Stern.de Spezial "Palästina"
Aufklärer mit klarem Feindbild
Der neue Stern offeriert dem Leser ein Spezial zum Thema Palästina und bietet
einen Abriss durch die Geschichte des jüdischen Volkes. Oder sollte es besser
heißen einen Verriss?
Eine Frage der Historizität
Zunächst wird festgestellt, dass das "Alte Testament" kein historisches Dokument
ist. Ich nehme an, das hat der Leser auch schon vermutet, aber nun hat er
wenigstens in dieser Ausgangsposition eine Bestätigung schwarz auf weiß. Wie
sollte er dem Autor jetzt noch misstrauen können, der nun beginnt, das "Alte
Testament" - auszulegen.
Antijudaistische Stereotype zur Aufklärung über das Volk Israel
Anhand zahlreicher Bibelstellen wird erklärt, wie blutgierig das Volk Israel ist
und sich dabei immer wieder auf das "Alte Testament" beruft. Auch seine
unrechtmäßigen Ansprüche auf das Heilige Land entnimmt dieses Volk natürlich den
selben Schriften. Ein Stereotyp folgt auf das andere, beginnend bei dem Wort vom
auserwählten Volk bis hin zum biblisch begründeten Ziel, ein Groß-Israel zu
errichten, auf "dass sich die Grenzen Israels von dem "großen Strom Ägyptens bis
an den großen Strom Euphrat" erstrecken sollten."
Die Juden die Erfinder der "ethnischen Säuberung"?
Die Legitimation für ethnische Säuberungen entnehmen die Juden natürlich auch
der Bibel und dies wird anhand von Bibeltexten "bewiesen", die kurz vorher noch
als nicht historisch galten. Nun, auch der Antijudaismus muss sich irgendwoher
nähren, und der Leser ist inzwischen so entsetzt über die Juden, dass er diesen
kleinen Schönheitsfehler kaum noch bemerkt. Auch das Fehlverhalten König Davids
kommt natürlich zur Sprache, und es wird nicht als eine menschliche
Unzulänglichkeit betrachtet, sondern eine volksimmanente Charaktereigenschaft.
Das kaschiert auch nicht mehr der kurze Hinweis, dass G-tt König David dafür
zürnte.
Vom Mythos David gegen Goliath und seinen Auswirkungen bis heute
Die Beschreibung der Legende von David und Goliath erfolgt in einer Art, dass es
dem Leser nur noch angst und bange werden kann vor dem unerklärlich starken
heutigen Israel, das immer noch den Mythos von David heraufbeschwört und damit
seine arabischen Nachbarn in Angst und Schrecken versetzt.
Jüdischer Wohlstand in der Diaspora
Was natürlich nicht fehlen darf, ist, dass die Juden es in der Diaspora in
babylonischer Gefangenschaft schnell zu Wohlstand und Ansehen brachten. Ein
Stereotyp, das man an dieser Stelle nicht verschenken darf, bedenkt man, dass
die Juden in Babylon mit der Zeit tatsächlich Handel und Wandel betrieben, statt
in Lagern zu leben und zu hungern. Dass die Erlaubnis für Juden, sich beruflich
zu betätigen, in erster Linie dem Babylonischen Reich zugute kam, bleibt
unerwähnt.
Der Stern ist seiner Zeit immer ein wenig voraus
Kaum befindet sich das Volk Israel in der Diaspora, wechselt die Terminologie im
Sternartikel von Israel und Juda zu "Palästina", obwohl selbst in der Region
damals noch niemand diesen Namen benutzte. Er kam erst mit dem Sieg der Römer.
Die Erlaubnis des Königs von Persien, die Juden könnten ins eigene Land
zurückkehren, wird natürlich wie es der Stern darstellt, vorwiegend von
"Eiferern" angenommen.
Als dann der Hellenismus in "Palästina" Einzug hält, erleben wir durch den Autor
einen gravierenden Zeitsprung: Die Orthodoxen - Ihre Entstehungsgeschichte liegt
im 19. Jahrhundert n.d.Z. in Europa, und wir befinden uns in der Geschichte
gerade im 2. Jh. v.d.Z. im Land Kenaan - sind entsetzt und die Makkabäer werden
kurzerhand zu Fundamentalisten erklärt, weil sie sich gegen das Aufstellen
griechischer G-tterstatuen im Tempel wehrten.
Allenthalben Fundamentalisten und Nationalisten
Kommen wir zu den Zeloten, den Eiferern, wie sie auch im Judentum durchaus
genannt werden. Laut Stern stellten die Zeloten eine Gruppe von Nationalisten
und religiösen Eiferern dar, kein Wort darüber, dass die Zeloten sich durchaus
aus verschiedenen Gruppierungen zusammensetzten, wie z.B. auch aus Leuten, die
man heute Sozialrevolutionäre nennen würde.
Zu guter Letzt noch ein perverser Aufständischer
Die Beschreibung der Eigenschaften Bar Kochbars kann jetzt getrost negativ
ausfallen. Ein Eiferer, ein Fundamentalist, ein perverser Führer seiner
Soldaten. Um so legitimer scheint da die detailliert-blutige Schilderung des
Untergangs der kämpfenden Juden.
Es ist erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit Antijudaismen unter dem
Deckmantel der Aufklärung und Aufgeklärtheit verbreitet werden. Fragwürdig wird
da für mich vor allem die Aktion "Mut gegen Rechte Gewalt". Der Stern als
Initiator dieser Aktion liefert den Antisemiten dieser Welt die "Argumente" frei
Haus.
Insc 10.05.02
haGalil onLine 12-05-2002 |