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Judentum und Israel
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Jüdische Weisheit
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Wie die Zeit vergeht...
oder "Möllemann macht's möglich"

"Und was die Juden anging: hatten sie sich nicht in der Vergangenheit doch eine Rolle angemaßt, die ihnen nicht zukam? Mußten sie nicht endlich einmal Einschränkungen in Kauf nehmen? Hatten sie es nicht vielleicht sogar verdient, in ihre Schranken gewiesen zu werden?"

Nein, das ist keine neue Verlautbarung des Herrn Möllemann, sondern ein Zitat, ein doppeltes Zitat gewissermaßen. Es stammt zunächst aus einer Rede, die Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) am 10. November 1988 zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht hielt. Jenninger wiederum zitierte die Stimme des Volkes im Deutschland der 1930er Jahre, nach der die Juden eben selbst schuld am Antisemitismus hatten.

Doch Jenninger unterlief ein schlimmer Fehler: Er versäumte es, die Anführungsstriche seiner Zitate laut und deutlich mitzusprechen und so kam es zum Eklat. Die Mehrheit der Zuhörer konnte oder wollte der Rede nicht folgen. Man unterstellte Jenninger gar selbst Liebäugelei mit braunem Gedankengut.

Bei aufmerksamer Lektüre dieser Rede wird allerdings auch dem Dümmsten klar, was Jenninger gemeint hatte. Ein Mißverständnis also, aber eines mit Folgen ...

Auch Möllemann bedient sich aus jener braunen Mottenkiste, wonach Juden wie Sharon und Friedman selbst den Antisemitismus fördern.

Haben wir ihn mißverstanden? Hat er vielleicht zitiert? Haben die zionistisch unterwanderten Medienlobbyisten ein paar Gänsefüßchen übersehen oder gar unterschlagen? Nein, Möllemann spricht unmißverständlich für sich und ohne Gänsefüßchen.

Überhaupt: Gänsefüßchen!? Wie soll man da eine 18 druntermalen? Die entsprechende Besohlung von Springerstiefeln ist einfacher. Außerdem haben deren Träger Erfahrung mit dieser Chiffrierung, verbergen sie dahinter - in alphabetischer Entsprechung - seit Jahren die Initialen ihres alten und neuen Führers.

Daß Möllemann das gewußt hat ... – eher unwahrscheinlich. Daß er sich bei der Erfindung seines "Projekts 18" ganz im Gegenteil am hebräischen Alephbet orientiert hätte, wonach der achte und zehnte Buchstabe für Chai, das Leben, stehen ... – noch unwahrscheinlicher.

Möllemanns Hybris wirkt beängstigend und man fragt sich, woher nimmt er diese Frechheit. Hat er am Ende zuviel Fernsehen geschaut? Ist ihm die Harald Schmidt Show zu Kopf gestiegen, deren gut gelauntes Publikum in der allabendlichen Wahlumfrage nicht selten mit Quoten von über 20 % für die FDP scherzt?

Wie viele andere Politiker unserer Zeit hat auch Möllemann einen Hang zum Showbusiness, aber eben deshalb sollte er eine der entscheidenden Regeln dieser Branche beherzigen:

Wer seinem Publikum nachläuft sieht auf Dauer nur dessen A....

Das hat sogar der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers begriffen, den der Kölner Stadt-Anzeiger am 27. Mai 2002 auf Seite eins mit den Worten zitiert:

"Die Aufgabe von demokratischen Parteien ist es, potenzielle Wähler von rechtsradikalen und rechtspopulistischen Parteien ins demokratische Spektrum zurückzuholen, und nicht, ihnen nachzulaufen."

Soweit Jürgen Rüttgers, derselbe Rüttgers übrigens, der vor gar nicht langer Zeit gegen Schröders "Greencard-Gesetz" mit der Parole "Kinder statt Inder" polemisiert hatte.

Damals gab es nicht nur im nordrhein-westfälischen Landtag heftige Debatten über diese unsägliche Äußerung.

"Dieser Spruch erinnert leider sehr stark an Haider aus Österreich, und das macht vielen Menschen im Lande Angst", erklärte ein Landtagsabgeordneter der Grünen, sein Name: Jamal Karsli. Nein, wie die Zeit vergeht!

Nicht ganz zu Unrecht verweist die Zeitung NEUES DEUTSCHLAND in ihrer Ausgabe vom 27. Mai 2002 auf diese Episode und auch auf eine gewisse Doppelmoral seitens der Grünen, die Karsli auf einmal wie einen Aussätzigen behandeln.

