Mit unterschiedlichen Motiven:
Euro-Pass ist ein Renner in Israel
Von Ulrich W. Sahm
Israelische Bürger wollen neben ihrem blauen
Pass mit dem goldenen siebenarmigen Leuchter als Staatswappen auch
gerne einen roten Pass mit dem deutschen Adler oder anderen Symbolen
in der Tasche tragen. Hauptsache auf dem Pass steht: "Europäische
Union".
Die israelische Zeitung Jedijot Achronot
veröffentlichte eine Aufstellung der von Israelis beantragten
Europässe. Im Jahr 2003 waren es ungefähr 13.000. Im Jahr 2004
verdoppelte sich die Zahl der Antragsteller auf fast 25.000, wobei
diese Zahlen nur einen Anhaltspunkt liefern, da bei der Statistik
nicht zwischen Anträgen und tatsächlich ausgehändigten Pässen
unterschieden wird. Ebenso waren nach Angaben der Zeitung nicht alle
Botschaften bereit, ihre Zahlen zu veröffentlichen.
Vor einem Jahr zirkulierten in Deutschland
Berichte über den Willen tausender Israelis, ihrem Land den Rücken
zu kehren, weil es ihnen zu gefährlich geworden sei. In der Tat war
die Zahl der Antragsteller für einen deutschen Pass von
durchschnittlich 1200 im Jahr vor der Intifada auf 1751 (2001)
angestiegen, auf 2400 (2002) und schließlich gar auf 3312 im Jahr
2003.
Die deutsche Botschaft fragt die Antragsteller
nicht, aus welchem Motiv sie einen deutschen Pass wünschen. Entweder
sind sie zur deutschen Staatsbürgerschaft berechtigt, weil ihre
Eltern oder sie selber die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen und
sie widerrechtlich von den Nazis aberkannt worden ist, oder aber sie
"haben schlicht keine Chance", weil die Nachweise und Papiere nicht
ausreichen - wie es ein Konsularbeamter formulierte. Die Deutsche
Botschaft in Tel Aviv dient ohnehin nur als "Filter", während die
Entscheidung über die Verleihung eines Passes beim Verwaltungsamt in
Berlin liegt.
Aus zufälligen Gesprächen mit Antragstellern waren
sehr unterschiedliche Motive herauszuhören. An erster Stelle stand
die Möglichkeit, visumsfrei in Europa und sogar in die USA reisen zu
können, während Israelis wochenlang auf ein US-Visum warten und
persönlich in der amerikanischen Botschaft vorsprechen müssen.
Weitere Gründe seien ein Studium in Europa oder ein längerer
Aufenthalt und Arbeit, ohne die Ausländerbehörde aufsuchen zu
müssen. Eher selten gestehen Antragsteller: "Man weiß nie, was die
Zukunft bringt."
Die Annahme, dass Israelis einen deutschen Pass
beantragen, weil sie Angst um die Existenz des jüdischen Staates
haben, stellt sich jetzt als weitgehend falsch heraus. Der Höhepunkt
mit 3312 (2003) Passanträgen bei der deutschen Botschaft habe unter
anderem an einer Lockerung der bürokratischen Verfahren gelegen. In
"klaren Fällen" hätte die Antragsteller nicht mehr persönlich
vorsprechen und auf einen Termin warten müssen. So wurde 2003 ein
"großer Rückstau" abgearbeitet. Im Jahr 2004 sank die Zahl der
Anträge deshalb um ein Drittel auf nur noch 2250, also trotz
anhaltender Intifada auf etwas weniger als im Jahr 2002, als die
Intifada mit hunderten Anschlägen für die Israelis ihren schlimmsten
Höhepunkt erreichte. Gemäß Schätzungen seien heute etwa 60.000
Israelis im Besitz eines deutschen Passes.
Es stellt sich heraus, dass Deutschland keineswegs
an erster Stelle der europäischen Länder steht, die an Israelis
Pässe austeilen. Spitzenreiter ist Ungarn mit 7000 Pässen 2004 und
zweitausend weniger im Jahr davor. Großbritannien und Frankreich
folgen mit jeweils etwa 5500 im Jahr 2004. Bei Frankreich blieb die
Zahl im Vergleich zum Vorjahr konstant, während sie sich bei den
Briten fast verdoppelt hatte.
Bei Österreich stieg die Zahl von nur 409 im Jahr
2003 auf 844 im Jahr 844 an. Zuvor wurden 150 (2001) und 170 (2002)
österreichische Pässe an Israelis ausgegeben. Nach Angaben der
österreichischen Botschaft habe es auch bei ihr, wie bei den
Deutschen, einen "Rückstau" gegeben, der aufgearbeitet worden sei.
Bei Polen gab es einen leichten Anstieg von 1000 auf 1200. Bei
Italien blieb die Zahl bei etwa 850 konstant. Andere Länder wie
Spanien, Holland oder Portugal fallen mit wenigen dutzend Anträgen
kaum ins Gewicht. Den größten Anstieg registrierte allerdings die
Littauische Botschaft. Da verdreifachte sich die Zahl der
Antragsteller von 40 auf 140.
Die Statistiken lassen keine zuverlässigen
Rückschlüsse zu, schon gar nicht in Bezug auf die Sicherheitslage in
Israel als Motiv für die Passanträge. Der klare Rückgang der
Passanträge bei den Deutschen widerspricht dem drastischen Anstieg
bei anderen europäischen Ländern, und das, obgleich sich die
Sicherheitslage in Israel seit 2003 und verstärkt im Jahr 2004 dank
des "Sperrwalls" spürbar verbessert hat.
hagalil.com
28-01-2005 |