Ein Bild lügt mehr als tausend Worte:
Die deutsche Berichterstattung über den Nahen Osten, Juden und über
den Antisemitismus, am Beispiel der Süddeutschen Zeitung
Von Heinz Schneier Als die Tagesausgabe der
Süddeutschen Zeitung (SZ) am 11. September 2001 die Rotationspressen
verließ, da war der 11.09. auch für die SZ noch ein Tag wie jeder
andere und ihre Artikel unterschieden sich nicht, von denen anderer
Tage:
- Die untere Hälfte der Seite drei - der Meinungsseite - belegte Heiko Flottau
erneut mit seiner Darstellung über Geschichte und Gegenwart des
jüdisch-arabischen Zusammenlebens in Hebron,
- die Nachrichten auf Seite 8 hatten als Leitartikel den Nahost-Konflikt,
versehen mit einem dreispaltigen Foto im Kopfteil, das charakteristisch ist
für Fotos über den Nahostkonflikt in deutschen Medien: zwischen bewaffneten
israelischen Uniformierten sitzen zusammengekauert drei ärmlich gekleidete
Zivilisten und es wird erläutert, dass Palästinenser, die als illegale
Arbeiter festgenommen wurden, ins Westjordanland abgeschoben werden.
- auf der Seite 9 erörterte eine Buchrezension Norman Nainmarks Werk über
ethnische Säuberungen in Europa im 20. Jahrhundert, worin die Schoa
maßgeblich besprochen wurde und worin die einzige Zwischenüberschrift
"Gegenthese zu Goldhagen" lautete (der im Buch nicht genannt wird).
- der Leitartikel der Seite 12 widmete sich der Eröffnungsfeier für das
Jüdische Museum in Berlin.
- die Leserbriefseite brachte vier Leserbriefe über das Mahnmal für die
ermordeten jüdischen Kinder in München und über das jüdische Museum (die
restlichen drei bezogen sich auf die Pläne für das Nürnberger
Reichsparteitagsgelände),
- Der Leitartikel des Feuilletons war ebenfalls dem Jüdischen Museum in Berlin
gewidmet,
- Der dreispaltige Artikel darunter erörterte die "Deutsch-jüdische Begegnung
im Klang aus Chicago" ( und bezog sich auf Daniel Barenboim, der Mahlers
Siebte mit dem Chicago Symphony Orchestra in der Berliner Philharmonie
dirigierte) und
- Auf Seite 19 gab es einen Bericht "Gezählt und getötet" über die Volkszählung
vom 17.05.1939, in der erstmals in den Fragebögen die Begriffe "Voll-,
Halb-, oder Vierteljude" erfasst waren.
Mit über 450.000 verkauften Exemplaren wochentags und über 500.000 an
Wochenenden ist die SZ eine der führenden deutschen Tageszeitungen, sie
repräsentiert weitgehend den Mainstream der deutschen Publizistik. Auch die
anderen deutschen Tageszeitungen - von Extrembeispielen abgesehen - erachten
sich trotz weltanschaulicher Differenzen als weitgehend fortschrittlich und
liberal und es werden diese Zeitungen es ebenso entschieden von sich weisen,
wenn man ihnen Antisemitismus vorwirft, wie man dies auch von deutschen
Politikern und Literaten gewohnt ist.
Quantitativ und stilistisch unterschied sich die Berichterstattung über den
Nahostkonflikt und über Juden in der SZ Ausgabe vom 11.09.01 nicht von der
sonstigen Berichterstattung zu diesen Themen: In den 300 Tagesausgaben der
SZ im Jahre 2001, erschienen insgesamt 2.028 Textsorten (also Nachrichten,
Berichte und Reportagen, Kommentare und Leserbriefe) über Israel - also fast
7 im Tagesdurchschnitt! - davon allein 388, in denen das Wort Israel schon
im Titel des Artikels vermerkt war.
Darüber hinaus gab es 1.195 Texte über Juden (vier im Tagesdurchschnitt)),
davon 75, in denen der Begriff Jude im Titel angegeben war (wobei es hier
natürlich auch Überschneidungen bei den Begriffen "Jude" und "Israel" gab).
Die inhaltliche Bewertung hingegen ergibt, dass während bei der Darstellung von
Juden und jüdische Themen der Tatsache Rechnung getragen wird, dass der
Antisemitismus offiziell als anrüchig und der Holocaust als verdammenswert
gilt, haben die Nahostberichte und Kommentare einen eindeutig
antisemitischen Charakter.
