MAN WIRD JA WOHL MAL EIN TABU BRECHEN DÜRFEN
Möllemann verschuldet Antiarabismus
Vorstoß: Die Politik der
arabischen Regime trägt direkt zur Zunahme des Antiarabismus bei. Man
müsse endlich ein Tabu brechen und auch einmal aus Deutschland Kritik
üben dürfen.
Begründung des Vorstoßes:
Die 22 Staaten der arabischen Liga werden durchweg von antidemokratischen
und frauenfeindlichen Regierungen geführt. Im Minimum werden Missliebige
eingesperrt und gefoltert - auch in Tunesien und Jordanien. In einer
Zwischenzone liegt Algerien mit fundamentalistischen und
regierungstreuen Todesschwadronen, die seit 1992 über 100.000 Araber und
Berber umgebracht haben. Die Tötung von 30.000 bis 150.000 algerischen
Franzosenfreunden (Harkis) nach 1962 ist dabei nicht einmal mitgezählt.
Auf ähnlicher Höhe liegen die Gelegenheitsgenozide durch die Regime
Syriens (1981/82 in der eigenen Stadt Hamas) oder Ägyptens (1963 und
1966/67 Giftgasangriffe auf Jemen). Am oberen Ende liegt - noch weit vor
Marokko mit seinen Tötungen von Sahrauis - das Völkermordregime des
Sudans, das seit 1955 bald eine Million schwarzer Mitbürger getötet und
vier Millionen vertrieben hat. Ganz oben hat schließlich Saddam Husseins
Irak nicht nur den Nachbarn Kuweit überfallen und dort etwa 5.000 Araber
massakriert, sondern an eigenen Mitbürgern durch Genozide mit Gas und
Austrocknung der Bewässerungskanäle eine Viertelmillion Kurden und über
20.000 Schiiten eliminiert. Den Deutschen falle es deshalb immer
schwerer, gegenüber diesen nicht endenden Verbrechen an Arabern und
ethnischen Minderheiten ruhig zu bleiben.
Zur Berechtigung des Vorstoßes
konnten Überlegungen des nordrhein-westfälischen
FDP-Führers Jürgen Möllemann herangezogen werden. Er als
Durchschnittsdeutscher, dem viele tausend Mitbürger schon schriftlich
zugestimmt haben, könne betonen, dass keinem Araber bei uns ein Haar
gekrümmt werde. Gerade an ihm selber werde deutlich, dass all die
Menschenrechtsverletzungen und Völkermorde einen nur näher an das
Arabertum heranrücken lassen. Gerade jetzt, aber auch viele Jahre schon,
sei er mit Stolz Deutschlands oberster Freund der arabischen Regime. Er
wolle bei dieser Gelegenheit aber gleich noch hinzufügen, dass die
Politik Israels zu immer mehr Antisemitismus hierzulande führe. Der habe
gar nichts mit deutschen Einstellungen zu tun. Die seien, wie auch seine
Neigung für die arabischen Semiten zeige, durch und durch prosemitisch.
GUNNAR HEINSOHN
Der Autor lehrt am Raphael-Lemkin-Institut für
Xenophobie- und Genozidforschung der Uni Bremen
taz Nr. 6758 vom 27.5.2002, Seite 12, 56
Kommentar GUNNAR HEINSOHN, Gastkommentar
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haGalil onLine 27-04-2002 |