Nordirak:
Ein "linksdeutsches" Hurra oder "Kurden gegen Kurden"
Von Max Brym
Am 2. Februar 2004 kam es zu verheerenden
Selbstmordanschlägen gegen Büros der kurdischen PUK und der KDP. Bei
den Anschlägen starben mindestens sechzig Menschen, die zu
Feierlichkeiten anläßlich eines hohen islamischen Feiertages
zusammengekommen waren. Die Zeitung "Junge Welt" widmete dem
Massaker einen Kommentar ihres Wiener "Star Redakteurs" Werner
Pirker. Unter der
Überschrift "Kurden gegen Kurden" und "Der Krieg erreicht den
Nordirak" verbreitet Pirker krude "antiimperialistische"
Selbstzufriedenheit. Für ihn war das ein Schlag gegen "die
Bemühungen der Kolonialverwalter" und triefend vor völkischer
Ergriffenheit, stellt Pirker fest: "Das traf die kurdischen
Kollaborateure der Besatzer mitten ins Herz". Ergo: Individueller
faschistischer Terror gegen Kurden ist nach Pirker gerechtfertigt.
Der Herr aus Wien hat gegen die Tat nur einige taktische Bedenken,
er meint: "Anschläge wie die von Erbil dürften allerdings auch nicht
zur Bildung einer gesamtnationalen Widerstandsfront gegen die
Fremdherrschaft beitragen". Herr Pirker befürchtet sogar, dass die
Anschläge "die von den Kurdenführern über Jahre geschürten
sezessionistischen Stimmungen erneut geschürt haben". Am Ende seines
Kommentars landet Pirker wieder in zynischer Selbstzufriedenheit. Er
vermutet, dass hinter den Anschlägen die kurdische "Ansar AL Islam"
steckt, der er positive Ansätze unterstellt. Pirker hofft, dass die
USA auch im Nordirak in Schwierigkeiten gerät.
Faschistischer oder wirklicher Antiimperialismus?
Leuten wie Pirker fiel nie auf, dass es verschiedene
Arten von Antiimperialismus gibt: Den faschistischen
"Antiimperialismu"“ und den tatsächlichen Antiimperialismus.
Widerstand gegen eine sozial ungerechte Weltordnung mit dem Ziel,
die unterdrückten, beleidigten, erniedrigten und verlassenen Wesen
zu befreien, ist legitim und unterstützenswert. Bewegungen, die eine
antiimperialistische Zielsetzung haben gibt es im Trikont. Der
bewaffnete Widerstand im Irak gehört nicht in diese Kategorie.
Einige Junge Welt Redakteure haben die Aktion
"10 Euro
für den irakischen Widerstand" unterstützt, darunter
selbstverständlich der unvermeidliche Pirker.
Den "antiimperialistischen" Schreibtischstrategen
fällt es nicht ein, nach dem emanzipatorischen Kern der Kräfte zu
fragen, die sie unterstützen. Es genügt ihnen völlig, wenn die Leute
vorgeben, gegen die USA und den Zionismus zu sein. Dass sich unter
diesem Deckmäntelchen völlig reaktionäre Zielsetzungen verbergen,
interessiert die Schreiberlinge an Berliner und Wiener Wirtsstuben
wenig. Das Regime im Irak hatte extrem faschistoide Züge, die
gefundenen Massengräber im Irak belegen das hinreichend. Ein Teil
des irakischen Widerstandes gehört nach Angaben der Jungen Welt und
der AIK (Antiimperialistische Koordination, Hauptsitz Wien) zum
"linken Flügel der Baath Partei". Worin der linke Inhalt bestehen
soll, wird dezent verschwiegen. Zudem soll sich die "Linke" in
Deutschland mit islamisch fundamentalistischen Kräften im Irak
gemein machen, als ob es keine Erfahrung mit den
"antiimperialistischen" Taliban geben würde.
Der sogenannte Widerstand im Irak hat keinerlei
wirklich antiimperialistisches Anliegen. Es geht ihm nicht um die
Befreiung der Arbeit, noch um die Befreiung der Frau und auch nicht
um die demokratischen Rechte von unterdrückten Nationen. Der
Widerstand repräsentiert was Frantz Fanon einst so benannte:"„Es
besteht die latente Gefahr, dass Teile der einst Unterdrückten und
Beleidigten nicht nur die Mentalität der Kolonialmächte annehmen,
sondern diese Mentalität ins Extreme steigern und pervertieren." In
der Tat, das Baath-Regime nahm sehr rational die reaktionäre
Ideologie der Metropolen auf und verband dies mit der asiatischen
Despotie (Marx schrieb einiges zu diesem Phänomen). Der
demokratische Geist der Aufklärung ist sowohl den Saddam-Anhängern
und erst recht den islamischen Fundamentalisten fremd. Ihr Kampf
"gegen den Imperialismus" hat eine faschistisch reaktionäre
Grundlage. Das zeigt sich auch in den Aktionsformen des
"Widerstandes". Wenn es dem "Widerstand" wirklich um die realen
Interessen der Menschen gehen würde, würde er menschliches Leben
akzeptieren und nicht wahllos irakische und kurdische Zivilisten
töten. Die Angriffe des
"Widerstandes" richten sich jedoch hauptsächlich gegen zivile und
demokratische Einrichtungen, nicht nur gegen Straßenpassanten,
sondern auch gegen Büros der offiziellen KP, die mit der
Übergangsverwaltung zusammenarbeitet. Die Arbeiterkommunistische
Partei des Iraks, die eine Zusammenarbeit mit der US- Administration
ablehnt, ist für die irakische und arabische Reaktion ebenso
Angriffsziel, weil sie den politischen Islam ablehnt und für
Arbeiter und Frauenrechte eintritt.
Fazit Für Pirker
und die "Junge Welt" besteht "Antiimperialismus" aus dem Kampf gegen
die USA. Auf welcher programmatischen Basis und mit welchen Mitteln
dieser Kampf ausgefochten wird, ist für die Herrschaften belanglos.
Jeder, der die Welt nicht einfach in schwarz und weiß einteilt, gilt
als potentieller Kollaborateur, der die Liquidierung verdient hat.
In Deutschland wird jede kritische Stimme gegen den kruden
"Antiimperialismus" umgehend mit CIA- und Mossad-Vorwürfen
abgeblockt. Auch im Irak haben die Menschen den Vorgaben aus Wien
und Berlin "folge zu leisten". Das Massaker in Erbil wird
gerechtfertigt und mit einer Rhetorik gegen die separatistischen
Kurden unterlegt, die stark an die Propaganda von Saddam erinnert.
hagalil.com
05-02-2004 |