Andererseits ist Karslis Haltung wahrhaftig höchst verwirrend. In der Begründung für die Rücknahme seines FDP-Mitgliedsantrags schreibt er an Möllemann:

"Ich nehme mit Erstaunen und Befremden zur Kenntnis, wie man aus mir, der ich 18 Jahre lang aktive Politik gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus gemacht und mich immer für Integration, Gleichberechtigung und Menschenrechte eingesetzt habe, quasi einen antisemitisch und antijüdisch und antiisraelisch denkenden und handelnden Menschen macht. Begriffe wie Zionismus und Antisemitismus sowie die Kritik an der Regierung Scharon werden in der deutschen Medienlandschaft meiner Meinung nach nicht genügend differenziert und daher oft verwechselt, weil in Deutschland das Thmea nach wie vor tabuisiert wird."

Karslis Erstaunen erstaunt. Hatte er doch kaum drei Wochen zuvor der rechtsgerichteten Zeitung JUNGE FREIHEIT ein Interview gegeben, in dem er selbst wenig Wert auf die von ihm gewünschte Differenzierung legte.

Kann es einen so erfahrenen Politiker wie Karsli wirklich wundern, daß seine Auslassungen über eine "zionistische Lobby", die den "größten Teil der Medienmacht in der Welt inne [habe]" ihm den Vorwurf des Antisemitismus einbringen?

Hatte er seine Äußerung über die vermeintlichen "Nazimethoden" Israels zunächst noch als emotionalen Ausrutscher entschuldigt und bedauernd zurückgenommen, wurde er gleich darauf umso schärfer:

"Außerdem ist die Frage ob 'Terror' nicht einmal fest definiert werden sollte. Wenn jemand gegen eine Besatzungsmacht kämpft, ist das denn Terror? Ich glaube, Terror richtet sich gegen Zivilisten. Wenn aber eine Besatzungsmacht sich gegen Zivilisten wendet, dann muß man mit allen Mitteln gegen diese Besatzungsmacht vorgehen, dann ist das der Kampf gegen den Terror."

Die Opfer der palästinensischen Selbstmordattentäter sind fast ausschließlich israelische Zivilisten. Nach Karslis Definition müßte also auch von einem palästinensischen Terror gesprochen werden, doch diesen Gedanken blendet er aus. Wie alle einseitig denkenden Menschen sieht er eben diese Eigenschaft nie bei sich selbst, sondern nur beim anderen, so zum Beispiel wenn er im selben Interview erklärt:

"Die Politik, die Joschka Fischer betreibt, finde ich dagegen einseitig und heuchlerisch."

Es gab und gibt viele Karslis, in Nahost und auch hier in Europa. Das ist nicht wirklich neu. Neu ist dagegen die Allianz mit einem Spitzenvertreter einer liberalen demokratischen Partei.

In seiner Austrittserklärung an die Grünen schreibt Karsli:

"Die Haltung von Herrn Jürgen Möllemann im Nahostkonflikt stimmt mit meiner Einstellung völlig überein. Deshalb habe ich mich entschieden, der FDP beizutreten. Damit trage ich zum einen der Meinung der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland Rechnung, zum anderen werde ich dem Willen der Wählerinnen und Wähler gerecht, die mir ihre Stimme und ihr Vertrauen über die Liste gegeben haben, damit ich ihre Interessen im Landtag vertrete. Nicht zuletzt möchte ich auch die Position von Herrn Möllemann in der FDP in dieser Frage stärken."

Was um alles in der Welt bringt diese Brüder eigentlich auf die Idee, sie repräsentierten die Meinung der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland, wo sie selbst bei optimistischer Schätzung nicht einmal eine Minderheit der FDP hinter sich vermuten können – gar nicht zu reden von den großen Volksparteien, die sich überraschend einhellig von derartigem Geschwurbel distanziert haben?

Möllemann selbst hält das natürlich für Wahlkampf. Schröder habe die Hosen so voll, daß er neuerdings überall braun sähe, verkündet er vollmundig, und in der CDU distanzierten sich doch auch nur die, die irgendwie"ihre Felle davonschwimmen" sähen.

Nun befindet sich aber nicht nur Schröder im Wahlkampf. Auch FDP-Mitglieder wie Hamm-Brücher, Kinkel oder Genscher arbeiten für ein gutes Wahlergebnis ihrer Partei, und deren Unmut über den westfälischen Provokateur hat wohl eher damit zu tun, daß sie die Felle der FDP davonschwimmen sehen.

