Deutschland:
Skandalöse Behandlung irakischer Flüchtlinge
Von Max Brym
Viel wird gegenwärtig über die Frage gesprochen wann, der
Krieg gegen den Irak beginnt. Unabhängig davon, wie man zu dem bevorstehenden
Krieg steht, gilt es festzuhalten: Das Regime von Saddam Hussein ist grausam und
verbrecherisch. Jahr für Jahr werden im Irak Tausende von Menschen gefoltert
oder hingerichtet. Systematisch werden Minderheiten und politisch Oppositionelle
verfolgt. Der Irak ist eine faschistoide totalitäre Diktatur. Der Lagebericht
der Bundesregierung geht "von einem rücksichtslos operierendem Staatsapparat im
Irak" aus. Dennoch bezeichnete der stellv. irakische Ministerpräsident die
Bundesrepublik als wichtigsten Partner für den Irak.
Das ist kein Zufall, denn anlässlich der letzten Handelsmesse in
Bagdad stellten bundesdeutsche Firmen das größte Kontingent. Ein ehemaliger
Verbandstrainer der DDR, Bernhard Stange, betreut seit kurzem das irakische
Fußballteam. Ein Deutscher ist momentan im Irak eine hochangesehene
Persönlichkeit. Dankbar wird an die Zeit erinnert, als aus Deutschland stammende
Chemiewaffen die Ermordung Tausender Kurden ermöglichte. Gern wird der deutschen
Spezialisten gedacht, die am irakischen Atomprogramm mitbastelten. Zudem wird
auf "traditionelle" Freundschaften in der deutsch-irakischen Beziehungskiste
hingewiesen. Damit ist der in beiden Ländern weitverbreitete Antisemitismus
gemeint. Im Irak ist der eliminatorische Antisemitismus herrschende
Staatsdoktrin. In Deutschland ist man dabei aus der "geschichtlichen
Verantwortung" herauszutreten. Es wird wieder im deutschen Interesse Welt und
Machtpolitik betrieben. Kriege werden nur geführt wenn davon profitiert werden
kann. So ist die Opposition von Schröder gegen Bush zu verstehen. Offiziell ist
aber auch die Bundesregierung der Meinung, dass im Irak Menschenrechte massiv
verletzt werden. In der Praxis wird jedoch mit den Flüchtlingen aus dem Irak
anders umgesprungen.
Zur Situation der Flüchtlinge
Seit langem stellen irakische Flüchtlinge einen großen Teil der
Asylsuchenden in der BRD. In den letzten drei Jahren stehen Flüchtlinge aus dem
Irak an der Spitze der Asylbewerber. Doch immer weniger Flüchtlinge erhalten
Asyl in Deutschland. Betrug die Anerkennungsquote des Bundesamtes im Jahr 2001
noch 65%, so viel sie im ersten Halbjahr 2002 auf 30%. Im September 2002 betrug
sie nur noch 16,5%. Dabei haben sich die Fluchtgründe aus dem Irak nicht
geändert, sondern deren Interpretation durch deutsche Behörden und Gerichte. Ein
Beispiel: Frau B. eine junge Irakerin aus Bagdad, kommt nach einer schwierigen
Flucht im Januar 2002 in Deutschland an. Sie hat Entsetzliches erlebt. Ihr
Vater, Inhaber eines Supermarktes wurde von den Schergen Saddams festgenommen
und getötet. Wenig später wird auch Frau B. verhaftet und in ein Gefängnis des
Geheimdienstes verschleppt. Kurz vor ihrem Prozess gelingt ihr die Flucht In
Abwesenheit wird sie zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. (Quelle Pro Asyl)
Anhörung
In einer 2-Stunden dauernden Anhörung schildert Frau B. dem
Bundesamt mit ergreifenden Worten die Misshandlungen und Vergewaltigungen durch
einen irakischen Offizier. Das Verhalten des Beamten der die Asylanhörung
durchführt ist skandalös. Obwohl Frau B. in Tränen ausbricht, wird weder die
Anhörung unterbrochen, noch eine weibliche Anhörerin hinzugezogen. Während der
Übersetzung des Anhörungsprotokolls, verspeist der Beamte unbeeindruckt einen
Apfel. Anschließend nachdem der Apfel seinen Magen erreicht hat, stellt der
Beamte unbeeindruckt fest: "Der Antrag auf Asyl lasse jegliches Detail
vermissen". Der Asylantrag von Frau B. wurde abgelehnt. Auch
Abschiebehindernisse liegen laut später zugestellten Bescheid nicht vor. So wie
Frau B. geht es immer mehr Flüchtlingen aus dem Irak.
Fluchtalternative Nordirak ?
In vielen Ablehnungsbescheiden wird auf die sog. UN-Schutzzone im
Nordirak verwiesen. Die Beamten argumentieren, dass wäre eine sichere
Fluchtalternative. Diese Behauptungen sind zynisch und an den Haaren
herbeigezogen. Im Nordirak (Südkurdistan) , leben rund 3,7 Millionen Menschen,
überwiegend Kurdinen und Kurden. Die Region ist ein Überbleibsel aus dem letzten
Golfkrieg. Zwar wird das Gebiet weitgehend selbstverwaltet, ist aber weder
international anerkannt, noch ist eine Truppenpräsenz vorhanden, um einen
Einmarsch des irakischen Militärs zu verhindern. Das geschah in der
Vergangenheit bereits mehrmals und keine UN-Resolution hat Saddam den Anspruch
auf dieses Gebiet je streitig gemacht. Militärische Zugriffe auf das Gebiet sind
also jederzeit möglich. Zudem hat die Türkei ihrerseits bereits mehrmals im
Nordirak (Südkurdistan) militärisch angegriffen. Im Vorfeld des Krieges, gegen
den Irak, hat die Türkei wie der Iran klargestellt: "Wir werden alles daran
setzen um einen unabhängigen Kurdenstaat zu verhindern". Neben der Tatsache,
dass in dem Gebiet schreckliche Massenarmut herrscht, schickt die deutsche
Bürokratie die Menschen in ein sich abzeichnendes Inferno.
Resümee
In diesen Tagen finden hierzulande auf Straßen und Plätzen,
Demonstrationen gegen den "Bush-Krieg" statt. Abgesehen von den
antiamerikanischen und oft antisemitischen Untertönen dieser Veranstaltungen
verdient folgendes Festgehalten zu werden: Wer nicht zuerst vor seiner eigenen
Haustür kehrt ist unglaubwürdig. Wem das Schicksal der abgeschobenen Menschen in
den Irak gleichgültig ist, dem ist auch nicht abzunehmen, dass die Worte Frieden
und Demokratie ihm irgend etwas bedeuten. Solange nicht gegen die Praktiken der
deutschen Waffenlieferanten und Abschieber etwas unternommen wird, ist die
Kriegsgegnerschaft deutscher Pazifisten ein billiges Alibi für andere Absichten.
hagalil.com
11-12-2002 |