Russische Juden:
Zurück nach Deutschland
Eldad Beck in Jedioth achronoth
167,000 Juden emigrierten seit Anfang der 90er Jahre
von Russland nach Deutschland, davon 19,262 im letzten Jahr. Infolge
dieser Emigrationswelle wurden die deutschen Juden zur Gemeinde mit der
größten Wachstumsrate. Nicht alle mögen die neue Situation: viele der
Neueinwanderer, behaupten Stellen in der Gemeinde, sind überhaupt keine
Juden, sondern geben sich nur als solche aus.
Noch nie seit dem Ende des zweiten Weltkriegs gab es in
Berlin ein so dynamisches jüdisches Leben. Im Juli beispielsweise
versammelten sich in der deutschen Hauptstadt die Leiter der
Weltorganisation für fortschrittliches Judentum, um das 75jährige
Jubiläum des ersten Kongresses der Vereinigung zu feiern, der damals
ebenfalls in Berlin abgehalten worden war. Der funkelnde Kongress fand
mit zahlreichen Teilnehmern unter Schirmherrschaft und Teilnahme des
deutschen Innenministers Otto Schily statt, der über das „Wunder“ der
Auferstehung der jüdischen Gemeinde in Deutschland sprach.
Kaum war der Kongress, der die Rückkehr des liberalen
Judentums an den Ort seiner Erstehung – eben Deutschland – symbolisierte
abgeschlossen, setzten sich schon führenden Stellen der lokalen
jüdischen Gemeinde zu einem Treffen mit Israels Einwanderungsministerin
Zipi Livni zusammen. Livni erinnerte ihre Gesprächspartner an die
Wichtigkeit des Themas Einwanderung nach Israel, fügte jedoch hinzu,
Israel werde nichts gegen die jüdische Einwanderung nach Deutschland
unternehmen. Diese Woche kam auch
eine „Taskforce“ des Aufsichtsrats der Jewish Agency, unter der Leitung
des Schatzmeisters der Agency nach Deutschland, um sich über die Lage
der jüdischen Gemeinde zu informieren. Die Mitglieder der Delegation
werden jedoch nicht mit den führenden Stellen der Gemeinde
zusammentreffen können, da sich diese zur Zeit auf einem zweitägigen
Solidaritätsbesuch in Israel aufhalten, in dessen Verlauf sie
Staatspräsident Moshe Katsav eine Spende von einer Viertelmillion Dollar
für Bedürftige in Israel übergeben werden - eine Geste von größter
Bedeutung. Die Führung der
jüdischen Gemeinde Deutschlands bestreitet, dass die Israelreise geplant
wurde, um den Kontakt mit der Delegation der Jewish Agency zu vermeiden.
Dieses Dementi kann jedoch nicht die Spannungen überdecken, die zwischen
der Führung der Gemeinde und der Agency bezüglich der Frage der
Masseneinwanderung russischer Juden nach Deutschland existiert.
Seit Beginn der 90-er Jahre kamen offiziell 167.000 Juden aus der
ehemaligen UdSSR nach Deutschland. 100.000 davon schlossen sich den
deutschen Gemeinden an. Dadurch konnte das deutsche Judentum 60 Jahre
nach dem Holocaust zur weltweit am schnellsten wachsenden Gemeinschaft
werden, die heute die drittgrößte Europas ist. Diese Zahlen bedeuten
jedoch auch Machtkämpfe.
Die Jewish Agency veröffentliche aktuelle Statistiken, nach denen im
letzten Jahr mehr Juden nach Deutschland als nach Israel kamen. Stellen
in der jüdischen Gemeinde sagen, diese Angaben seien übertrieben, da es
sich häufig um nichtjüdische Immigranten handle. Sie sagen weiter, die
Veröffentlichung der Angaben zu diesem Zeitpunkt, während des
Aufenthalts der Vertreter der Agency in Deutschland, sei aus politischen
Gründen erfolgt.
