Europäer klagen:
Missbrauch von Spendengeldern
Nachrichtenartikel von Ha'aretz-Korrespondent
Arnon Regular, Ha'aretz, 15.12.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Vertreter aus Norwegen, Dänemark, der Schweiz,
Irland und der Europäischen Union bereiteten gemeinsam mit der
palästinensischen Autonomiebehörde eine strafrechtliche Klage gegen
Khader Shkirat, Rechtsanwalt des inhaftierten Tanzimführers Marwan
Barghouti und früherer Vorsitzender von LAW –die palästinensische
Gesellschaft für den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt- vor.
Shkirat war während der Periode der Oslo-Vereinbarungen Leiter
dieser Organisation, die enorme Summen an Fördergeldern von den o.
g. Staaten erhalten hat.
Ha'aretz erhielt eine Kopie der Klage, die am
Montag in der Westbank-Stadt Ramallah im Büro des palästinensischen
Anklägers gegen Shkirat und gegen Dutzende von Beschäftigten der
Führungsebene eingereicht werden soll. Die Klage deutet auf eine
Vielzahl von Betrügereien und kriminellen Delikten hin und
behauptet, dass die Organisation große Summen an Geld gestohlen hat.
Die Vertreter dieser Länder planen auch, sich am
Montag nach Einreichung der Klage mit den Leitern der NGOs (i. e.
Organisationen, die nicht der –in diesem Fall palästinensischen-
Regierung unterstellt sind) in den Palästinensergebieten zu treffen
und ihnen die Ergebnisse ihrer Ermittlungen gegen Shkirat und gegen
LAW zu präsentieren.
Es wird außerdem erwartet, dass die Delegierten
von den NGOs fordern, neue innerbetriebliche Vorgehensweisen
einzuführen, falls sie weiterhin finanzielle Unterstützung aus
westlichen Staaten erhalten möchten.
Einer der Delegierten sagte Ha'aretz: "Dies ist
ein Test für das palästinensische Rechtssystem und für die Vertreter
der palästinensischen bürgerlichen Gesellschaft, der zeigen wird, ob
Shkirat "geschützt" wird, weil er Marwan Barghoutis Anwalt ist oder
ob er Rechenschaft für seine Taten ablegen muss."
Ha'aretz berichtete bereits im März diesen Jahres
über diese Angelegenheit. Sie begann im Juli 2002, als die
Geberstaaten Informationen erhielten, dass einige LAW-Gelder auf
privaten Bankkonten liegen, die nicht unter dem Namen der
Organisation registriert waren.
Im Sommer 2002 beauftragten die Geberstaaten die
Firma "Ernst & Young" die Konten der Organisation in den Jahren 1997
bis 2002 zu überprüfen. Während dieser Zeit hatte die Gruppe 9,62
Millionen Dollar an Spenden erhalten. Die Klage, die sich auf den
Bericht der Buchprüfer stützt, sagt aus, dass den Geberstaaten in
diesen fünf Jahren von den zwei Buchhaltern der Organisation
"gefälschte Konten" vorgeführt worden sind.
Die Klage sagt, dass etwa 2,35 Millionen Dollar
auf geheime Bankkonten in Israel und in den Palästinensergebieten
überwiesen worden sind. Dieses Geld wurde anscheinend für Zwecke
ausgegeben, die mit den erklärten Zielen der Organisation nichts zu
tun haben.
Die Klage erwähnt z. B. 75.000 Dollar für eine
Auslandsreise, 109.000 Dollar "Krankenhauskosten", ein
200.000-Dollar-Darlehen für einen Verwandten von Shkirat (angeblich
weigert sich Shkirat von diesen 200.000 Dollar 130.000 Dollar
zurückzuzahlen). Zusätzliche 160.000 Dollar wurden an eine
Organisation überwiesen, die anscheinend von Shkirat selbst
gegründet wurde. Es wird auch angenommen, dass eine Anzahl von Autos
aus den Geldern der Organisation erworben wurden, die auf die Namen
der Beschäftigten eingetragen sind.
Die Geberstaaten beklagen, dass alle Versuche, die
Angelegenheit mit der Organisationsleitung, die mittlerweile
gewechselt hat, zu diskutieren und das Geld zurückzubekommen, fehl
geschlagen sind. Die Klage beinhaltet auch eine Anzahl von
Beschuldigungen, die nicht im Bericht von "Ernst & Young" enthalten
sind, z. B. dass das Protokoll einer Vorstandssitzung, während der
Shkirat Zugang zu den Konten der Organisation hatte, gefälscht ist.
Als die Beschuldigungen gegen Shkirat zuerst
erhoben wurden, gab er seinen Posten bei LAW auf und kündigte an, er
plane, in die palästinensische Politik zu gehen. Die Vertretung
Barghoutis vor Gericht begann er nur wenige Wochen vor Aufgabe
seines Amtes bei LAW.
Die Menschenrechtsorganisation ist eigentlich in
Israel registriert. Doch die Geberstaaten entschieden, dass eine
Anklage bei israelischen Behörden von der palästinensischen
Öffentlichkeit und der palästinensischen Autonomiebehörde ungünstig
interpretiert werden könnte.
hagalil.com
15-12-2003 |