
Jugoslawien und Irak:
Der Fischer 1999 und Fischer 2003
Nach David Navon, Jedioth achronoth
Es gehört heute anscheinend zum guten Ton,
Vorbehalte gegenüber einem Krieg im Irak zu äußern. Neben denen, die
fast alles Amerikanische verabscheuen, und denen, die Bush
unsachliche Motive unterstellen (angefangen von dem Wunsch, seine
Mutter glücklich zu machen, bis hin zur Gier nach dem Öl), gibt es
noch die, die glauben, seine Absichten seien begrüßenswert, nicht
jedoch seine Taten: Warum Irak? Warum jetzt? Warum sofort?
Sie wollen einen konkreten Casus Belli sehen. So
einen gibt es bei einem Krieg, der dazu bestimmt ist, eine
Katastrophe zu verhindern, normalerweise jedoch nicht. Ein
Präventivkrieg beginnt mit der Einschätzung der Kombination
Schadenspotential/ bösartige Absichten, die sich auf offene und
geheimdienstliche Informationen stützt, von welchen nur wenige
enthüllt werden können. Darüber hinaus, der 11. September 2001 hat
gezeigt, dass die Annahme „Sie werden es nicht wagen“ nicht immer
zutrifft. Weder auf Bin-Laden, noch auf Herrscher wie Saddam
Hussein. Wenn sie über unkonventionelle Waffen verfügen, dann
besteht das nicht-theoretische Risiko, dass sie sie auch einsetzen
werden. Deshalb ist der Versuch, sie zu entwaffnen, gerechtfertigt,
je eher desto besser. Auch das ist Selbstverteidigung, und die Frage
ist, wie groß das Risiko sein muss, um sie anzuwenden.
Einfach als Beispiel: Ein Krieg, dessen Rechtfertigung die Staaten
der EU, und nicht nur sie, hoch gepriesen haben. Im Kosovo begann
1998 die brutale Unterdrückung eines albanischen Aufstands, der auch
vor Terror nicht zurückschreckte. Die Ausmaße des Übels- 2000 Opfer
auf beiden Seiten und 90.000 Flüchtlinge in einem Jahr - reichten
nicht aus, um eine intensive Luft- Boden Aktion zu rechtfertigen,
von der erwartet wurde, das sie große Zerstörung und viele Opfer zur
Folge haben würde, wie es auch der Fall war. Die Rechtfertigung war
dann eine andere: die Befürchtung, das Milosevic massive ethnische
Säuberungen vornehmen werde (übrigens, auch damals kursierten im
Internet Spekulationen über die „wahren“ Motive z.B. der
amerikanische Wunsch, die Uranschätze im Kosovo unter Kontrolle zu
nehmen). Die NATO-Aktion war also ein Präventivkrieg, genau wie die
bevorstehende Offensive im Irak.
Die Befürchtung stützte sich auf die Annahme, dass Milosevic dazu
fähig sei. Eine Bekräftigung dafür lässt sich in einer Meldung
finden, die ironischerweise von einem der führenden Gegner des
Irakkriegs enthüllt wurde, dem deutschen Außenminister Joschka
Fischer: Es gibt einen geheimen Plan für die Vertreibung der
Albaner. Heute weiß man, nach dem verspäteten Eingeständnis eines
deutschen Generals, dass das, was als glaubhafte Information
dargestellt wurde, nicht mehr war, als die Übertreibung eines
Spekulation, die vom bulgarischen Geheimdienst stammte. Es war zu
keinem Zeitpunkt klar, ob die Information glaubhaft ist, aber im
Hinblick auf die Annahme, dass ein solches Vorhaben der Serben
durchaus denkbar wäre, wollte niemand ein Risiko eingehen, nicht
einmal Joschka Fischer. Und so begannen sich die Räder der
Kriegsmaschine zu drehen. Milosevic erhielt ein Ultimatum, eine
jugoslawische Gegenofferte wurde entschlossen abgelehnt, und das
Ultimatum wurde umgesetzt.
Lassen wir uns einen Moment annehmen, es hätte keine Information
über ethnische Säuberungen existiert, sondern es wäre bekannt
gewesen, dass Milosevic in der Vergangenheit chemische und
biologische Waffen entwickelt und sie auch eingesetzt hat, dass er
Millionen seiner Bürger aus ihren Häusern vertrieben und gedroht
hat, die Hälfte Kroatiens zu verbrennen, dass er über Raketen
verfügt, die bis nach Deutschland gelangen können, versucht,
nukleare Waffen zu entwickeln, die „Befreiungsbewegung“ in einem
benachbarten Staat unterstützt und wahrscheinlich auch mit dem
internationalen Terror in Verbindung gebracht werden kann. Dass er
in der Vergangenheit bewiesen hat, dass seine strategischen
Interessen nicht auf sein eigenes Land beschränkt sind, und dass er
die UN-Inspekteure an der Nase herumführt. Hätte Joschka Fischer
einen Krieg gegen Milosevic abgelehnt?
Warum nehmen er und seinesgleichen dann Saddam Hussein in Schutz?
Wie auch immer die Erklärung lautet, in der letzten Zeit haben wir
über sie wieder einmal einiges gelernt.
hagalil.com
10-03-2003 |