Militärhilfe als moralische Pflicht:
Israel erwartet deutschen Beitrag
Von Thorsten Schmitz
Ähnlich wie die Bundesregierung tat sich das israelische
Verteidigungsministerium am Dienstag zunächst schwer mit Anfragen zu der Bitte
Israels nach deutschen Luftabwehrraketen des Typs Patriot. Eine Sprecherin
erklärte zunächst, sie wisse nichts von einer derartigen Bitte. Wenige Stunden
später bestätigte dieselbe Sprecherin eine entsprechende Anfrage der
israelischen Regierung, diese habe jedoch nichts mit einem eventuellen
US-Militärschlag gegen den irakischen Diktator Saddam Hussein zu tun. Die
Anfrage sei bereits vor einem Jahr gestellt worden und gelte alten
Patriot-Raketen, die von der Bundeswehr ausgemustert würden.
Im Golfkrieg 1991 hatten sich die Patriot-Raketen als unbrauchbar
erwiesen. Es war nicht gelungen, mit ihnen auch nur eine der 39 aus dem Irak
abgefeuerten Scud-Raketen vor dem Eintreten in israelischen Luftraum
abzuschießen. Die israelische Militärindustrie zog ihre Lehren daraus und
entwickelte das 2,2 Milliarden Dollar teure Arrow- System, das angeblich eine
Trefferquote von 90 Prozent aufweist. Amerikanische Satelliten können laut einem
Bericht des Magazins Jerusalem Report innerhalb weniger Sekunden eine
Scud-Rakete orten und ein Signal an die Arrow-Bodenstation senden, von wo aus
eine Abwehrrakete gestartet würde. Diese würde die Scud-Rakete in zehn Kilometer
Höhe über jordanischem Gebiet zerstören. Der Regierung in Amman sei bereits
versichert worden, dass lediglich leichte Raketenteile auf die jordanische Wüste
herabregnen würden.
Amerikanischer Schutzschild
US-Präsident George Bush legt Wert darauf, dass sich Israel aus
einem etwaigen Krieg gegen den Irak heraushält: Es soll sich verteidigen, aber
nicht angreifen. Premierminister Ariel Scharon hatte jedoch in jüngster Zeit
mehrfach gedroht, dass Israel im Falle eines biologisch- chemischen Angriffs
zurückschlagen werde. Im Bemühen um einen möglichst guten Schutz Israels werden
israelische und amerikanische Militärs im Januar in Israel die Abwehrsysteme
Patriot und Arrow testen. Am Ende der auf zwei Wochen angelegten Übung werden
die USA drei verbesserte Patriot-PAC-2-Systeme in Israel stationiert lassen.
Zugleich hätten die USA die Stationierung eines Kriegsschiffs mit
Raketen-Abwehrsystemen im Mittelmeer vor der Küste von Tel Aviv zugesagt,
meldete dieser Tage die Zeitung Haaretz.
Die Vorbereitungen in Israel für einen eventuellen
Vergeltungsschlag des Irak laufen auf Hochtouren. Um die Luftwaffenbasis
Palmachin im Süden Tel Avivs sowie im Norden der Stadt, in der im Golfkrieg fast
alle Scud- Raketen einschlugen, wurden mehrere Patriot- und Arrow- Systeme in
Stellung gebracht. Die Bevölkerung wird mit Gasmasken ausgerüstet, Sanitäter und
Krankenschwestern gegen Pockenviren geimpft. In israelischen Militärkreisen gilt
ein Scud-Angriff aus dem Irak dennoch als wenig wahrscheinlich, weil man davon
ausgeht, dass die USA bei einem Militärschlag zuerst den Westen des Irak
besetzen würden. Von dort aus müssten Scud -Raketen abgefeuert werden, sollten
sie Israel treffen.
In israelischen Medien wird die mögliche Lieferung von
Patriot-Raketen aus Deutschland unter Hinweis auf den Holocaust als
Selbstverständlichkeit bewertet. Deutschland sehe eine Verpflichtung, Israels
Existenz im Falle eines Angriffs aus Bagdad zu sichern, hieß es im Fernsehen.
Zitiert wurden Mitarbeiter von Außenminister Joschka Fischer, wonach Deutschland
"sicherlich nicht" tatenlos zusehen werde, wenn Israel angegriffen würde.
Genauso selbstverständlich ist es für die Israelis indes, dass die
Raketenstellungen nicht mit deutschen Soldaten besetzt sein würden, sondern mit
Amerikanern.
hagalil.com
27-11-02 |