"Erweitertes Europa":
Strategische Zusammenarbeit EU-Israel
Von Dalia Shchori, Haaretz
Der Krieg im Irak hat die enorme Kluft
auf dem Gebiet der militärischen Technologie zwischen der USA und der EU
hervorgehoben. Die Europäische Union, die erhebliche Bemühungen in die
Dezimierung dieser Kluft investieren wird, hat einen Dialog mit Israel
über strategische Zusammenarbeit eröffnet. Unter den Domänen, über die
diskutiert werden wird: Satelliten, Waffenentwicklung und Grenzschutz.
Im Rahmen des Versuches der EU, eine freundliche Umwelt zu gewähren,
wird Israel vorgeschlagen werden, sich dem Projekt "Erweitertes Europa"
anzuschließen.
Der jetzige Botschafter in der EU, Oded
Eran, drückt sich anders aus als sein Vorgänger. "In den letzten Monaten
hat sich der Dialog zwischen Israel und der EU verstärkt", sagt er.
Während Erans Dienstzeit begann Israel Verhandlungen zum Beitritt in das
"Erweiterte Europa" und vor einigen Wochen kam von Seiten der EU der
Vorschlag für strategische Zusammenarbeit mit Israel, in einem Brief,
der vom Verantwortlichen für die Außenpolitik der EU, Javier Solana, an
Sharon gerichtet wurde. Solanas Vorschlag wurde als generell und
anfänglich beschrieben und enthielt keine Einzelheiten. Sharon hat ihn
positiv beantwortet, schriftlich und mündlich.
Israel hat in den letzten Monaten auch
zwei Abkommen mit der EU unterzeichnet – auf dem Gebiet der
Landwirtschaft und im Zusammenhang mit der Erneuerung der israelischen
Teilnahme am europäischen Forschungsprogramm. Israel ist das einzige
Land außerhalb Europas, das in diesem Programm ein vollwertiges Mitglied
ist.
Nach Erans Annahmen, hat die EU die
Initiative ergriffen und sich mit dem Vorschlag zur strategischen
Zusammenarbeit an Israel gewendet, da im Hintergrund der Irak Krieg
stand, der auf dramatische Weise enthüllt hatte, was eigentlich auch
vorher alle wussten: was die militärische Technologie betrifft, gibt es
eine enorme Kluft zwischen den USA und der EU. In der EU ist man jetzt
daran interessiert, erhebliche Mittel zu investieren, um diese Kluft zu
verringern. Der Botschafter betont, dass es eine Möglichkeit zur
Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Raumfahrt gibt.
"Wenn die EU drauf und dran ist,
finanzielle Mittel zu investieren, in dem Versuch, eine bestimmte
Technologie auf dem Gebiet der Sicherheit zu entwickeln, und wir diese
Summen schon investiert haben, sehe ich nicht, warum es nicht möglich
sein sollte, zusammenzuarbeiten", erklärt Eran. Als Beispiel bringt er
das große Interesse, das Europa am Grenzschutz zeigt, ein Thema, das
sowohl zum militärischen, als auch zum zivilen Bereich zählt, und zu dem
Israel schon viel Erfahrung gesammelt hat.
In der zweiten Septemberwoche wurde eine
Tagung im Außenministerium abgehalten, in der der Beitritt Israels zu
dem Rahmen eines "Erweiterten Europas" erwähnt wurde. An der Tagung, die
dazu diente, die Erwartungen Israels von ihren Beziehungen zur EU zu
besprechen; nahm von Seiten der EU Christian Löffler teil.
Das "Erweiterte Europa" ist dazu gedacht,
rund um Europa, während des nächsten Jahrzehnts, einen "Ring von
Freunden" aufzubauen. Der Beitritt zu diesem Rahmen gilt nicht als
Vorstufe, um die Nachbarsländer zu zukünftigen EU Mitgliedern zu machen.
Der Leiter des Programms "Erweitertes Europa" ist EU-Kommissar Günther
Verheugen, der auch an der Spitze des Programms zur Erweiterung der EU
steht.
Israel, sagt Eran, könnte Vorschlagen,
das Abkommen zur Vereinigung mit der EU, das eigentlich ein Freies
Handelsabkommen ist, so zu erweitern, dass es auch den freien Verkehr
von Arbeitskräften ermöglicht, zum Beispiel der freien Berufe. Solch
eine Erweiterung würde es Israelis ermöglichen, in Europa zu arbeiten,
und Europäern anbieten, Beschäftigung in Israel zu finden.
Nach Erans Meinung, sollte man auch die
Möglichkeit eines Beitritts Israel zum Euro-Block überprüfen und die
Annahme des Euro als geläufige Währung in Israel."„Nachdem Europa unser
größter Partner im Handel ist, liegt eine wirtschaftliche Logik vor",
sagt er. Eran sieht keinen Widerspruch in der Aufbesserung der
Beziehungen mit Europa auf dem Gebiet der Sicherheit und der Wirtschaft
und der Erhaltung der besonderen Beziehungen zu den USA.
Ein Beitritt Israels in die EU, als
vollwertiges Mitglied, steht nicht zur Diskussion, auch wenn der
Diensthabende Präsident, Italiens PM, Silvio Berlusconi, ihn
unterstützt. Eran sagt, dass es noch andere Stimmen in Europa gibt, die
einen vollen Beitritt befürworten, darunter auch Mitglieder des
europäischen Parlaments, doch es gibt keinen offiziellen Vorschlag. Ein
Beitritt Israels zu dem Rahmen des "Erweiterten Europa" eröffnet die
Möglichkeit, die Nähe zur EU zu genießen, ohne die Verantwortung, die
eine volle Mitgliedschaft mit sich bringt, tragen zu müssen.
Für die Verhandlungen zum Beitritt zu dem
"Erweiterten Europa" wurde im Außenministerium ein Team unter der
Leitung vom Vizegeneraldirektor für Wirtschaft, Yossi Gal, und dem
Vizegeneraldirektor für Europa, Ran Koriel, gegründet. Im Gegensatz zu
seinem Vorgänger, ist Eran mit dem Maß der Involvierung der Regierung in
den Beziehungen zur EU, zufrieden.
Dennoch gibt Eran zu, dass die EU auch
weiterhin jeden Monat Erklärungen gegen Israel veröffentlicht "und ich
bin dieser Einstellung gegenüber sehr kritisch". Er bittet darum, die
Aufmerksamkeit darauf zu leiten, dass die Kritik von Seiten der EU nicht
umfassend, sondern auf spezifische Sachen konzentriert ist. Eran betont,
dass Frankreich zu den führenden Kräften der Kritik an Israel in diesen
Bereichen zählt. Andererseits nimmt die EU "in dieser oder jener Weise,
mit allen Vorbehalten" die Kritik Israels am Hamas an. Die EU nimmt auch
die israelische Einstellung zum Thema der iranischen atomaren Aufrüstung
an. "Das heißt, Meinungsverschiedenheiten in verschiedenen Punkten
müssen nicht unbedingt die politische Beziehung zwischen beiden Seiten
überschatten", sagt er. Wenn beide Seiten einen Dialog zu politischen
und wirtschaftlichen Themen führen, muss man die Dinge nicht so streng
sehen. Man muss die Meinungsverschiedenheiten behandeln, doch man muss
den Dialog weiterführen.
hagalil.com
01-10-03 |