Zur Strategie der FDP:
Was bezweckt der “Staatsmann” Mümmelmann?
Jürgen Möllemann wurde von F.J. Strauß in den 80er Jahren
bei einer seiner Bierzeltreden als Möchtegern-Staatsmann Mümmelmann
belobigt. Bis vor einigen Jahren erschien Jürgen Möllemann für viele
aufgeklärte Geister als die Inkarnation des selbstsüchtigen,
programmlosen Politegozentrikers. Es war vielen klar diesem Menschen
geht es nur um die Befriedigung des persönlichen Ehrgeizes, plus
Eitelkeit.
Jürgen Möllemann mußte nicht entlarvt werden, weil er
programmatische Zusagen brach, denn er hatte kein Programm, außer sich
selbst. Jetzt allerdings stellt sich der Sachverhalt anders dar. Seine
18% FDP will er nicht nur mit Klamauk, selbstherrlichen Gehabe,
Fallschirmspringerei empor hieven, im Gegenteil, ihm ist einiges klar
geworden. Die FDP zur sogenannten “Volkspartei” zu machen, setzt voraus,
den reinen Wirtschaftsliberalismus durch primitive Vorurteile wie den
Antisemitismus zu ergänzen.
Die FDP galt als Partei einer exklusiven gehobenen
Mittelstandswählerschaft und hatte auch ihre Gönner und Förderer in
diversesten Managements der Großindustrie. Diese Klientel zu erweitern
und sie mit Volk zu unterfüttern, ist das gemeinsame Anliegen von
Möllemann und Westerwelle. In der Kombination spielt Möllemann den
schneidigen Draufgänger, den Tabubrecher, den Westerwelle hinterher
abfedert. So geschehen bei den antisemitischen Ausfällen Möllemanns
gegen Michel Friedmann und dem Theater wegen des Ex-Grünen Karsli. Jener
sollte bekanntlich in die FDP in NRW aufgenommen werden. Jetzt ist der
erklärter Saddam Hussein Freund “nur” in die FDP-Fraktion in NRW
aufgenommen worden.
Tabubrecher Möllemann
Möllemann erklärt auf seiner Homepage, Karsli zu seinem
persönlichen Wahlbeauftragten zu machen, der die muslemische
Wählerschaft anläßlich der Bundestagswahlen in den Stall der FDP treiben
soll. Zur Erinnerung: Karsli gab der rechtsradikalen Zeitschrift “Junge
Freiheit” ein Interview, in dem er von einem Vernichtungskrieg der
israelischen Armee gegen die Palästinenser sprach. Zudem warnte Karsli
vor einer “allmächtigen zionistischen Lobby in Deutschland”. Genau
solche Interviews braucht die rechtsradikale Szene, denn die
Begrifflichkeit, wie Vernichtungskrieg, galt bis dato als Synonym für
die Kriegsführung des Hitlerfaschismus. Der Antisemit wird in seiner
wahnwitzigen Begriffsstutzigkeit positiv angesprochen, wenn er von einer
mächtigen zionistischen Macht zu Lesen und zu Hören bekommt.
Der Antisemitismus ist in Deutschland, hingegen anders
lautender Aussagen, nach wie vor ein Massenphänomen. Alle seriösen
Umfragen belegen, daß es in Deutschland 15% der Erwachsenen mit einem
geschlossenen antisemitischen Weltbild gibt. Weitere mindestens 15%
pflegen und hegen antisemitische Vorurteile. Diese Klientel will
Möllemann für sich und die FDP vereinnahmen. Dazu erklärte er dem
Spiegel. “Wir müssen Dinge aussprechen, die von anderen Politikern aus
welchen Gründen auch immer tabuisiert werden.” Was Möllemann unter
Enttabuisierung versteht, belegen seine antisemitischen Angriffe gegen
Michel Friedmann, CDU Mitglied und stellvertretender Vorsitzender des
Zentralrates der Juden in Deutschland. Er unterstellte Friedmann durch
“seine arrogante und gehässige Art”, den Antisemitismus in Deutschland
zu fördern. Das ist ein klassischer Beleg für modern aufgemotzten
altbackenen Antisemitismus. Denn Friedmann wird nicht angegriffen
aufgrund irgendeiner Äußerung, die er als Herr Friedmann tätigte,
sondern als Jude. Die Juden insgesamt werden von Möllemann in
Kollektivhaftung genommen für das, was ihm an dem “Juden”
Friedmann nicht gefällt.