Diese Fixierung beschränkt sich nicht nur auf Printmedien: Laut dem
Forschungsbericht vom 15.05.2002 der internationalen Fernsehagentur Medien
Tenor beziehen sich in Deutschland (international überdurchschnittliche) 61%
der internationalen Konfliktberichte im Fernsehen auf den Nahostkonflikt,
davon haben 81% Israel als Hauptthema. Gemäß der Untersuchung "Media
Perception of Israel in international TV-news programmes" desselben
Instituts, waren vom 01.10.01 - 31.03.02 von den in diesem Halbjahr in
Deutschland ausgestrahlten Berichten über Israel 45,2% als negativ, 49,5%
als neutral und nur 5,3% als für Israel positiv zu bewerten.
Wie ist tatsächlich diese Obsession mit einem Ländchen zu erklären, mit weniger
als einem Drittel der Fläche Bayerns, in mehreren tausend Kilometern
Entfernung, das auch im Nahen Osten nur 0,2% der Fläche belegt und nur etwa
3% der Bevölkerung der Region hat? Und wie zu den Juden, einem Völkchen von
weltweit nicht mehr als 14 Millionen Menschen? Wieso drängen sich in diesem
winzigen Israel mehr ausländische Korrespondenten (und mehr christliche
Missionare) als auf dem gesamten afrikanischen Kontinent? Wieso beschäftigt
die Europäer der Nahostkonflikt mehr als die Kriege in Europa, oder die mit
weitaus mehr Menschenopfern verbundenen Konflikte in Kaschmir,
Tschetschenien, Ruanda oder am Kongo und warum beschäftigen sich in
Deutschland die Nachkommen der Sudetendeutschen, Schlesier oder der
Ostpreußen mehr mit dem Schicksal der palästinensischen Flüchtlinge als mit
dem eigenen, wo doch in beiden Fällen der Zeitpunkt der Flucht derselbe war?
Zweifellos, für das Christentum - und zunehmend auch für die islamische Welt
- ist das Judentum weder eine Religion, noch eine Nation, sondern eine
paranoide Manie.
So personalisiert in unserer exemplarischen Darstellung der SZ vom 11.09.01
Heiko Flottau die Klischees der Not der Araber am Beispiel zweier Familien
in der Altstadt von Hebron, sie werden von jüdischen Siedlern drangsaliert,
die "sie vertreiben wollen", sie und ihre Häuser werden von den "Siedlern"
mit Steinen beworfen, der Familienvater von fünf Kindern war früher
Gastarbeiter bei den Israelis und leide nun bittere Not. Um die 480
jüdischen Siedler zu schützen, habe die Arme viele Soldaten um sie herum
postiert und über die Araber der Altstadt eine Ausgangssperre verhängt,
wodurch sie sich nicht einmal mit Lebensmittel versorgen könnten und
hungerten.
Genannt werden aber nicht nur fiktive Persönlichkeiten, sondern auch Lars Tore
Kieland, der norwegische Sprecher der Internationalen Beobachtergruppe, die
das Hebronabkommen zwischen Israel und der Palästinensischen
Autonomiebehörde (PA) zu beobachten hat. Dieser Herr Kieland habe sich
bitter über die "Siedler" beschwert, die ihn anspuckten und mit Steinen
bewarfen.
Die Siedler sind erst nach der arabischen Niederlage von 1967 gekommen, weil
sie behaupteten, dies sei altes jüdisches Gebiet. Die Juden wären 1929 aus
Hebron geflüchtet, nachdem Araber 67 Juden umgebracht haben. Dabei
verschwiegen sie, dass arabische Nachbarn etwa 2/3 der Juden versteckten, so
dass nicht einmal alle ermordet wurden. Auch waren Juden eine kleine
Minderheit und die Araber mussten sich vor der jüdischen Landnahme wehren,
so dass ihnen keine andere Wahl blieb als die Juden zu erschlagen. Und da
die SZ ihre Informationspflicht gegenüber ihren Leser ernst nimmt,
unterlässt sie es auch nicht, sie aufzuklären, warum die "jüdischen Siedler"
nach 1967 nach Hebron zurückgekommen sind: Um sich zu rächen!. Deswegen habe
auch ein Herr Baruch Goldstein im Februar 1994 "in der Moschee" 29 Araber
"ermordet", wonach er von den "betenden Muslimen getötet" wurde.
