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Die Freiheit, "Grautöne" zu vermitteln:
Esther Schapira im Gespräch

Interview von Ramon Schack

Esther Schapira ist seit 1995 Redakteurin für Politik und Gesellschaft und Ressortleiterin der Abteilung Zeitgeschichte beim Fernsehen des Hessischen Rundfunks. Mit ihrem Film "Drei Kugeln und ein totes Kind - Wer erschoss Mohammed al-Dura?" hatte sie international Aufsehen erregt.

Frau Schapira, die  Berichterstattung aus der Krisenregion Israel/Palästina findet einen breiten Raum in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit. Schwerpunktmäßig werden dabei die Leiden der Menschen in den besetzten Gebieten dargestellt. Weshalb stoßen Ihrer Meinung nach kritische Reportagen über die massiven Menschenrechtsverletzungen, sowie die Einschränkung der Pressefreiheit, seitens der palästinensischen Autonomiebehörde auf relativ wenig Interesse?

Es gibt einen klaren Impuls, sich mit dem Underdog, dem vermeintlich Schwächeren zu solidarisieren und das scheinen in diesem Fall eindeutig die Palästinenser zu sein. Das ist zunächst einmal genauso sympathisch wie falsch. Jeder neue Selbstmordanschlag scheint zu belegen, wie verzweifelt die Palästinenser sind. Das es sich vielleicht um eiskaltes zynisches Terrorkalkül handelt, passt nicht ins romantisierte Bild. Die meisten Zuschauer und Leser möchten vor allem das bereits bestehende Bild festigen, nicht in Frage stellen. Und sie treffen viel zu häufig auf Kollegen und Kolleginnen, die diesen Wunsch teilen oder zumindest bedienen. Mit dem Hinweis auf die Besatzungsmacht Israel wird jeder palästinensische Menschenrechtsverstoß verständnisvoll legitimiert. Tatsächlich aber schwächt man damit all jene Palästinenser, die sich für die Demokratie in ihrem Land einsetzen.

In einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst haben Sie auf die Gefährdung der Pressefreiheit in Deutschland durch diverse Aktivitäten islamistischer Gruppierungen hingewiesen. Sind Sie der Meinung das politische Korrektheit sich inzwischen zu einem Hinderniß bei der Bekämpfung solcher Tendenzen entwickelt hat?

Das ist eine schwierige Frage, denn ich mag den Begriff "politischer Korrektheit" nicht, weil er viel zu häufig eingesetzt wird, um moralisches Engagement zu denunzieren. Und natürlich müssen wir aufpassen, im Zuge der verstärkt notwendig gewordenen Terrorabwehr nicht allen Muslimen misstrauisch oder gar feindselig zu begegnen. Andererseits gibt es in Teilen der Linken eine verzerrte Wahrnehmung des Begriffs "kultureller Eigenart", die ich nicht mitmachen will und werde. Weder sind für mich "kulturtypische" Abstriche bei Frauenrechten oder bei Menschenrechten überhaupt denkbar. Noch finde ich es akzeptabel zum Antisemitismus der arabischen Welt zu schweigen.

Nach der Ausstrahlung Ihres Films "Drei Kugeln und ein totes Kind - wer erschoss Mohammed Al-Dura" wurden Sie
selbst massiv kritisiert und als Agentin Israels dargestellt. Aus welcher politischen Richtung kamen diese Vorwürfe und wie haben Sie darauf reagiert?

Bis heute ist der vermeintliche Scheck des Mossad bei mir nicht eingegangen. Im Ernst, ich finde es schon aufschlussreich, welche Vorstellung von Demokratie, von freiem Journalismus und öffentlich-rechtlichem Fernsehen diejenigen haben, die mich so angegriffen haben. Und die Bandbreite war eindrucksvoll und erschreckend. Sie reichte von islamistischer Seite über Neonazis, von kirchlichen Kreisen bis zu Globalisierungsgegnern. Reagiert habe ich immer gleich. Da, wo konkrete Fragen gestellt wurden, habe ich konkret geantwortet. Beleidigungen und Rassismus werfe ich in den Papierkorb. Und wenn Menschen mich pauschal angreifen und mir unsaubere Recherche vorwerfen, dann frage ich nach den konkreten "Fehlern". Und dann ist Ruhe.

Gibt es Ihrer Meinung nach eine direkte Zusammenarbeit zwischen islamistischen und rechtsradikalen Gruppen in Deutschland und Europa? Und wenn ja, wie stellt sich diese da?

