußerungen wichtig. Die
Tatsache, dass Sharon die Gründung eines Palästinenserstaats
befürwortet- auch wenn es sich dabei um eine kleine Enklave handelt- ist
ein Schritt vorwärts. Seine Worte über die israelische Besatzung in den
Gebieten- auch wenn er sie später als Ausrutscher darstellen wollte-
sind von Bedeutung, so auch seine Äußerungen darüber, dass es keine
Juden im Gazastreifen mehr geben wird. Es ist klar, dass die Linke die
Umsetzung all dieser Äußerungen niemals ablehnen wird. Aber die Worte an
sich, und vor allem ihre Umsetzung, sind sehr problematisch und könnten
unseren nationalen Interessen schaden.
Die Anerkennung der Notwendigkeit einer Grenze
zwischen Israel und den Palästinensern, als Gewährleistung für die
Existenz eines jüdisch-demokratischen Staates, führte den zentralen
Strom des Likud zur der einseitigen Option. Von nun an handelt es sich
um eine Kandidatur zwischen zwei Möglichkeiten: entweder ein
israelisch-palästinensisches Abkommen, oder ein einseitiger Rückzug.
Natürlich ist der einseitige Rückzug besser, als in den Gebieten zu
bleiben. Aber ein Abkommen, (das es bereits gibt und nur umgesetzt
werden muss) wäre besser als ein einseitiger Rückzug. Denn es würde sich
um eine historische Maßnahme handeln, die sich auf Generationen
auswirken würde. Deshalb empfehle ich, nicht übermäßig von den
Äußerungen Sharons begeistert zu sein, sondern ihre Gefahren zu
erkennen.
Ein israelischer Rückzug aus den Gebieten ohne
Abkommen wäre ein Rückzug zugunsten von Hamas. Jeder Rückzug, der nicht
mit der PA vereinbart wurde, übergibt Hamas die Kontrolle, da sie heute
der am besten organisierte Faktor auf der palästinensischen Seite ist,
und liefert ihr ideologischen Vorsprung. Hamas wird behaupten: "Wir
haben euch ja gesagt, man darf bei den Verhandlungen mit den Juden nicht
nachgeben, und jetzt seht ihr, dass sie sich von alleine zurückziehen."
Das ist die härteste Ohrfeige für palästinensische Verhandlungspartner
der Vergangenheit und der Gegenwart, ohne die ja niemals ein Abkommen
erzielt werden kann.
Will Sharon das? Ist die Tatsache, dass er für
Abu-Masen keine Gefangenen freiließ, für Nasrallah hingegen schon, Teil
seiner Weltanschauung, mit der gerade diejenigen gestärkt werden, die
nicht mit ihm sprechen wollen?
Auch wer glaubt, dass die palästinensische Seite ein
Abkommen sowieso nicht umsetzen würde, muss es unterstützen. Denn
sollten die Seiten ein Abkommen von der Form des Genfer Abkommens
unterzeichnen, und die Palästinenser würden dagegen verstoßen, dann
würde dies einige Vorteile für Israel mit sich bringen: eine östliche
Grenze, die international anerkannt ist; eine große Hauptstadt, die auch
die jüdischen Viertel in Ostjerusalem, die Klagemauer und das jüdische
Viertel beinhaltet, die von aller Welt anerkannt wird und in die alle
Botschaften umziehen werden; das Flüchtlingsproblem wird endlich von der
Tagesordnung verschwinden, und alle relevanten UN-Resolutionen werden
durch das Abkommen ersetzt. Die jüdische Mehrheit wird auf Generationen
sichergestellt. Sollte der palästinensische Staat zu einem Feind werden,
dann können wir uns dementsprechend mit ihm auseinandersetzen.
Das schlimmste Szenario eines Verstoßes gegen das
Abkommen ist immer noch besser als ein einseitiger Rückzug, der
international nicht anerkannt wird, der keine Lösung für die zwei
zentralsten Fragen anbietet (Jerusalem und Flüchtlinge), und der die
Palästinenser nicht einmal zu einer Entwaffnung oder zu Terrorbekämpfung
verpflichtet. Der einseitige Rückzug bringt keine internationale Hilfe
mit sich, er macht es nicht möglich, dass die geräumten Siedlungen Teil
der Entschädigung werden, die die Flüchtlinge erhalten, und er wird uns
keine internationale Höherstufung einbringen (in der NATO oder der EU).
Sharon hat lange dazu gebraucht zu begreifen, was die
israelische Linke seit langem begriffen hat. Auch wenn man jetzt von dem
erfolgreichen Abschluss seines langen Lernprozesses beeindruckt ist,
darf man sich nicht von dem krummen Rezept begeistern lassen, das er für
das Ziel, mit dem wir uns alle von ganzem Herzen identifizieren,
vorschlägt- das Ende der Besatzung.
Der Autor ist einer der Initiatoren des "Genfer
Abkommens". 1999-2001 war Beilin Justizminister im Kabinett von Ehud
Barak. Vor den letzten Wahlen trat er zur Meretz-Partei über.
hagalil.com
20-02-2004 |