Interview von Tjark Kunstreich
mit Beate Klarsfeld
KONKRET sprach mit der deutsch-französischen
Journalistin Beate Klarsfeld über die von ihr mitorganisierten Proteste
gegen die Besuche des syrischen Diktators Baschar al-Assad in Paris und
Berlin
konkret: Warum haben Sie mit
der Organisation der Söhne und Töchter der deportierten Juden aus
Frankreich Proteste gegen den Besuch Baschar al-Assad in Paris und
Deutschland Proteste initiiert, der doch im Westen als "Modernisierer"
seines Landes gilt?
Klarsfeld: Assad der Ältere war nicht so gesprächig wie
sein Sohn; er überließ es seinem Verteidigungsminister Mustafa Tlass,
den Hass gegen die Juden artikulieren – einem unermüdlichen
Propagandisten der Protokolle der Weisen von Zion. Assad der
Jüngere läßt hingegen keine Gelegenheit aus, das Wort gegen die Juden zu
ergreifen. Einen Höhepunkt antisemitischer Propaganda gab es während des
Papst-Besuchs in Syrien im Mai. Assad hetzte gegen die "Israelis", die
sich als auserwähltes Volk betrachteten – sie hätten "das Gebot der
Gleichheit massakriert, als sie behaupteten, daß Gott ein Volk
geschaffen hat, das über anderen Völkern steht"; sie hätten "Jesus
verraten" und versucht, "den Propheten Mohammed zu töten". Auf dem
Gipfel der arabischen Staaten im März verglich er Juden und Nazis: "Es
ist die israelische Öffentlichkeit, nicht nur die Führer, die selbst wie
Nazis sind", so Assad, und: "Die israelische Gesellschaft ist eine
rassistischere Gesellschaft als der Nationalsozialismus." Dieser Mann
will den Staat Israel von der Landkarte tilgen.
Diejenigen, die ihn in Frankreich und Deutschland
offiziell empfangen haben, bringen zu seinen Gunsten vor, daß er jung
sei und unerfahren, unvorbereitet darauf, die Nachfolge seines Vaters
anzutreten, und beeinflußbar. Das bezweifle ich: Ein Mann von 35 Jahren,
mit wissenschaftlicher Ausbildung, der in London studiert und als
Augenarzt gearbeitet hat, und der sich zu so heftigen antijüdischen
Äußerungen hinreißen läßt, wird sich als Antisemit nicht mehr ändern. Er
wird wahrscheinlich lernen, sich nicht mehr gar so offenherzig zu
äußern, aber uns kann er nichts mehr vormachen.
konkret: Wie sahen die
Proteste in Frankreich aus?
Klarsfeld: Nachdem mein Ehemann, Serge Klarsfeld, einen
Offenen Brief an den Präsidenten geschrieben hatte, schlossen sich
zahlreiche jüdische Organisationen dem Protest an. In Paris
demonstrierten 8.000 Menschen, in Marseille 3.000. Aufgerufen hatte der
Dachverband der jüdischen Institutionen, CRIF. Aber auch nichtjüdische
Franzosen unterstützten die Proteste, Leute aus allen politischen
Lagern. Der Pariser Bürgermeister Delanoe ging Assad nicht, wie es
üblich ist, im Pariser Rathaus entgegen, sondern blieb auf der Treppe
stehen und verurteilte in seiner Rede Rassismus, Antisemitismus und
Geschichtsverleugnung. Das ganze Zeremoniell des Staatsbesuchs fiel
nicht so groß aus, wie ursprünglich geplant. Vor der Hintergrund einer
sehr pro-arabisch eingestellten Öffentlichkeit sind die Proteste ein
Erfolg gewesen.
konkret: Eine Woche vor Assads
Visite in Deutschland veröffentlichten Ihr Ehemann und Sie einen
Protest-Aufruf an die Deutschen. Wie schätzen Sie nun, nach dem Besuch,
den Erfolg dieser Initiative ein?
Klarsfeld: Wir hatten gehofft, daß es in Deutschland als
sehr problematisch empfunden wird, wenn ein antisemitischer Demagoge von
Staats wegen empfangen wird. Von Seiten des Zentralrats der Juden gab es
wohl Befürchtungen, daß man nicht genug Leute gegen den Besuch auf die
Beine bringen würde. Immerhin schaltete man zwei große Anzeigen in der
"Welt am Sonntag" und der "Welt". Wir waren jedoch ebenso überrascht wie
froh, daß sich proisraelische linke Gruppen zu einer Kundgebung
durchringen konnten, und die Berliner Jüdische Gemeinde und der
Zentralrat riefen zur Teilnahme auf.
konkret: Es waren nur etwa 200
Menschen dort, Mitglieder linker und jüdischer Gruppen und
Organisationen: eine sehr ungewöhnliche Konstellation.
Klarsfeld: Der gemeinsame Nenner war die Gegnerschaft zu
jeder Form des Antisemitismus und die Verteidigung des Existenzrechts
Israels. Daß sich dazu nur wenige bekennen mochten und viele fehlten,
von denen man es eigentlich erwarten konnte, ist erstaunlich.
konkret: Wen haben Sie noch
erwartet?
Klarsfeld: Ich hatte auch zur Grünen-Parteivorsitzenden
Claudia Roth Kontakt aufgenommen, aber man beschied mir im Vorzimmer,
daß es undenkbar sei, gegen den eigenen Minister auf die Straße zu
gehen. Danach habe ich nichts mehr gehört, aber den Zeitungen entnommen,
daß Frau Roth sich wenigstens gegen die Unterstützung der Hisbollah
durch Syrien ausgesprochen hat. Mit der PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke
habe ich einmal telefoniert und dann nichts mehr von ihr gehört.
Insgesamt habe ich den Eindruck, daß man in der
rotgrünen Regierung sehr daran interessiert ist, von der eigenen
Vergangenheit abzulenken. Schröder und Fischer hätten als Vertreter
ihrer Generation sagen können, was sie sonst auch immer sagen: Wir sind
die, die aus der Geschichte gelernt haben, und deswegen verurteilen wir
Assads Äußerungen aufs Schärfste. Sie haben es nicht getan, das spricht
für sich. Wie kann man mit Prunk und Ehren in Deutschland, in Berlin,
einen Staatschef empfangen, der an die Tradition der widerlichsten
Nazipropaganda anknüpft? Selbst Staatsräson und Realpolitik
rechtfertigen die Banalisierung seiner antijüdischen Tiraden nicht, die
andere arabische Staatschefs ermutigen, in diesen demagogischen Refrain
einzustimmen.
konkret können Sie an jedem guten Kiosk kaufen oder im
Abonnement
zum Preis von jährlich 90 Mark beziehen.
Gegen eine Schutzgebühr von 3 Mark in Postwertzeichen können Sie aber auch
ein Probeheft bestellen: konkret, Ruhrstr. 111, 22761 Hamburg
konkret@t-online.de |