Das gemeinsame Bindemittel ist der Antisemitismus. Auf Neonazi-Demonstrationen finden sich mittlerweile Transparente mit der Forderung "Freiheit für Palästina". Das ändert natürlich nichts daran, dass dieselben Palästinenser dem Weltbild der Rechten nach, in Deutschland nichts zu suchen haben. Vereinzelt gibt es aber darüber hinaus sicher auch Ansätze konkreter Zusammenarbeit. Ein Beispiel war die Teilnahme des NPD-Anwalts Horst Mahler am Kongress der mittlerweile verbotenen islamistischen Organisation Hizbu Tahir an der TH Berlin.

Das Israel-Bild  in der westlichen Welt hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert, hängt diese Entwicklung direkt mit der Krise in der Region zusammen, oder erkennen Sie auch tiefer gehende Ursachen?

Der Opferbonus hat sich verbraucht und die so lange nicht zulässigen aufgestauten Gefühle brechen sich Bahn. Es ist derselbe Kontext, in dem bereits die unselige von Martin Walser angezettelte "Schlussstrich-Debatte" und der üble Vorwurf von der "Moralkeule Auschwitz" bestens gedeihen konnten. Ein jüdisches Sprichwort sagt: "Gott schütze mich vor meinen Freunden. Vor meinen Feinden schütze ich mich selbst." Israel hatte lange sehr viele Freunde. Zu viele jedenfalls, denen diese Freundschaft aus Schuldgefühlen aufgezwungen war. Und jetzt ist man verärgert, weil die Nachkommen der Opfer nicht so edel, so kathartisch geläutert sind, wie die Nachkommen der Täter es gern hätten. Aber Auschwitz war nun mal keine Schule für Menschlichkeit. Wenn überhaupt dann hieß die Lehre: Nie wieder schwach sein! Eine Lehre, die nicht nachvollziehen kann, wer nie in seiner Existenzbedroht war. Mit Sorge über das Schicksal der Palästinenser jedenfalls hat die Wut auf Israel kaum etwas zu tun, denn weder hat sich deren Los in den vergangenen Jahrzehnten verschlechtert, noch erinnere ich mich an Proteste, wenn Palästinenser in arabischen Ländern verfolgt wurden. Wenn Sie daran zweifeln, dann fragen Sie die Leute doch mal, was Ihnen zum Begriff "Schwarzer September" einfällt. Jede Wette, dass die meisten es nicht mit dem Massaker an Palästinensern durch die Jordanier in Verbindung bringen werden. 20.000 Menschen, andere Schätzungen sprechen sogar von 40.000 Menschen, die getötet wurden, ohne dass es die westliche Welt erschüttert hätte.

Wie beurteilen Sie die Auswirkungen des Terrors seit Ausbruch der Al-Aksa Intifada 2ooo auf die israelische Gesellschaft? Ist Israel in Gefahr seinen demokratischen Charakter zu verlieren?

Ja, auf Dauer verändert Gewaltanwendung auch eine Gesellschaft nach innen. So wie die Palästinenser jede Menschenrechtsverletzung mit dem Hinweis auf die Besatzung rechtfertigen können, so kann Israel es umgekehrt mit der Bedrohung durch den Terror. Beide Gesellschaft beschädigen sich dabei massiv auch selbst. Mit dem Unterschied allerdings, dass in Israel darüber offen gestritten und diskutiert werden kann und wird, ohne sich zugefährden. Damit das so bleibt und damit auch Kritik von außen aufgenommen werden kann, muss sie solidarisch sein und darf sich nicht projektiv auf eine Seite schlagen. Nur wer keinen Zweifel aufkommen lässt, dass die Existenz Israels unantastbar ist, findet dort Gehör und wird auch etwas für die Palästinenser erreichen können.

Sehen Sie weltweit eine Gefährdung der Pressefreiheit oder bleibt diese auf gewisse Krisenregionen begrenzt?

Je polarisierter die Welt ist, je stärker Bekenntnisse gefordert sind, desto schwerer haben es differenzierte Positionen. Guter Journalismus aber zeichnet sich durch genaues Hinschauen, durch Grautöne und eben nicht durch schwarz-weiß Bilder aus. Ich fürchte, dass der Journalismus aber zunehmend in diesen Bekenntnisstrudel gerissen wird – und damit bei den Angegriffenen den Wunsch auslöst, die Pressefreiheit zu beschneiden. Was wir also brauchen ist bei allen– Politikern ebenso wie Bürgern, Journalisten ebenso wie Zuschauern und Lesern– die Bereitschaft genau hinzusehen und sich nicht mit schlichten Bildern zufrieden zu geben. Die stimmen nämlich selten. Streiten wir also gemeinsam für die Freiheit, "Grautöne" zu vermitteln.

Hassparolen und Hetze nach ARD-Beitrag zum Tode al-Duras:
HR-Redakteurin erhält weltweite Reaktionen

hagalil.com 19-09-2003

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