Bei einer solchen Berichterstattung und dem ständig vorwurfsvollen Hervorheben,
in Hebron lebten weniger als 500 Juden unter etwa 120.000 Arabern, deren
Schutz nur durch massive Armeepräsenz gewährleistet werde, ist es nicht
verwunderlich, dass der durchschnittliche deutsche Leser die Anwesenheit
einer jüdischen Minderheit unter einer arabischen Mehrheit als etwas
frevelhaftes empfindet. Folgerichtig nimmt er es dann auch nicht wahr, dass
die in Israel lebenden Araber selbstverständlich nicht befürchten müssen,
dass ihnen auch nur ein Haar gekrümmt werde, während das Leben eines jeden
Juden in Gebieten mit islamischer Mehrheit nur durch massive Militärpräsenz
gewährleistet werden kann.
Charakteristisch im Sinne der SZ Berichterstattung ist, dass anhand fiktiver
Beispiele dargestellt wird, wie 20.000 Araber in der Innenstadt Hebrons
aufgrund der Anwesenheit von den weniger als 500 Juden angeblich
drangsaliert werden, aber unerwähnt bleibt, dass in den vorangegangenen 11
Monaten seit Beginn der zweiten Intifada, die Juden Hebrons ständig von
arabischen Heckenschützen beschossen wurden. So wurden beispielsweise im
Verlauf des Monats vor der Veröffentlichung des Artikels ein 11 Jähriger
schwer und sein 21 jähriger Bruder leicht verletzt, als sie vor ihrem
Wohnhaus standen. Nur die Ermordung der 10 Monate alten Shalhevet Pass in
den Armen ihres Vaters im März 2001, lenkte die internationale
Aufmerksamkeit auf die Realität des jüdischen Lebens in Hebron.
Auch die Darstellung der Auseinandersetzung mit der TIPH - der Temporary
International Presence in Hebron - also der Internationalen
Beobachterkommission für Hebron, ist gelinde gesagt unvollständig: Diese
Kommission wurde 1994, unmittelbar nach dem Anschlag Baruch Goldsteins unter
der Regierung Rabin gegründet, deren Aufgaben wurden danach im Jahre 1997 in
einer Übereinkunft zwischen Israel und der PA bestätigt. Danach war es die
Aufgabe der TIPH, Auseinandersetzungen zwischen den Parteien zu überprüfen
und möglichst vorbeugend zu schlichten. Die 85 Mitglieder kamen aus Ländern,
die beide Seiten als neutral akzeptierten, u.zw. Dänemark, Schweden,
Norwegen, die Schweiz, Italien und die Türkei. Die vielversprechende
Initiative erwies sich aber bald als unergiebig, denn die Araber
bezeichneten die Kommission als ineffektiv, während die Juden ihr
Parteilichkeit zugunsten der Palästinenser vorwarfen (worin wohl
ausnahmsweise beide Seiten Recht behielten). Im Spätherbst 2000 eskalierten
die Auseinandersetzungen zwischen der TIPH und den Juden in Hebron, die die
Kommissionsmitglieder beschuldigten, der arabischen Seite Informationen über
israelische Truppenbewegungen zugetragen zu haben, TIPH Mitglieder und deren
Fahrzeuge wurden danach von jüdischen Kindern wiederholt mit Steinen
beworfen und bespuckt.
Auch wenn dieses Verhalten verwerflich war, so haben Kommissionsangehörige
danach durch eigene Erklärungen die jüdischen Vorwürfe in einer Weise
bestätigt, wie sie ansonsten durch Dritte kaum beweisbar gewesen wären: In
Schreiben der TIPH Mitglieder an die Außenministerien ihrer Länder erklärten
Sie (unzutreffend), Ziel ihrer Mission sei es gewesen, ausschließlich die H2
Zone - also die unter israelischer Kontrolle stehende Zone in der Innenstadt
von Hebron - zu überwachen und da ihnen dies unmöglich gemacht werde, "sei
ihre Mission sinnlos geworden".
Ferner erklärte Frau Saida Keller, die Schweizer Sprecherin der TIPH, in einem
Interview mit der Washington Post, es sei das "Mandat der Organisation
gewesen, der palästinensischen Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit zu
vermitteln und dies ist nun unmöglich geworden". Der im SZ Artikel genannte
Lars Tore Kieland (der in Wirklichkeit Kjerland heißt) bestätigte auf
Anfragen von Journalisten, die Fahrzeuge der Kommission wären sporadisch
auch von Arabern mit Steinen beworfen worden, aber "dies haben wir bei
weitem nicht so ernst genommen, denn schließlich sei das für sie (die
Araber) schon so etwas wie ein Volkssport geworden".
