Beziehungen Israel-Europa:
Auf dem Weg der Besserung?
Der Palästinenser ist zu einem entmilitarisiertem Land bereit, der
Europäer überlegt, wann wohl Barguti freigelassen wird
Nach einem Bericht von Sharon Sadeh
Eine neue Organisation von EU Abgeordneten, die
sich zum Ziel gesetzt haben, sich um den Wiederaufbau der Beziehungen
zwischen Europa und Israel zu bemühen, hielt letztens ein offenes
Treffen mit Sufian Abu Zaida ab. Die Äußerungen des palästinensischen
Kabinettsmitglieds bei dem Treffen waren gemäßigter, als die der
europäischen Teilnehmer. Ob das Schreiben, das Javier Solana diese Woche
an Sharon sandte, eine Änderung der Lage andeutet?
Über hundert geladene Gäste – unter ihnen Abgeordnete, hohe Stellen der
EU Kommission, Lobbyisten und Pressevertreter – drängten sich vor zwei
Wochen in einen der Säle im EU Parlamentssitz in Brüssel um ein seltenes
Wunder zu sehen: ein Jude und ein Palästinenser sprechen über Frieden.
Der jüdische Parlamentsabgeordnete François Zimerer aus Frankreich,
einer der herausragendsten pro-israelischen Sprecher in Europa, hatte
das palästinensische Kabinettsmitglied Sufian Abu Zaida zu einem
Gespräch über den israelisch – palästinensischen Konflikt eingeladen.
Wenn unter den Anwesenden jemand eine stürmische wörtliche
Auseinandersetzung erwartet hatte, erwartete diesen eine Entäuschung.
Anstelle der unter palästinensischen Sprechern üblichen Salve von
Beschwerden, überraschte Abu Zaida mit gemäßigten Äußerungen, die den
palästinensischen Repräsentanten in der EU so erzürnten, dass er sich
beeilte, seine Vorgesetzten per Handy umgehend zu informieren.
"Ich verurteile ganz und gar alle Terroranschläge, doch in derselben
Weise verurteile ich auch die fortwährende Besatzung und wir werden uns
ihr widersetzen, solange sie anhält" sagte Abu Zaida. "Beide Völker
leiden; die Tragödie ist, das 70% Frieden wollen, aber dieselben 70%
unterstützen auch die Gewalt. Es gibt einen kompletten Mangel an
Vertrauen zwischen beiden Seiten, und das traurige ist, dass keiner es
geschafft hat, die Botschaft des Friedens bei dem Anderen zu
verinnerlichen. Der einzig mögliche Weg ist das Zusammenleben in
Koexistenz, Seite an Seite; ich möchte so schnell wie möglich einen
Staat und bin sogar bereit, mit einem entmilitarisiertem Staat vorlieb
zu nehmen."
"Es gab Berichte, wonach Arafat die Schritte Abu Mazens untergraben
würde", sagte Ulla Sandbek, Parlamentsabgeordnete aus Dänemark, "und
wann wird endlich Marwan Barguti freigelassen?" Abu Zaida überraschte:
"Die Beziehungen zwischen Arafat und Abu Mazen sind sehr komplex, und
natürlicherweise, wenn jemand mit absoluter Macht regiert und plötzlich
spürt, dass er den Griff verliert, gibt es Spannungen und Machtkämpfe."
Was Barguti betrifft, fügte er hinzu, "ich bezweifle nicht, dass er
freigelassen werden wird, bald".
"Muss man die Israelis nicht zwingen, eine internationale Truppe
anzunehmen?", fragte Jan Dehain, Abgeordneter der Grünen aus Belgien
hartnäckig. "Ja, natürlich" antwortete Abu Zaida "man braucht eine
internationale Präsenz vonseiten des Quartetts, man muss einen
außenstehenden Umsetzungsapparat haben".
Zimerer, der neben Abu Zaida saß, verfolgte das Gespräch mit einem
amüsierten Blick, ohne sich einzumischen. "Aus meiner Sicht ist diese
Unterredung ein weiterer Beweis dafür, dass die europäischen
Parlamentsabgeordneten weitaus extremer und kritischer Israel gegenüber
sind, als die offiziellen Vertreter der PA", sagte er nachher gegenüber
haArez. "Das ist das Problem des EU Parlaments – es ist eine Festung des
Anti-Israel Extremismus geworden, so sehr, dass es zur
israelfeindlichsten aller demokratischen Institutionen geworden ist.