Aber was kann man erwarten von einem Politiker, der nicht einmal rechts und links auseinanderhalten kann. In seiner Kolumne für NEUES DEUTSCHLAND, erschienen ebenfalls am 27.Mai 2002, erklärt er den allgemeinen Zuwachs der rechten Parteien in Europa wie folgt:

"Es geht nicht mehr um Rechts oder Links. Es geht nur noch darum, wer die tatsächlichen Probleme der Menschen ohne Scheuklappen erkennt, in der Sprache des Volkes nennt und zu ihrer Zufriedenheit löst. [...]

Der gemeinsame Nenner der Europaweiten Wahlergebnisse ist weder ein Rechtstrend noch ein Linkstrend, sondern die Emanzipation der Demokraten. [...]

Ein Volk nach dem anderen wählte jede Regierung gnadenlos ab, die Versprechen nicht einlöste und Erwartungen nicht erfüllte."

Diese Idee ist nicht so originell, wie Möllemann denkt, oder hat er vergessen, daß die mündigen Demokraten sich 1998 nach 16 Jahren CDU/FDP gnadenlos eine neue Regierung wählten und zwar ohne Beteiligung der FDP?

Daß Populisten die Sprache des Volkes zu kopieren verstehen, mit scheinbar schnellen Problemlösungen Stimmen fangen und dadurch kurzfristig Wahlerfolge verbuchen können, ist ebenfalls ein alter Hut, aber würde Möllemann wohl eine Wette wagen, daß Herr Schill noch eine zweite Amtszeit in Hamburg schafft?

Die distanzlose Anerkennung der Wahlsiege von Haider und Co. war dann auch Anlaß für die Redaktion des NEUEN DEUTSCHLAND, dem Verfasser "die rote Karte" zu zeigen. Zumindest in dieser Zeitung wird es vorerst keine weiteren Beiträge von Möllemann geben. Auch einige FDP Mitglieder distanzierten sich erneut und ausdrücklich von dieser Kolumne.

Dafür hat Haider umgehend gratuliert, was Möllemann dann aber doch zuviel der Ehre war. Haider sei für ihn ein "Rattenfänger" erklärte er am selben Abend in der Talkshow bei Reinhold Beckmann. Und dann wehrt er sich minutenlang gegen all die bösen Angriffe, Unterstellungen, Verleumdungen und Ehrverletzungen, und Beckmann ist scheinbar so beeindruckt, daß er eine naheliegende Frage gar nicht erst stellt, die Frage, die Henryk M.Broder im SPIEGEL des selben Tages so wunderbar treffend formulierte:

"Nehmen wir an Möllemann hätte Recht und Friedman wäre intolerant und gehässig und noch einiges dazu. Und? Reicht das, um die Wahnidee des Antisemitismus faktisch abzusichern? Darf ein Jude nicht intolerant und gehässig sein, ohne daß alle Übrigen dafür abgemahnt werden? Die Haltung hat Tradition. Wo immer zu Ostern ein Ritualmord nicht begangen wurde, mußten alle Juden dafür büßen.

Würde umgekehrt Möllemanns aufgeblähtes, dumpfes schmierantenhaftes Auftreten als Begründung für aufkommenden Antigermanismus reichen? Nicht einmal ansatzweise. Aber wenn es um Juden geht, bestehen die Antisemiten auf einer Kollektivhaftung."

Es ist bedauerlich, daß solche Fälle nicht aufhören wollen sich zu wiederholen, während ausgerechnet der Fall Jenninger sich nicht zu wiederholen scheint.

Als sich Philipp Jenninger unmittelbar nach Beendigung seiner Rede mit den entsetzten Reaktionen der Mehrheit des Bundestages und der Medien konfrontiert sah, wurde ihm sehr schnell klar, was er mit seiner ungeschickten Rede- und Zitierweise angerichtet hatte. Und obwohl es sich tatsächlich um ein Mißverständnis handelte, obwohl Jenninger schon bald von Seiten aufmerksamer Leser verteidigt wurde, obwohl sogar Simon Wiesenthal und Michael Fürst (damals stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Juden - wie Friedman heute) ihn trotz berechtigter Kritik an der Redeform gegen den Antisemitismusvorwurf in Schutz nahmen, hat Jenninger keine zwei Tage gebraucht um öffentlich zu bekennen, seine Rede sei von vielen nicht so verstanden worden, wie er sie gemeint habe. Damit das Amt des Bundestagspräsidenten keinen Schaden erleide, trat er einen Tag später von diesem Amt zurück.

Daß einem Philipp Jenninger einmal so sympathisch werden könnte ... – Möllemann machts möglich.

fsw / haGalil onLine 28-05-2002

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