Aufruhr in der Großen Mosche in Rom:
Ein Gebet für Terrorscheich Yassin erzwungen
Von Magdi Allam
Rom – "Allah Akhbar!", "Allah Akhbar!", "Allah
Akhbar!". Dreimal tönte gestern der Ruf "Gott ist groß" durch die
Große Moschee. Ein wiederholter Ruf um die Gläubigen die in den
Betsaal hineingingen zum Aufruhr zu bewegen: "Israel hat Scheich
Achmed Yassin ermordet. Ehren wir sein Andenken indem wir sein
Todesgebet zelebrieren." Ungefähr Hundert von den 400 Gläubigen
haben diesen Ruf erhört, trotz der Weigerung der Verantwortlichen
der Großen Moschee – die eine schwere Niederlage erleiden mussten –
des Hamas Führers zu gedenken.
Ihre Autorität wurde lädiert, ihre Glaubwürdigkeit
beschädigt. Ein wirklicher Putsch innerhalb des institutionellen
Sitzes des Islams in Italien. Das erste Mal wurde ein größerer Ort
des islamischen Glaubens besetzt und der Gnade islamistischer
Integralisten ausgeliefert. Die Revolte wurde von einem jungen
Algerier angeführt, der sich schon in der Vergangenheit durch seine
extremistischen Positionen bemerkbar machte. Er führte ein Grüppchen
von um zwanzig "harte und reine" Islamisten an, die den Gläubigen
ein "Totengebet" zu Ehren von Scheich Yassin auferlegten. Bereits
seit dem Tag seiner Ermordung am 22. März haben sie starken Druck
auf den Imam der Großen Moschee, den Ägypter Abdulwahab Hussein
Gomaa ausgeübt, um ihn zu überzeugen, das Totengebet zu zelebrieren.
Doch der Imam hat sich geweigert. Er hat sich
geradezu gehütet während der Predigt Israel zu erwähnen. Die
Anordnung von Abdallah Redouane, Sekretär des islamischen
Kulturzentrums in Italien, der die Große Moschee verwaltet, war
explizit: Im Kollektivgebet am Freitag keine Erwähnung von Scheich
Yassin, geschweige denn irgendwelche antisemitischen Sätze. Sie
wussten, dass die italienischen Behörden sehr aufmerksam sein
werden. Noch ist die Erinnerung wach an die Entfernung des
vorherigen Imams, des Ägypters Abdel Samie Mahmoud Ibrahim Moussa,
der am 6. Juni 2003 eine feurige Predigt hielt für einen Heiligen
Krieg, die kamikaze lobte und Allahs Hilfe anrief, um die Feinde des
Islams auszurotten. Von dem Tag an wurde klar, dass auch die Große
Moschee von der extremistischen islamistischen Ideologie angesteckt
war. Außerhalb der Moschee sah
man mehr Polizei und Zivilfahnder als üblich. Nach dem Massaker in
Madrid hat das Innenministerium die Kontrolle der Moscheen
verstärkt. Die Besetzung der Großen Moschee dauerte wenige Minuten,
die notwendig waren um das "Totengebet", dass man stehend sagt, zu
verrichten. Doch das wesentliche zählt. Ungefähr zwanzig
Integralisten und Extremisten haben der Gemeinschaft der Gläubigen
ihre religiöse Autorität, ihre Interpretation des Islams, ihre
militante Ideologie aufgezwungen. Imam Gomaa und Sekretär Redoane
bevorzugten es sich zu entfernen und sich in ihre Büros
zurückzuziehen. Sie erlitten eine Niederlage.
Die Zivilfahnder haben außerhalb der Moschee den
jungen Algerier und die anderen Mitglieder seiner putschistischen
Gruppe angehalten und verhört. Die Verantwortlichen der Großen
Moschee lernten die Lektion des letzten Juni, als Innenminister
Giuseppe Pisanu, die Entfernung von Imam Moussa erreicht hat, nach
dem er drohte den Status einer "gemeinnützigen Körperschaft" die dem
Ort des islamischen Kultes verliehen wurde, abzuerkennen.
Vor dem kollektiven Gebet am Freitag war die Spannung
groß. Man befürchtete Ausschreitungen wegen der Ermordung von
Scheich Yassin. Das liessen Inhalt und Ton von Erklärungen einiger
Gruppen befürchten, beginnend mit Ucoii (Vereinigung der islamischen
Gemeinden und Organisationen in Italien) die mit den Moslembrüdern
wie Hamas verbunden ist, welche einen großen Teil der Moscheen in
unserem Land kontrolliert oder beeinflusst.
"Sharons Politik" bestätigt Ucoii, "entwirft ein
Projekt der Endlösung die eine Kettenreaktion des Schmerzes und der
Trauer auslösen wird, deren Ergebnis man sich nicht vorstellen kann,
die aber sicher unsere Welt und insbesondere die Region des
Mittelmeeres, zum Schauplatz von harten und blutigen Konfrontationen
machen wird." In der gleichen
Tonlage ist die Erklärung der wohltätigen Vereinigung Solidarität
mit dem palästinensischem Volk, die sich in der Nähe der Ucoii und
der Hamas befindet: "Der Ministerpräsident (Ariel Sharon K.P.), der
nie aus seiner Natur als Schlächter ein Geheimnis gemacht hat, ist
eine Bedrohung für die ganze Menschheit im allgemeinen und
insbesondere für die Mittelmeerregion und muss politisch in eine
Lage gebracht werden, wo er keinen Schaden mehr anrichten kann, in
erster Linie seinem eigenen Volk, das bereits einen hohen Preis
bezahlt hat und bezahlen wird für seine blinde und tollwütige
Politik". Die schiitische
islamische Vereinigung Ahl-al-Bait war nicht zärtlicher: "Scheich
Yassin ... wurde in feiger Weise durch einen von der terroristischen
Organisation, genannt Staat Israel...ermordet. Jetzt können alle das
wahre Gesicht Israels sehen, nicht das eines immerwährend verfolgten
Volkes sondern einer blutdürstigen Bestie, die seit fünfzig Jahren
ein ganzes Volk, das palästinensische Volk massakriert, deportiert,
foltert und erniedrigt." Das sind Hassparolen die zur Gewalt führen,
sie haben auch diesen bezeichnenden Zwischenfall produziert. Die
wenn auch kurze Besetzung der Großen Moschee in Rom durch eine
Handvoll Fanatiker, die eine enorme Bedeutung nicht nur für die
Moslems aber auch für die Gesamtheit der italienischen Gesellschaft
hat. Quelle:
Corriere della Sera,
27.03.04
Übersetzt und redigiert von Karl Pfeifer
hagalil.com
04-04-2004 |