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Judentum und Israel
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Bischof Huber und das Judentum
Zu seinem Interview in der „Berliner Zeitung“
(Nr. 121, S. 5) vom 28. Mai 2002

Von Prof. Dr. K. E. Grözinger

Man muß dem Bischof der Evangelischen Landeskirche von Berlin-Brandenburg dankbar sein, dass er sprachlich von deutschnationalen Entlastungsstrategien infizierte Vergleiche der nationalsozialistischen mit der israelischen Militärpolitik als nicht hinnehmbar abweist und die dem antisemitischen Sprachgebrauch entlehnte Formel, die Juden seien am Antisemitismus selbst schuld, nachdrücklich kritisiert.

Aber leider tappt Herr Huber bei seinen weiteren Ausführungen selbst in die Sprachfalle, die zu umgehen er so eindrücklich fordert, wenn er sagt: „Es gibt von jüdischer Seite Stimmen, die versuchen Antisemitismus und Antizionismus gleichzusetzen und jede kritische Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Politik Israels als antizionistisch und somit als antisemitisch darzustellen. Das geht nicht.“

Soll dies heißen, Antisemitismus ist verboten, Antizionismus hingegen erlaubt? Dies erinnert aus den im Folgenden noch darzustellenden Gründen fatal an die einst katholisch-ultramontanistische Formel von einem erlaubten religiösen Antijudaismus und einem verbotenen Rassenantisemitismus. Herrn Hubers zitierte Einlassung verfällt hier einer ebenso – sagen wir judenunfreundlichen – Tradition, definieren zu wollen, welches Judentum dem Nichtjuden genehm sei und welches nicht. Dass der Bischof den Juden bestreitet, Antizionismus mit Antisemitismus gleichzusetzen, zeugt nicht eben von einer tiefgreifenden Kenntnis dessen, was für Juden und die jüdische Religion der Zionismus bedeutet. Hat der Kirchenmann den auch in seiner Bibel stehenden Psalm 137 vergessen, wo man nachlesen kann, was seit biblischen Zeiten der Zion für das israelitisch-jüdische Volk bedeutet: „An den Strömen Babels, da saßen wir und weinten, wenn wir Zions gedachten … Wie könnten wir des Herrn Lied singen auf fremder Erde? Vergesse ich deiner Jerusalem, so müsse meine Rechte verdorren!“ Und dies ist nicht der einzige biblische Text, der die zentrale Bedeutung des Zion und des Heiligen Landes für die jüdische Religion widerspiegelt. Auch wenn solche Texte für das Christentum keine Bedeutung mehr haben mögen, für die jüdische Religion waren und blieben sie in ihrem konkreten Sinn konstitutiv.

Seit zwei Jahrtausenden beten die Juden täglich in aller Welt im wichtigsten Gebet der Synagoge: „Stoße in das große Widderhorn zu unserer Befreiung, erhebe das Panier, unsere Verbannten zu sammeln, und sammle uns alle von den vier Enden der Erde.“ und „Nach deiner Stadt Jerusalem kehre in Erbarmen zurück, wohne in ihr, wie du gesprochen hast, erbaue sie bald in unseren Tagen als ewigen Bau, und Davids Thron gründe eilends in ihr.“

Es geht hier nicht darum, ob solche Gebete einen rechtlichen oder politischen Anspruch auf die hier genannten geographischen Räume begründen können. Es geht zunächst darum, welche Bedeutung der Zion für das Judentum als Religion hat.

