Konferenz zum Israelisch–Europäischen Dialog:
Gegenseitige Beschuldigungen
Blindheit und Taubheit und im künstlerischen Teil:
Ausschnitte aus einer antisemitischen Fernsehserie
Für Jedioth achronoth berichtet Eldad Beck aus
Berlin
Der Deutsche Außenminister drückte Abscheu aus
angesichts fürchterlicher Szenen aus der für den Hizbollah-Sender
"Almanar" produzierten Serie "Exil". Eine Besprechung zum ansteigenden
Antisemitismus in Europa und die Delegitimation Israels in den Medien
fand trotzdem nicht statt.
Die Minister Lapid und Scharansky warnten vor der
verteufelnden Propaganda und die spanische Außenminister erklärte das
wachsende Interesse am Nahost Konflikt: "Die EU hat die Bestimmung zu
einer Nahost Macht zu werden".
Minister Nathan Scharansky kam letztes Wochenende in Berlin an, mit
einer Kassette , die zwei Ausschnitte enthielt, die aus der
antisemitischen Fernsehserie "Exil", die von Syrien für den
Fernsehsender "Almanar" produziert wurde, und deren Folgen an jedem
Abend des vergangenen Ramadan Monats ausgestrahlt wurden.
Im ersten Ausschnitt sieht man eine Exekution, die durch ein imaginäres
"Talmudisches Gericht" durchgeführt wird. Das Opfer ist ein Mann, der
gesündigt hatte, weil er Beziehungen zu einer nicht-jüdischen Frau
hatte. In einer erschütternden Szene, halten ihm die Mitglieder des
"Gerichts" die Nase zu, schütten eine kochende Flüssigkeit in seinen
Mund, schneiden ihm die Ohren ab und schneiden ihm vor aller Augen den
Hals auf. Im zweiten Ausschnitt, der nicht weniger fürchterlich ist,
wird die Schlachtung eines christlichen Kindes "verewigt", um sein Blut
zur Herstellung von Matzot zu benützen. Das unschuldige Kind fleht um
sein Leben, doch der "Rabbiner" und seine Helfer – Ausgeburt der
krankhaften Fantasie der syrischen Produzenten – zieht die Qualität
seiner Matzot vor, die durch das Blut eines christlichen Kindes
verbessert wird.
Zweimal während seines Aufenthaltes in Berlin zeigte Scharansky die
Ausschnitte und betonte dabei, dass NS-Propagandaminister Josef Goebbels
kein besseres Hetzprodukt hätte hervorbringen können. "Millionen von
moslemischen Zuschauern in ganz Europa konnten diese schreckliche Serie
durch Satelliten sehen", fügte der Minister hinzu. "Ich habe diese
Ausschnitte den europäischen Botschaftern in Israel vorgeführt, ich habe
sie gebeten, etwas dagegen zu unternehmen, dass die Sendungen der
"Almanar" in ihren Ländern empfangen werden können. Aber es wurde nichts
getan. Australien hat die Ausstrahlung der "Almanar" verboten. Europa
nicht".
Die erste Ausstrahlung fand während einer Pressekonferenz statt, an der
Dutzende Vertreter der deutschen Medien teilnahmen. Die Journalisten
sahen erschüttert aus, doch keiner von ihnen machte Anstalten, das
Gesehene zu veröffentlichen. Die zweite Gelegenheit, zu der Scharansky
die Filmausschnitte zeigte, war die Konferenz zum
Israelisch–Europäischen Dialog, die vom "Axel Springer-Verlag", der
größte Verlag in Europa und Besitzer einer Tradition der starken
Freundschaft mit Israel, organisiert wurde. Zu dem treffen kamen auch
die Außenminister von Deutschland und Spanien, Scharansky und sein
Kollege aus der Regierung Josef Lapid, Diplomaten,
Parlamentsabgeordnete, sowie israelische und europäische
Fakultätsmitglieder. Scharansky hatte vor, den Film im Rahmen einer Rede
zu zeigen, die er währen des Abendessens halten sollte, zu dem alle
Teilnehmer geladen waren. Doch, wegen der guten Manieren und aus
Rücksicht auf den Appetit der werten Gäste, wurde die Ausstrahlung vor
dem Essen vorgenommen.
Auch diesmal reagierten die Zuschauer mit Abscheu. Die spanische
Außenminister, Donna Anna Palacio, sagte: "Jedes menschliche Wesen muss
an diesem Ding Anstoß nehmen. Ich bekomme regelmäßig von der "Anti
Defamation League" Beispiele von Karikaturen und antisemitischen
Dokumenten zugesendet, aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. Man
darf das nicht erlauben. Hier geht es nicht um Meinungsfreiheit, sondern
um etwas, dass allen hautsächlichen Prinzipien widerspricht, für die wir
in Europa kämpfen".