Nicht Siedlungen, Kolonien
Gestern wurde veröffentlicht, dass in dem Schreiben, das Javier Solana
vor einigen Tagen an PM Sharon schickte, Solana vorschlug, die
Beziehungen zu Israel auf eine neue Weise zu führen und einen Dialog in
strategischen Fragen von beidseitiger Bedeutung aufzubauen. Noch ist
nicht klar, wie die neue Einstellung beide Seiten beeinflussen wird.
Immerhin hat man sich in Israel längst an kritische Töne aus Europa
gewöhnt; bis jetzt zumindest waren auch die wenigen, die zur
Verteidigung Israels vortraten ein enormes persönliches Risiko
eingegangen. "Es ist eigentlich sehr ironisch, dass es mir leichter
fällt, einen Dialog mit einem Palästinenser wie Sufian zu führen, als
mit einem Sozialisten von den europäischen Linken; er verlangt
wenigstens nicht, dass man mich aus der Partei ausschließt", sagte
Zimerer.
Land der Apartheid?
Vor zwei Wochen wurde eine Foto Ausstellung im Gebäude des Parlaments
genehmigt, unter dem Nahmen "Die neuen Mauern Jerusalems – Israel, Land
der Apartheid". Die Ausstellung enthielt Texte in denen behauptet wurde
"Gefängnisse und Torturen gehören zu den fixen Merkmalen der
israelischen Gesellschaft" und stellte Bilder aus, die
Häuserzerstörungen, Roadblocks und palästinensische Armut darstellten.
"Wie kam es dazu, dass Israel allmählich zu einem aussätzigen Land in
Europa wird? Man kann dafür einige Gründe nennen: latenter
Antisemitismus, obwohl das eher eine Randerscheinung ist, ein
post-kolonialistisches schlechtes Gewissen." Zu diesen Erklärungen, sagt
er, kommen noch realpolitische Überlegungen – die Wichtigkeit der
Wählerstimmen der großen moslemischen Minderheit in Europa und die
Abhängigkeit Europas vom arabischen Erdöl – und die Feindseligkeit für
alles, wofür die USA steht und für jene, die dieselben Werte
wiederspiegeln."
Die Medien, sagt er, beschwärzen Israel unentwegt. "In Frankreich
benützt man nicht das Wort Siedlungen, sondern man nennt sie Kolonien,
um die besetzerische Natur Israels herauszukehren und um eine
assoziative Verbindung zu der verpönten kolonialistischen Geschichte
Frankreichs herzustellen, mit all den negativen Andeutungen, die sie
beinhalten: Kontrolle, Erniedrigung, Sklaverei."
Auch Israel hat jedoch seinerzeit in den letzten Monaten zur
Verschlechterung der Beziehungen mit der EU beigetragen. Die
Sharon-Regierung weigert sich, mit EU-Vertretern zu sprechen, die Arafat
treffen. So verhielt es sich vor zwei Monaten mit Solana und letzte
Woche mit dem irischen Außenminister. Die Führung der EU ist davon
überzeugt, dass es israelischer Druck war, der eine Teilnahme der EU am
Akkaba-Gipfel verhinderte. Dies war besonders erniedrigend, da die EU
der zentrale Faktor war, der die PA davon überzeugte, die Roadmap zu
akzeptieren.
Aber in Israel werden die pessimistischen Einschätzungen zurückgewiesen.
"So schlimm ist es gar nicht", sagt Dr. Oded Eran, der israelische
EU-Botschafter. "Wie in der Geschäftswelt gibt es auch in der Diplomatie
Phasen. Aber die Tendenz, die sich abzeichnet, ist positiv". Er erklärt:
"Im Gegensatz zu den USA, die zwischen dem Friedensprozess und den
bilateralen Beziehungen trennen, wird in der EU das eine völlig von dem
anderen abhängig gemacht. Das ist das Problem." Die EU versuche jedoch,
die Kluft zwischen ihrer und der amerikanischen Haltung zu schmälern.
"Die Europäer haben verstanden, dass sie zu weit gegangen sind", sagt
Eran. "Sie sehen nun, dass die Meinungsverschiedenheiten mit den USA den
europäischen Interessen schaden. Israel profitiert aus diesem Prozess."
hagalil.com
09-07-03 |