Antisemiten mit beschränkter Haftung:
Sind die Europäer unsere Feinde?
Nach einem Bericht von Seffi Hendler in M'ariw
Der
damalige Minister für Kultur, Wissenschaft und Sport des Staates
Israel, Matan Wilna’i, zeigte sich nach einem Treffen in Frankreich
sehr begeistert. Sein Amtskollege unterschrieb mit ihm ein
"revolutionäres Abkommen" zwischen den beiden Staaten über
Zusammenarbeit im Bereich Kino. Danach gab es anläßlich dieses
Ereignisses einen Empfang, bei dem der Champagner wie Wasser floss.
Den israelischen Journalisten erklärte Wilna’i später, wie sehr
Frankreich mit dem Staat der Juden zusammenarbeiten will: "Ich habe
niemals auch nur ein einziges Wort über Boykott gehört", sagte der
Minister.
Zwei Tage später, wahrscheinlich hatte der
Einfluss des Champagners bereits nachgelassen, schüttete der
Minister in der Regierungssitzung Feuer und Schwefel auf die
Franzosen. "Es gibt dort regelrechten Hass gegen Israel", sagte der
Minister, dessen Äußerungen dann auch in die Medien gelangten. Die
Franzosen waren zutiefst beleidigt, und die Mitarbeiter des
Außenministeriums versuchten herauszufinden, was zur dramatischen
Änderung der Eindrücke Wilna’is geführt haben könnte. Die Berater
des Ministers erklärten, die Äußerungen seien - wie immer - aus dem
Zusammenhang gerissen worden, und Wilna’i habe lediglich einige
Juden zitiert, mit denen er in Frankreich zusammengetroffen war.
Der damalige Außenminister und stellvertretende MP
Shimon Peres verließ strahlend lächelnd den Elysée Palast. Er
erzählte seinen Leuten, Präsident Chirac habe schon auf den Treppen
zum Palast auf ihn gewartet und ihn später auch wieder
hinausbegleitet. Peres weiß genau, wie das französische Protokoll
ausgelegt werden muss: ein persönlicher Empfang durch den
Präsidenten bedeutet, dass sich dieser auf den Besuch von Peres
gefreut hat. Schon allein die Tatsache, dass er ihn kurzfristig
empfangen hat, ist etwas Außergewöhnliches.
Frankreich ist ein ordentlicher Staat, vor allem,
was die Tagesordnung des Präsidenten anbelangt. An dem Tag, an dem
Peres in Paris eintraf, hatte Chirac ein voll ausgefülltes Programm,
dennoch fand er eine halbe Stunde Zeit für den Außenminister und
stellvertretenden Ministerpräsidenten Israels, zum einen, da es sich
dabei um Peres handelte, und zum anderen, um die Schienen des
Dialogs mit Jerusalem offen zu halten. Den israelischen Journalisten
erklärte Peres danach, wie freundlich und aufmerksam Chirac gewesen
und wie positiv das Gespräch verlaufen sei.
Einige Tage später, zurück im Heiligen Land, war
der Glanz des Elysée Palasts wohl wieder erloschen, und Peres
erklärte seinen Kollegen in der Regierungssitzung, in Europa finde
ein "latenter Boykott" gegen Israel statt. Und das öffentliche
Treffen mit dem Präsidenten Frankreichs? Bitte verschonen Sie den
Außenminister mit Tatsachen.
Liebt man uns in Europa? Nein. Boykottiert man
uns? Noch nicht. Es genügt schon das Beispiel der erfolgreichen
Besuche der Minister Peres, Wilna’i und Ben-Elieser in Paris, um zu
zeigen, dass wir noch nicht zu Aussätzigen geworden sind.
Sicherlich, es handelte sich dabei um drei Minister der Avoda, mit
welchen es den Franzosen leichter fällt zu kommunizieren. Aber durch
den Besuch des israelischen Verteidigungsministers in Frankreich
während der Intifada hätte durchaus das eine oder andere Problem
entstehen können, was jedoch nicht geschehen ist. Die Franzosen
haben sogar selbst die Kosten des Besuchs des Verteidigungsministers
übernommen, als Geste an Fuad.
Man muss natürlich nicht übertreiben und den
Franzosen die Auszeichnung "Zionsliebhaber" verleihen. Das
Verhältnis Frankreichs zu Israel ist noch immer von einem großen Maß
an Scheinheiligkeit geprägt, die viele Freunde Israels verärgert.
Das letzte Beispiel dafür ist das Gipfeltreffen der französisch
sprechenden Staaten, das am Wochenende unter der Schirmherrschaft
Chiracs in Beirut stattfindet. Israel, mit seinen 20% französisch
sprechenden Einwohnern, wollten die Franzosen nicht zu dem Gipfel
einladen. Seit Jahren behauptet Israel, Frankreich blockiere seinen
Beitritt in die frankophile Weltorganisation. (Bulgarien und
Albanien, mit einem geringen Prozentsatz an französisch sprechenden
Einwohnern, sind Mitglieder der Organisation).
Zur Stunde kann man jedenfalls sagen, dass
unsere Lage in Europa sehr viel schlimmer sein könnte.
Die Europäer machen Schwierigkeiten bezüglich der
Produkte aus den Gebieten? Nu, das ist nicht angenehm, aber auch
nicht besonders schlimm. In Belgien, Großbritannien und Skandinavien
wird zu einem Boykott israelischer Produkte aufgerufen? Ja. Aber der
Erfolg dieser Initiative, in denen arabisches Geld investiert ist,
ist gering. Nach einem Jahr und acht Monaten einer Sharon-Regierung
unterhält Israel noch immer diplomatische Beziehungen zum Großteil
der Länder der Welt. Die Europäer rümpfen die Nase, hüten sich
jedoch davor, die Brücken zu Jerusalem abzureißen. Nicht, weil sie
Sharon lieben, sondern weil sie Bush fürchten. Solange der Farmer
aus Texas und der aus dem Negev auf derselben Wellenlänge senden,
wird Europa uns zwar weiterhin Moralpredigten halten, das ist aber
auch schon alles.
hagalil.com
08-11-2002 |