Also, der Jude ist selbst schuld, wenn es Antisemitismus
gibt und alle haben für einen die Verantwortung mit zu tragen. Dabei hat
Möllemann überhaupt kein schlechtes Gewissen, nein, er kommt sich vor,
wie die verfolgte Unschuld vom Land, die “frecher weise” vom Zentralrat
der Juden des Antisemitismuses bezichtigt wird. Der angeblich so
mächtige Zentralrat steht in dieser Auseinandersetzung in Deutschland
ziemlich alleine da. Es gibt keine deutliche Erklärung der Kirchen gegen
das Spiel mit dem Antisemitismus seitens der FDP und es gibt auch keine
Erklärung der Gewerkschaften. Schon gar nicht finden Demonstrationen vor
dem FDP-Sitz in Berlin statt. Statt dessen steigen die Umfragewerte der
FDP weiter. Die Friedhofsschändungen gegen jüdische Gräber haben ihren
höchsten Stand in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte erreicht. In
dieser Situation paßt es, wenn Westerwelle der Presse gegenüber erklärt,
er wolle die Partei auch für ehemalige Wähler rechter Parteien attraktiv
machen.
Droht eine Haiderisierung?
Die junge Generation in der FDP-Spitze bewundert seit
längerem die VVD in Holland und die Venstre in Dänemark. Bereits im Jahr
2000 erklärte der damalige Generalsekretär Westerwelle “die beiden
liberalen Parteien sind für uns vorbildlich”. Es sollte festgehalten
werden, die rechtsliberale Venstre wurde bei den Parlamentswahlen in
Dänemark im vergangenen Jahr mit rassistischen Sprüchen zur stärksten
Partei. Die VVD wurde bereits 1998 mit ihrer Kampagne gegen die
“Zuwanderer” die zweit stärkste Partei in Holland. Nur die noch rechtere
Liste Pim Fortuyn wurde bei den letzten Wahlen in Holland jetzt stärker
als die liberale Schwesterpartei der deutschen FDP. Vor zwei Jahren
erklärte Möllemann bezüglich der holländischen und dänischen Parteien
“die gleichen Probleme, die gleichen Lösungswege”.
Es gilt zu Diagnostizieren, Möllemann und Westerwelle
haben begriffen, daß die FDP mit Marktradikalismus, Sozialabbau und
Steuererleichterungsprogrammen für Reiche nicht zur “Volkspartei” werden
kann. Der deutsche Spießer braucht etwas fürs Gemüt, es müssen uralte
Vorurteile, die vorhanden sind, nur heraus gekitzelt werden um sich den
angestrebten 18% bei den Wahlen zu nähern. Zielgruppen sind wie folgt zu
benennen: 1. Der karrieregeile und geldgierige Spießer, 2. Der
spaßgeile, unsoziale Möchtegernaufsteiger (Guidomobil), 3. Als zu
gewinnende Hauptgruppe, der antisemitisch verblödete Typus. Es ist kein
Zufall, daß der Rassismus der FDP hauptseitig als Antisemitismus daher
kommt. Denn er hat nicht nur Tradition, sondern wie oben dargelegt, eine
Massenbasis in Deutschland. Jener Antisemitismus hat seine Basis auch im
spendierfreudigen (für die FDP wichtig) Teil des Monopolkapitals. Der
Antisemitismus wird seit der Aneignung der DDR zunehmend von
Kapitalkreisen benützt, um eigenes Magendrücken wegzubekommen und andere
für sich zu Instrumentalisieren.
Der Antisemitismus in den 90er Jahren
Bereits 1990 machte ein angeblich seriöses Organ wie der
Spiegel mit Gregor Gysi als Titelcover auf. Der unvorteilhaft
abgelichtete Gysi wird als “Der Drahtzieher” geoutet. In dem langen
Artikel gegen Gysi wurde er mehrmals als “jüdischer Advokat” benannt. In
der Wirtschafts- und Manangementpresse der 90er Jahre ist häufig vom
US-Notenbankchef Alan Greenspann als Jude zu lesen. Stets dann, wenn die
US-Notenbank eine Entscheidung bekannt gab, die sich nicht mit den
deutschen Wirtschaftsinteressen deckte.