Der deutsche Außenminister Joschka Fischer, nannte die Ausschnitte
"Puren Antisemitismus" und fügte hinzu: "Es ist einfach erschütternd.
Man kann damit nicht einverstanden sein. Es war mir wichtig, das zu
sehen. Man muss sich um diese Erscheinung kümmern".
Neurotische Beziehungen zwischen Europa und Israel
Das Programm des Treffens ignorierte fast vollständig die wachsende
Problematik der neurotischen Beziehungen zwischen Europa und Israel. Die
Veranstalter zogen es vor, in ihrem Tagesablauf Besprechungen über den
Nahen Osten einzuplanen – Irak, der Terror, Iran, Syrien, der
israelisch-palästinensische Konflikt (natürlich) und sogar das Thema des
Wasserversorgungsproblems in der Region wurde aufgebracht. Das, anstatt
über die sich zuspitzende Vertrauenskrise zwischen Europäern und
Israelis zu sprechen, und über Themen wie den neuen Antisemitismus in
Europa, das anti-zionistische Toben auf dem Alten Kontinent, die
zunehmende Neigung, das Existenzrecht Israels anzuzweifeln und den
Einfluss der zunehmenden moslemischen Präsenz in Europa auf die Zukunft
der Beziehungen mit Israel.
Die Außenminister Fischer und Palacio – er "grün", sie konservativ –
zeigten bei der Konferenz eine gemeinsame Vision, zur Absicht Europas,
eine zentrale Rolle im Nahen Osten zu spielen. "Europa wird in Zukunft
der vorrangige Partner zur Festigung des Friedens und der Stabilität in
Israel und im ganzen Nahen Osten sein", sagte Fischer vor den
Konferenzteilnehmern. "Die EU hat die Bestimmung zu einer Nahost Macht
zu werden", erklärte die spanische Außenministerin, "wir müssen die
daraus hervorgehende Verantwortung tragen. Wir, die Europäer, befinden
uns in einem Prozess der Identitätsdefinierung. Während die USA sich um
Angelegenheiten außerhalb ihrer Grenzen kümmert, ist unsere größte
Sorge, Europa aufzubauen. Die Sicherheit im Nahen Osten ist Europa
wichtiger als den USA. Es ist keine Sache der Interessen, sondern eine
Sache der Auffassung. Es ist uns klar, dass wir Werte mit den USA und
Israel teilen. Doch während des Prozesses der europäischen
Identitätsdefinierung kamen zwei verschiedene Einstellungen zum
Vorschein: die der Betonung des Gemeinsamen, und die der Wahrnehmung des
Gemeinsamen mit einer Sicht auf das Verschiedene – wie z.B. zum Thema
der Terrorbekämpfung".
Der Dialog in Berlin sprengte diesmal die üblichen Schablonen und lief
auf gegenseitige scharfe Anschuldigungen hinaus, die sich gegen die
Europäer richteten, auch aus den eigenen Reihen. Der bekannte
Orientalist Bernard Lewis feuerte den ersten Schuss ab, als er sagte,
die EU würde heute in den Augen der arabischen Welt, den Platz der Nazis
und der Sowjets einnehmen.
Der Vergleich erweckte den Zorn von Joschka Fischer: "Wenn man von der
Geburt des extremistischen Islam spricht, muss man auch über die
Beziehungen der USA und Saudi-Arabien sprechen und vor unseren
israelischen Freunden die Frage der Geburt der Hamas Bewegung
aufbringen".
"Nach dem Holocaust und der Verschweigung des
Holocaust kann man von Israel nicht fordern, weitgehende Risiken auf
sich zu nehmen", erklärte Minister Lapid. "Hinter jeder Sache, die
Israel tut oder nicht tut, auf irgend einer Ebene des Bewusstseins,
steht der Holocaust". Lapid sieht in dem neuen Weltantisemitismus
Ähnlichkeitspunkte zu der antisemitischen Hetze, die den Holocaust
herbeigeführt hat: "Bevor man jemanden töten, macht man ihn zu einer
Bedrohung, das ergibt eine Rechtfertigung, ihn zu töten. Wenn die
Europäer dem Friedensprozess helfen wollen, müssen sie ihm dazu
verhelfen, glaubwürdig zu werden. Wir wollen nicht, dass Sie
Militärtruppen nach Jerusalem entsenden, und auch nicht, dass sie
Waisenhäuser für die jüdischen Flüchtlinge vorbereiten, die aus
Palästina fliehen werden".
Scharansky sprach über den europäisch-israelischen Dialog, als Teil
eines Dialogs, der schon seit vielen Hunderten Jahren zwischen Europäern
und Juden besteht. Oded Eran, Botschafter Israels in der EU, der auch an
diesem treffen teilnahm, sagte, er würde es vorziehen nicht über
Blindheit oder Taubheit im Dialog zwischen Europa und Israel zu
sprechen.
hagalil.com
29-12-2003 |