Da die Juden ausschließlich von der H1 Zone aus beschossen wurden (den Teil
Hebrons, der unter der Verwaltung der PA steht) - für die sich die TIPH
mandatswidrig als unzuständig erachtete - und sie sich zugegebenermaßen nur
als Interessenvertretung einer Seite empfand, führte sie den Israelis erneut
vor, was sie von internationalen Beobachtergruppen zu erwarten haben.
Auch historisch ist die Darstellung im Zusammenhang mit der Ermordung eines
Drittels der jüdischen Gemeindemitglieder im Jahre 1929 unzutreffend: Zu
diesem Zeitpunkt hatte Hebron etwa 20.000 Einwohner, darunter etwa 200 Juden
und 120 Samaritaner, deren Gemeinden und Synagogen kontinuierlich schon seit
biblischen Zeiten in Hebron bestanden, auch lange bevor es in dieser Stadt
Araber gab.
Es ist offensichtlich, dass die SZ von ihren Korrespondenten eher einen
stilistischen Aufbau erwartet, wie er in journalistischen Seminaren gelehrt
wird, als historisch korrekte Darstellungen, mit Folgen, die sich etwa in
angelsächsischen Ländern bestenfalls Boulevardzeitungen leisten dürften und
die von grob fahrlässig falschen Darstellungen bis hin zu volksherhetzenden
Geschichtsklitterungen reichen.
Eine dieser - im wahrsten Sinne des Wortes augenscheinlichsten - Peinlichkeiten
unterlief der SZ in der Wochenendausgabe vom 16./17.12.2000. In Heiko
Flottaus Bericht "Scheitern im Schatten britischer Kanonen" berichtet er
über ein "exotisch aussehendes Paar", das bei den Versailler
Friedensverhandlungen von 1919 auftrat: den Emir Feisal, Sohn des Scheriffen
von Mekka und Chaim Weizmann, Präsident des Zionistischen Weltkongresses und
später erster Präsident Israels. Dreispaltig wurden die beiden abgebildet:
Chaim Weizmann und der spätere König Feisal von Saudi-Arabien.
Dabei handelte es sich bei dem Feisal, mit dem Weizmann verhandelte und dem
späteren König von Saudi-Arabien um zwei verschiedene Personen: der erstere
gehörte zum Clan der Haschemiten, dessen Beduinentruppen mit den Engländern
im Ersten Weltkrieg gegen die Osmanen kämpften. Aus Dank wurde er später als
König des neuen britischen Mandatgebiets Irak eingesetzt. Erst in den
Zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann der Reichsgründer Abdul Azziz
ibn Saud die Eroberung des Hedschas und als sein Sohn Feisal im Jahre 1962
dritter König Saudi-Arabiens wurde, da war Chaim Weizmann bereits tot. Die
beiden genannten Feisals gehörten daher auch unterschiedlichen Clans an, die
bis 1958 Todfeinde waren.
Auch in diesem Artikel verabsäumte Heiko Flottau nicht auf die Ermordung der 67
Juden in Hebron im Jahre 1929 hinzuweisen, die er damit rechtfertigt, "weil
sie (die Juden) die wirtschaftliche Existenz der palästinensischen Bewohner
gefährdet hatten".
Eine aktuellere Geschichtsklitterung leistete sich die SZ im Artikel vom
20.07.02 "Der kurze Triumph eines Volkshelden", ebenfalls von Heiko Flottau:
Demzufolge hat "am 23.07.1952 eine Gruppe von "freien Offizieren" unter
ihren damals 34-jährigen Anführer (Gamal Abdel) Nasser die marode ägyptische
Königsmonarchie" gestürzt. In Wirklichkeit wurden damals die "Jungen
Offiziere" von Mohammed Naguib geleitet, der nicht die Monarchie stürzte,
sondern König Faruk zur Abdankung zwang und dessen Sohn Fuad als König
einsetzte. Ein Jahr danach setzte Naguib König Fuad ab, rief die Republik
aus und wurde ihr erster Präsident. Im Jahre 1954 entmachteten die "Jungen
Offiziere" im Rahmen eines internen Putsches Naguib und Nasser wurde der
zweite Präsident Ägyptens.