Dass solchen, bei christlichen Theologen vielleicht als noch bekannt vorauszusetzenden, aber offenbar geflissentlich ignorierten, Texten auch in den Jahrhunderten des europäischen Exils noch weitere folgten, die jedem Juden ins Herz gebrannt sind, muss einem Christen nicht unbedingt bekannt sein, darum soll wenigstens noch ein kleines Beispiel aus dem europäischen hohen Mittelalter folgen. Es sind nur wenige Zeilen aus der in die synagogale Liturgie des jährlichen Trauertages um Jerusalem eingegangene „Zionide“ des Philosophen und Poeten Jehuda ha-Levi (1083-1141). Sie sind darum besonders bedeutsam, weil der gefeierte Dichter wie viele seiner Glaubensbrüder und Schwestern während der gesamten langen Exilszeit durch seine versuchte Rückkehr nach Jerusalem auch den praktischen religiösen Zionismus verwirklichte, noch lange bevor aus dem stets präsenten religiösen Zionismus – wegen des gerade auch in Deutschland wütenden Antisemitismus – ein politischer wurde: „Zion, fragst du nicht nach deinen Gefangenen, die deinen Frieden suchen, sind sie doch deine Herde … Zion, die Fülle der Schönheit, der Liebe und der Huld, werde doch stark, denn an dich sind gebunden die Seelen deiner Freunde!“ Erschallt am jährlichen Trauertag um Jerusalem die vielstimmige Klage um die Verwüstete, so ruft jede Hausgemeinde in der feierlichen Nacht des jährlichen Pesach-Festes: „Nächstes Jahr in Jerusalem.“

Vieles könnte noch angeführt werden, welches die unverzichtbare Stellung des Zion in der jüdischen Reliogion bezeugt – so die Auferstehung der Toten, die dort beginnt, weshalb sich durch die Jahrtausende Juden aus aller Welt im Heiligen Land bestatten ließen, und wo dies nicht möglich war, hat man doch ein wenig Erde aus Jerusalem in das Grab im Exil gestreut.
Darum konnte auch der aus der Not der jahrhundertelangen Judenverfolgungen im 19. Jahrhundert geborene politische Zionismus der religiösen Verankerung nicht entsagen, wie die Ablehnung des Uganda-Planes durch den Siebten Zionistenkongress im Jahre 1905 zeigte. Judentum – Zionismus – und das konkrete Land Israel / Zion sind unzertrennlich miteinander verbunden.

Wenn schließlich das Reformjudentum im 19. Jahrhundert meinte, des politisch-geographischen Zion entsagen zu können, so wurde es durch die von „Christen“ zu verantwortende Schoah ein für alle Male eines besseren belehrt. Nach der Erfahrung der Schoah ist das Land Israel, der Staat Israel, auch den areligiösen Juden zu einem religionsgleichen Faustpfand jüdischer Existenz und Identität geworden, das definitive Ende des von den Antisemiten geschaffenen „Ewigen Juden“ Ahasver.

All das sollte man im Gedächtnis behalten, bevor man glaubt, Juden die Gleichsetzung von Judentum und Zionismus ausreden zu wollen und damit deren Gleichung von Antizionismus und Antisemitismus als unzulässige zu erklären. Wer dies nicht zur Kenntnis nimmt, oder gar bestreitet, kann aus jüdischer Sicht nicht als ehrlicher Freund geachtet werden, von dem man bereit ist, Kritik entgegen zu nehmen. Der deutsche Aussenminister Joschka Fischer hat bei seiner Berliner Rede im Adlon unmissverständlich deutlich gemacht, dass nur der als Kritiker und Vermittler Vertrauen finden kann, der beide Seiten wirklich versteht, auch wenn dieses Verstehen in ein logisches und Interessendilemma führt. Ein hilfreiches „Dazwischen“ ist nur da möglich, wo beide Seiten ernst genommen werden und man nicht versucht, eine der beiden Seiten nach eigenem gusto zu definieren und ihr dann demgemäße Vorwürfe zu machen und Ratschläge zu erteilen.

Die zitierte Äußerung Bischof Hubers erinnert bedauerlicherweise an eine andere aus der Feder eines christlichen Theologen, der meinte, die Juden nach einem ihm genehmen Bild zuschneidern zu dürfen. Anlässlich einer Neuauflage von Martin Bubers Reden über das Judentum, die bekanntlich ein bei Christen sehr gut angenommenes, von vielen Juden aber abgelehntes Bild vom Judentum zeichneten, schrieb der katholische Theologe Hans Urs von Balthasar: „Bubers Reden über das Judentum, die in immer neuen Abwandlungen sein Leben begleiten, sind für die jüdische Sache Gründungsurkunden, gleichgültig, ob das heutige Israel (als Weltvolk und als Land) sie als solche anerkennen mag oder nicht.“

Hinhören, nachdenken, nicht dekretieren, sollte in diesen schwierigen Zeiten die Devise lauten für diejenigen, welche sich zum Nahostkonflikt äußern wollen.

haGalil onLine 27-05-2002

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