Sie fügen hinzu, die Veröffentlichung der Agency, deren zufolge im
vergangenen Jahr 19.262 russische Juden nach Deutschland gekommen wären,
stütze sich auf einen Bericht des deutschen Innenministeriums, der sich
auf Immigranten aus der ehemaligen UdSSR beziehe, die aufgrund von
„Dokumenten, die auf ihr Judentum hinweisen“, eine Genehmigung zur
Auswanderung erhalten hätten. Es seien jedoch im vergangenen Jahr nur
6.000 neue russische Mitglieder in den Gemeinden in ganz Deutschland
aufgenommen worden.
Der Unterschied zwischen den Zahlen resultiere daraus, dass eine
beachtliche Zahl der „jüdischen“ Einwanderer nach dem jüdischen Gesetz
gar keine Juden seien, oder Juden, die sich nicht in den Gemeinden
registrieren wollen. Darüber hinaus habe sich in der ersten Jahreshälfte
ein Rückgang der Zahl der Einwanderer nach Deutschland abgezeichnet, es
seien nur noch 5.000 Personen gekommen.
Obwohl das deutsche Außenministerium, das für die Ausstellung der
Immigrationsgenehmigungen zuständig ist, in den letzten Jahren die
Kontrolle über die Dokumente, die das Judentum der Interessanten
belegen, verschärft hat, sind in der Gemeinde zahlreiche Fälle von
Fälschungen dieser Dokumente bekannt.
„Der Erwerb gefälschter Dokumente ist bei den Juden, die nach
Deutschland auswandern wollen, geläufiger als bei den, die nach Israel
kommen. Hier handelt es sich um eine rein wirtschaftliche Immigration“,
sagt eine Aktivistin russischer Herkunft in der jüdischen Gemeinde
Berlins. „In der GUS wird eine Person gemäß der Kriterien als Jude
definiert, die bei den Nazis üblich waren, d.h. er gilt als Jude, wenn
nur einer seiner Großeltern Jude war.“
Dies ist eine Definition, die sich nicht immer mit den jüdischen
Gesetzen vereinbaren lässt. Aber die deutschen Behörden lassen es heute
nicht zu, dass selektiert und beschlossen wird, wer Jude ist und wer
nicht, dies wegen der sehr problematischen historischen Bedeutung einer
Selektion.“
Vor zwei Wochen erregte ein
Artikel des "Stern" den Ärger der jüdischen Gemeinde, als er
schrieb: „Ein Großteil der in Berlin lebenden Russen, fast alle jüdische
Einwanderer, machte mit dem Schmuggel von Judaika , mit Drogen und
Geldfälschen Millionen, unter dem Schutz der jüdischen Gemeinde“.
In der jüdischen Gemeinde sagt man, obwohl Kontakte zwischen Stellen in
der russischen Mafia und gewissen russischen Immigranten bestünden, habe
diese Veröffentlichung gerade in einer Zeit, in der Antisemitismus in
Deutschland ständig zunehme, eine ganze Öffentlichkeit befleckt. Die
Neonazis hätten bereits einige Demonstrationen organisiert, bei welchen
sie forderten, die „Überschwemmung Deutschlands mit russischen Juden“ zu
stoppen.
Ein Mitglied des Aufsichtsrats der Jewish Agency sagt zu JED, im
Gegensatz zu den Befürchtungen der jüdischen Gemeinde, die Agency bemühe
sich, die Einwanderer nach Israel zu locken, sei es seiner Organisation
klar, dass die Juden es vorziehen, in Deutschland zu bleiben, und nicht
nach Israel zu kommen.
„Dennoch ist es uns wichtig, eine Brücke zu dieser großen Öffentlichkeit
und den nächsten Generationen zu bauen“, sagt er. „Deshalb beabsichtigen
wir, uns auf die Stärkung der jüdischen Identität der Neueinwanderer zu
konzentrieren, von welchen viele keinerlei Beziehung zum Judentum
haben.“ Taktvolle Ermittlungen:
Der
Stern, die Berliner Staatsanwaltschaft, und der Antisemitismus
Der Stern galt einst als angesehene politische
Wochenillustrierte. Bevor der Stern in der Bundesrepublik an die Kioske
kam, soll Herr Nannen seinen jungen Redakteuren empfohlen haben...
hagalil.com
01-08-03 |