Erfahren dürfen wir in diesem Artikel auch die wahren Ursachen des Suez-Krieges
von 1956: Nicht die Verstaatlichung des Suez Kanals und die Militäraktion
Frankreichs und Großbritanniens zur dessen Wiederbesetzung - der sich Israel
anschloss - waren die Ursachen für den Krieg, (der israelische
Verteidigungsminister Mosche) "Dayan wollte den Krieg". Auch der
Sechstagekrieg von 1967 war ein Krieg den "niemand wollte" außer eben Mosche
Dayan und er entstand dadurch, dass Dayan gezielt die Syrer provozierte, so
dass Nasser "unter arabischen Druck die Vereinten Nationen bat, die
Beobachter aus Ägypten abzuziehen", auch sei die Verriegelung der Straße von
Tiran - und damit die Blockade des Meereszugangs Israels nach Afrika und
Fernost - für Israel nicht lebensbedrohend gewesen, da die Mittelmeerhäfen
ja offen standen. Dabei können heutzutage Zeitungsartikel und Wochenschauen
aus arabischen Ländern noch ohne erheblichen Aufwand eingesehen werden, in
denen Nasser fanatisierten arabischen Massen aufruft, Israel auszulöschen
und auch der hysterische "Tötet, tötet, tötet" Radioaufruf des damaligen
Königs Hussein von Jordanien, in dem er auch arabische Zivilisten
aufforderte, Juden "auch nur mit Messern" zu ermorden ist in die Geschichte
eingegangen.
Herr Flottau beruft sich bei seinen revolutionären Geschichtserkenntnissen auf
Avi Shlaim, einen der jüdischen "New Historians", die eine neue Form des
jüdischen Selbsthasses pflegen und arabische Presseorgane und sonstige
antisemitische Publikationen mit revisionistischen Geschichtsversionen
beliefern.
Weitergehende markante Ereignisse der Ära Nasser, insbesondere die Gründung der
jeweils nach kurzer Zeit gescheiterten "Vereinigten Arabischen Republiken"
zwischen Ägypten und Syrien, beziehungsweise Ägypten und dem damaligen
Nordjemen - ebenso wie die abenteuerlichen militärischen Eskapaden Nassers
und den damit verbundenen Einsatz von Giftgasmunition im Nordjemen - werden
nicht erwähnt, obwohl man bei der Kreativität des Herrn Flottau auch da
hätte erwarten dürfen, dass Israel daran Schuld gewesen wäre.
Antisemitische Tendenz der Nahostberichterstattung deutscher Tageszeitungen nun
wissenschaftlich belegt
Dass man über die Nahostberichterstattung der SZ - und die anderer führender
deutscher Tageszeitungen - behaupten kann, sie "reproduzierten, so wie sie
im Mediendiskurs gedeutet und bewertet werden, einen in Deutschland
vorhandenen Antisemitismus und verfestigten ihn", ist nun aufgrund einer
Studie des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung der
Universität Duisburg ermöglicht worden, die im Auftrag des Berliner Büros
des American Jewish Committee eine wissenschaftliche Untersuchung der
Berichterstattung in deutschen Printmedien über die Zweite Intifada
durchführte, über die im Juni 2002 eine 32-seitige Zusammenfassung (wovon
allein 3 ½ Seiten den Literaturhinweisen vorbehalten blieb) veröffentlicht
wurde. Das Institut überprüfte für die Zeit vom 28.09.2000 (dem Beginn der
"zweiten Intifada") bis zum 08.08.2001 sechs Tageszeitungen die der
politischen Mitte zuzurechnen sind (die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die
Frankfurter Rundschau, die SZ, der Tagesspiegel, die Tageszeitung und Die
Welt) und eine Wochenzeitschrift (Der Spiegel). Die Untersuchung
konzentriert sich auf alle publizierten Texte zu vier Ereignissen, nämlich
der s.g. Tempelberg Besuch Ariel Scharons am 28.09.00, den Tod des
palästinensischen Jungen Mohammed al-Dura am 30.09.2000, die Lynchmorde an
zwei israelische Soldaten in Ramallah am 12.10.00 und das Selbstmord
Attentat vor einer Diskothek in Tel-Aviv am 01.06.01.
Darin gelangt die Studie zur Erkenntnis, dass die Nahostberichterstattung
deutscher Printmedien von der Warte einer "rassistischen und
ethnozentristischen Perspektive" und einer "paternalistischen
Überheblichkeit" geführt wird. "Die Dargestellten werden aus einer
vermeintlich unangreifbaren Position von Fortschrittlichkeit
....dargestellt". Beide Parteien erführen "durch den Printmedien-Diskurs
vornehmlich massive Negativzuschreibungen, jedoch mit unterschiedlichen
Akzentsetzungen", die "Kritik an beiden Seiten heißt jedoch nicht
Ausgewogenheit" sondern verlaufe eindeutig zu Lasten Israels.
