Verzerrungen, Intoleranz, Vorurteile:
Eine neue italienische Übersetzung des Korans
Magdi Allam beschreibt in
seinem in Corriere della Sera am 14. Oktober 2004 erschienenem
Artikel, der hier auszugsweise von Karl Pfeifer übersetzt wurde, wie
der Koran von jemand ins Italienische übersetzt wurde, der nicht das
klassische Arabisch beherrscht und in einer Auflage von über 100.000
Exemplaren in den Moscheen, die zur "Unione delle comunità ed
organizzazioni islamiche in Italia" (Ucoii) gehören, vertrieben
wird.
Von Magdi Allam
Die "Unterdrücker" (mustakbirun) des Islam sind
"die Orientalisten, die Würdenträger anderer Religionen, die nicht
zum Islam gehören, die Journalisten und all diejenigen die zur
Desinformationskampagne über den Islam und die Muslime beitragen.
Diese werden eine entsprechende Strafe erhalten, während es möglich
ist, dass Allah in seiner unendlichen Barmherzigkeit den
Unterdrückten verzeiht." Das ist der Kommentar zur Sure 4,98 des
Korans "übersetzt von Hamza Roberto Piccardo".
Lassen wir nun das Detail beiseite, wie Piccardo
diesen heiligen Text des Islams übersetzen konnte, wenn er nicht das
alte klassische Arabisch kennt, die Originalsprache der Offenbarung.
Es bleibt doch der Fakt, dass seine Übersetzung der am meisten
verbreitete Koran in Italien ist. Mit mehr als 100.000 Exemplaren,
deren größter Teil in der Moscheen unter der Aufsicht von Ucoii
vertrieben werden. Bei einer aufmerksamen Prüfung zeigt sich eine
starke ideologische Feindschaft gegen die westliche Zivilisation,
gegen die Juden, die Christen und gegen emanzipierte Frauen.
Hingegen tritt er für eine revolutionäre und militante
Interpretation des Islam ein, die schwer mit dem Respekt für den
Rechtstaat vereinbar ist. All das bedeutet, dass die Kenntnis des
Islams und der religiösen Kultur der Muslime in unserem Land mehr
oder weniger abhängt, von einer Auslegung des Korans, der nicht auf
gegenseitiger Toleranz aufbaut und friedliche Koexistenz und die
Zugehörigkeit zu gemeinsamen Werten nicht befürwortet.
Im Kommentar zur Sure 16,9 wird die westlichen
Zivilisation verurteilt: "In der zeitgenössischen säkularisierten
Gesellschaft ist die gefährliche Tendenz verbreitet, alle Wege und
alle Hypothesen der geistigen Verwirklichungen gleich zu behandeln,
unter der Bedingung, dass sie sich in eine kohärente ethische
Gesamtheit einfügen, welche das Denken von anderen respektiert. Eine
unglückselige Tendenz und Vorbote dieser moralischen und geistigen
Katastrophe, die wir in den "fortschrittlichen westlichen
Zivilisationen" bemerken, in dem der Mensch eine macht- und
reichtumshungrige Bestie wurde, die bereit ist alles zu zerstampfen,
um das zu erreichen oder zu einem passiven Produzenten von Waren
oder Dienstleistungen zu werden mit der einzigen Bestrebung so viel
als möglich zu konsumieren.(...)"
Die Vision einer militanten Religion, die einen
sicheren "Machtkampf" der von Juden und Christen gegen den Islam
ausgelöst wird, geht aus dem Kommentar zur Sure 2,109 hervor. Dort
liest man "Allah sagt uns einen erbarmungslosen Kampf voraus, den
einige Christen und viele Juden gegen die Muslime führen werden. Es
ist, das muss klar sein, kein Krieg aus religiösen Motiven, sondern
eher wegen der Macht. Der Islam wegen seiner traditionellen
gefestigten ethischen Unversöhnlichkeit, wendet sich an alle, als
die einzige Hoffnung des Menschen sich von jeder Form der
menschlichen Beherrschung zu befreien. Wenn man sich als der Diener
Allah’s gibt, dann kann man nicht Diener des Menschen, seiner
Ideologie, seiner Waren, seiner Leidenschaften, seiner Illusionen
sein." (...)
Die messianische, revolutionäre und kämpferische
Dimension des Islams manifestiert sich im Anhang 3, der dem Zehnten,
dem Zakat gewidmet ist: "Unter den Empfängern des Zakat sind
‚diejenigen vorgesehen, deren Herz man erobern will’". Die "können
verschiedene Kategorien von Personen seien, die Neu-Bekehrten, an
die es gut ist, ein fühlbares Zeichen der Solidarität innerhalb der
islamischen Gemeinde zu geben, die Nicht-Moslems, die der
islamischen Sache nützlich sein können wegen ihrer
politisch-gesellschaftlichen oder professionellen Position; die
sogenannten ‚Geheimspesen’ die man gibt für eine Sache, die nicht
sofort ausgeplaudert werden darf, die Aktivitäten der dawa
(Missionierung) die sich an Nichtmoslems richtet, etc... (...)
endlich die Militärausgaben für die Verteidigung des Staates als
auch für den Kampf gegen den Unglauben (...)".