Als der britisch konservative Außenminister Riffkind im
Namen der ehemaligen britischen Regierung bei einem Deutschlandbesuch
die deutschen EU-Pläne kritisierte, konnte die Bürgerpresse nicht mehr
an sich halten. Die FAZ verwahrte sich entschieden gegen die
Unverschämtheiten des “Juden Riffkind”. Die “Kinder-FAZ”, die taz drosch
mit den selben Worten auf den “Juden Rifffkind” ein. Sichtlich wurmte
die Deutsche Bank die Erklärung des höchsten Beamten der Stadt New York
von Anfang 1998, jener erklärte: “Wenn die Deutsche Bank sich nicht an
den Entschädigungszahlungen für Zwangsarbeiter entsprechend beteiligt,
wird sie in der größten Stadt der Welt keine Geschäfte machen können”.
Dankbar reagierte deshalb die deutsche Schickeria auf
die Rede des Literaten Martin Walser, der den Friedenspreis des
deutschen Buchhandels im Oktober 1998 erhielt. Damals wandte sich Walser
gegen die “Moralkeule Auschwitz, gegen deren Instrumentalisierung und
die Dauerrepräsentation unserer Schande”. Besagter Walser wurde
ausgerechnet am 8. Mai 2002 von Gerhard Schröder zu einem Gespräch über
“notwendigen Patriotismus” empfangen. Möllemann ist keineswegs isoliert,
er kann sich nicht nur auf den traditionellen Antisemitismus, sondern
auch auf seine Wiederbelebung aus der Mitte der Gesellschaft in den 90er
Jahren stützen.
Möllemann “Die Mitte” und der Antisemitismus
Einige Kommentatoren in den bürgerlichen Medien
behandeln Möllemann als isolierten deutschen Israelkritiker. Dabei wird
die überflüssige Fragestellung “Ob Deutsche Israel kritisieren dürfen?”
thematisiert. Beides ist völlig daneben, denn die gegebene deutsche
Außenpolitik entwickelt zunehmend Israel feindliche Positionen. (Um
Mißverständnissen vorzubeugen, der Autor dieser Zeilen ist ein Kritiker
der israelischen Regierung uter Ariel Sharon). Der Spiegel bemerkte vor
einigen Wochen völlig zutreffend, daß die deutsche Außenpolitik die
Position gegenüber Israel geändert hat. “Von der Freundschaft über die
Kritik zur Gegnerschaft”.
Die ökonomische Basis dafür sind die hervorragenden
Ökonomischen Beziehungen zu “Schurkenstaaten” wie Libyen und Syrien.
Beide sind nach Rußland und Norwegen die größten Öllieferanten für die
deutsche Industrie. Außenminister Fischer wird nicht müde die angebliche
Reformfreudigkeit der iranischen Regierung (nach Bush, Teil der Achse
des Bösen) – zu loben. Gegenwärtig ist Deutschland der Hauptinvestor und
größte Kreditgeber des Iran. Diese Deals sind nur möglich, indem man
sich von den USA und Israel abnabelt. Jener Abnabelungsprozeß wird unter
dem von der FDP angestrebten Außenministerium nur schärfere Formen
annehmen. Möllemanns Rechtfertigung der barbarischen Selbstmordattentate
in Israel sollen jenen Prozeß nur vorbereiten. Dabei kann er sich des
Wohlwollens der großindustriellen Geldgeber der FDP durchaus sicher
sein, wenn er jene Politik noch mit entsprechendem Anhang untermauern
kann. Die Aufgabe der Linken muß sein, den Antisemitismus in Deutschland
als reale Gefahr wahrzunehmen, ihn als fundamentalen Angriff auf die
Demokratie zu bewerten und die Antisemiten im eigenen Land zu bekämpfen.
Max Brym, München,
freier Journalist
haGalil onLine 28-05-2002 |