Palästina:
Kein EU-Arzt hilft gegen die Hamas
Die EU, so wünscht es Israels Regierung, soll
sich in Nahost vor allem beim Aufbau des palästinensischen Sozial-
und Gesundheitswesens engagieren. Dies sei zugleich ein wertvoller
Beitrag zur Bekämpfung der Hamas: Nur weil die Hamas ein dichtes
Netz sozialer Einrichtungen betreibe, habe sie überhaupt so viele
Anhänger. Und wenn sich die Lebensbedingungen der Palästinenser erst
einmal verbesserten, würden sie den Islamisten schon bald den Rücken
kehren.
Kommentar
von YASSIN MUSHARBASH
Der Vorschlag ist nicht ohne Logik, nur
in dieser Form leider nutzlos. Denn er lässt außer Acht, was
unabdingbar ist, um die Hamas niederzuringen: die Bereitschaft auch
Israels, das Elend der Palästinenser zu lindern. So würde es nichts
nutzen, wenn die EU in den besetzten Gebieten Krankenhäuser baute,
während zugleich die palästinensischen Rettungswagen im Noteinsatz
an israelischen Checkpoints zurückgehalten, Medikamente und
Hilfslieferungen von Israel blockiert und Ausreisen von Verletzten
zu Operationszwecken untersagt werden. Der Hauptgrund für die
miserablen Lebensbedingungen in Palästina ist weder Geld- noch
Ärztemangel, sondern die Besatzung.
Der Vorschlag Israels kann also nur bei
einem parallelen Truppenabzug funktionieren - und von dem fehlt
bislang fast jedes Wort und beinahe jede Spur. Tatsächlich scheint
es Israel darum zu gehen, die Rolle der EU auf humanitäre
Aktivitäten zu begrenzen. Angesichts der Kritik, die Scharon
gelegentlich aus Europa, nie aber aus Washington entgegenschallt,
läge eine solche Entpolitisierung der EU durchaus in seinem
Interesse. Der Schlüssel zur Bekämpfung der Hamas liegt aber
weiterhin vor allem in Scharons Hand.
Viele der heutigen Hamas-Anhänger waren
einst nicht kategorisch gegen den Oslo-Frieden, in dessen Rahmen
sich beide Seiten 1993 auf das Prinzip "Land gegen Frieden"
einigten. Umfragen zeigen, dass die Hamas - damals noch eine
unbedeutende Kraft - seitdem immer dann an Unterstützung gewinnt,
wenn die Chancen auf Frieden schlecht stehen. Glücklicherweise, und
hier liegt ein Hoffnungsfunken für den Nahostfrieden, gilt auch der
Umkehrschluss: Je mehr Menschen in Palästina an Frieden glauben,
desto schneller schrumpft die Hamas. Der einzige Weg, sie
unschädlich zu machen, besteht deshalb darin, dass Israel seine
Verpflichtungen gegenüber den Palästinensern einlöst. Hilfsgelder
der EU sind wünschenswert, aber alleine reichen sie in keiner Weise
aus.
taz vom 16.7.2003, Seite 1, Kommentar YASSIN
MUSHARBASH, Leitartikel
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16-07-2003 |