Gerade im Kommentar unter dem Titel "Die
Ungläubigen" der Sure 39 wird die Unmöglichkeit einer doktrinären
Versöhnung zwischen den Religionen und insbesondere jede gemeinsame
religiöse Feier bestätigt. Wie auch im Kommentar zur Sure 5,14, in
der man über die göttliche Strafe für Christen spricht und die
Legitimität der katholischen Kirche anficht: "Die Teilungen welche
die christliche Welt erleidet sind eine von Allah gewollte Strafe
für die Christen in diesem Leben." Was die Katholiken betrifft, kann
man nicht absehen vom Verlust ihres traditionellen kanonischen
Rechts (das ständig an "die Zeit angepasst" wird), ihrer Riten, der
Autorität ihrer Würdenträger, der Legitimation der selbst der Kirche
(...).
In diesem Zusammenhand ermahnt der Koran von
Piccardo und Ucoii zur Vorsicht bei Mischehen. Im Kommentar zur Sure
5,5 lesen wir: "Die islamische Familienstruktur erlaubt den Moslems
Frauen der Buchreligionen (Christinnen und Jüdinnen) zu heiraten,
unter der Bedingung dass sie "muhsanat" sind, was bedeutet
"bestärkt", worunter "ehrlich, keusch und tugendhaft" verstanden
wird. Die nicht moslemische Ehefrau hat das Recht ihren Kult zu
folgen und das Essen zu essen, das ihr ihre Religion erlaubt. Sie
hat kein Recht ihre Religion an ihre Kinder weiterzugeben und sie
kann nicht den Mann beerben; der erste Teil ist unverzichtbar und
ist Teil des Ehevertrags, dass die Frau unterschrieben hat und ein
Brechen dieses führt unvermeidlich zur Scheidung: "(...) das Ideal
einer Frau im Islam, wird im Arabischen, das in Nordafrika
gesprochen wird mit "hashma wa-sabra" (schamhaft und geduldig)
ausgedrückt, was ihre unersetzbare Funktion in der Gesellschaft und
Familie bewusst macht, und was sie unterscheidet von der aggressiven
und vorurteilslosen, schamlosen und neurotischen Karrierefrau, die
als "befreite Frau" vorgeschlagen wird.
Hier überrascht nicht die Verteidigung der
Polygamie. Im Kommentar zur Sure 4,29 wird erklärt: "Viele
Orientalisten und sogar einige verwestlichte Muslime wollten in
diesem Abschnitt ein "implizites Verbot" der Polygamie hineinlesen.
Argumentierend, dass Allah die Unmöglichkeit des polygamen Ehemannes
bestätigt, sich zu seinen Ehefrauen gleich zu verhalten, ist doch
die Gerechtigkeit eine unverzichtbare Bedingung der ehelichen
Beziehung, daher sei die Polygamie erlaubt aber unmöglich. Es
handelt sich in der Realität um eine peinliche Bemühung, von denen
akzeptiert zu werden (das sagt uns der Höchste), die "nie zufrieden
sein werden mit Dir". Die Sunna des Propheten Allahs, die Praxis
seiner Kameraden und das islamische Recht bestätigen ganz klar das
Gegenteil. (...)"
Zusammenfassend stellt sich die Frage, wie ist es
möglich, dass in den Moscheen und der italienischen Gesellschaft ein
obskures, intolerantes, menschenfeindliches und aggressives Bild des
Koran und des Islam verbreitet wird? Diese Frage ist umso
dringlicher, weil für manche in Italien die Ucoii, die Mehrheit der
Moslems repräsentiert, eine Bewegung mit einer gemäßigten Basis, der
angesehenste Gesprächspartner des Staates und der Kirche. Die Lehre,
die man daraus ziehen kann, in dieser schwierigen Periode des
globalen Kampfes gegen den islamistischen Terror im Westen und der
gemeinsamen menschlichen Zivilisation, muss über die allgemeinen
Erklärungen der Politik und der Koexistenz hinausgehen. Italien hat
das Recht und die Pflicht sicherzustellen, dass der Islam, der hier
auf seinem Boden propagiert wird seine Gesetze respektiert und
vereinbar ist mit den Grundwerten der Verfassung und der
Gesellschaft.
Das Grundproblem mit dem Kommentar des Korans von
Piccardo und der Ucoii ist eine ideologisch motivierte Umschreibung,
die auf eine wortwörtliche und absolute Interpretation des heiligen
Textes gründet. Hingegen sind andere Koranübersetzungen, z.B die von
Alessandro Bausani, der bekannteste italienische
Islamwissenschaftler (Verlag Rizzoli) vor allem objektiver und
genauer was die Übersetzung anlangt und zweitens kommentieren sie
den Text im Kontext der historischen Periode, in der er offenbart
wurde. Zum Beispiel wird im Koran von Piccardo zur Sure 9,60
behauptet, dass unter den Empfängern des Zakat, diejenigen
vorgesehen sind, "deren Herzen man erobern muss", was er freizügig
als verschiedene Kategorien "zwischen den Neu-Konvertierten und den
Nicht-Moslems, die der islamischen Sache nützlich sein könnten"
auslegt.
Bausani hingegen übersetzt "Diejenigen, deren Herz
wir versöhnt haben", und erklärt dies beziehe sich auf "gewisse
Notabeln aus Mekka mit einem gewissen Einfluss, um deren Sympathien
zu erwerben, sind Geschenke notwendig".
Diese wissenschaftliche Methode, die nicht
ideologisch bestimmt ist, ähnelt denen der zeitgenössischen
Intellektuellen, wie der Ägypter Nasr Hamid Abu Zaid und der
Sudanese Muhammad Mahmud Taha, die eine Historisierung des
Korantextes verlangen. So zum Beispiel bei den körperlichen Strafen,
der Polygamie, dem Jihad als Heiligen Krieg, die im 21. Jahrhundert
ganz anachronistisch sind.
Quelle:
Corriere della Sera
hagalil.com
17-10-2004 |