Auch das Bild von den Palästinensern sei oft von "Antiislamischen
Zuschreibungen" geprägt, diese bieten "Anschlusspunkte dafür, die Gewalt als
direkt vom Islam hervorgebracht zu interpretieren". Demgegenüber sei die
Israeldarstellung von "Antisemitischen Diskurselementen" geprägt, "die in
Deutschland offiziell tabuisiert sind". Insbesondere bei der Beschreibung
Ariels Scharons werden Bezeichnungen genutzt, die "Assoziationen zu
bekannten antisemitischen Karikaturen" hervorrufen. Insgesamt wird
hervorgehoben:
- Scharons s.g. "Tempelbergbesuch" wird einhellig als Auslöser der "zweiten
Intifada" bezeichnet, "dass dies Teil einer Strategie Arafats gewesen sein
könnte, wird nicht angesprochen".
- "jüdische Siedler", Ariel Scharon und die israelische Armee werden
durchgehend negativ dargestellt, wie auch stets mit abwertenden
Eigenschaftswörtern bezeichnet: "radikale", "militante", "extremistische"
und "fanatische jüdische Siedler", "Bulldozer", "skrupelloser
Machttaktiker", "unnachgiebig", "alter Haudegen", "Schlächter", "Krieger",
"gurrender Falke", "Bulle", "Kriegstreiber", "oberster Brandstifter Israels"
und ähnliche Bezeichnungen für Scharon, über dem auch berichtet wird,
Demonstranten hätten ihn "lauthals mit Hitler" verglichen, ferner wird
behauptet, er sei für die Massaker in Sabra und Schatilla verantwortlich.
Israelische Soldaten und die israelischen Armee werden als "hart",
"erbarmungslos zurückschießende Soldaten", "Besatzungstruppe, "Kolonisten"
beschrieben, denen "exzessive Gewaltanwendung", "brutale Besatzung",
"brutale Massaker am palästinensischen Volk" zugeschrieben werden, auch
werden bewusst religiöse Assoziationen hervorgerufen wie etwa "ein Trupp
Soldaten stürmt wie eine Kohorte römischer Legionäre die Via Dolorosa".
- Ereignisse wie der Tod des palästinensischen Jungen Mohammed-al-Dura werden
unisono und ungeprüft der israelischen Seite angelastet, es wurde in diesem
Zusammenhang auf die Zahl getöteter palästinensischer Minderjähriger
hingewiesen, wobei die Schuld allein dem "brutalen Vorgehen der israelischen
Armee" zugeschrieben wurde. Hinweise auf ermordete jüdische Kinder werden
relativiert wie "auf beiden Seiten immer mehr Kinder sterben, noch im Tod
werden sie für die politische Propaganda missbraucht".
- Der Lynchmord an zwei israelischen Soldaten in Ramallah am 12.10.2000 wurde
als Reaktion der "aufgebrachten palästinensischen Menge", auf "Scharons
Provokation" (den Besuch auf dem Tempelberg) und dem Tod Mohammed-al-Duras
relativiert, die Berichterstattung wurde mit den "Vergeltungsmaßnahmen" -
also der Bombardierung der zwischenzeitlich geräumten Polizeistation in
Ramallah durch die israelische Luftwaffe - gekoppelt. Die Lynchmorde werden
in Chroniken eingeordnet durch die eine Eskalationslogik medial deutlich
gemacht wird. "Die teilweise sehr drastische Visualisierung der Ereignisse
trug ebenfalls mit dazu bei, die Eskalation des Konfliktes zu
unterstreichen: Fotos von Steine werfenden .... Palästinensern stehen Bilder
von israelischen Panzern und Kampfhubschraubern gegenüber, mit denen
gleichzeitig die israelische Dominanz hervorgehoben wird".
- Zur Kritik an Israel werden öfter israelische und palästinensische
Kritiker/innen hinzugezogen, "eine Kritik von Palästinensern an der
palästinensischen Politik ist dagegen nicht oder äußerst selten
aufzufinden". Israel wird öfter zugestanden ein demokratischer Staat zu
sein, in dem auch kontroverse Meinungen vorherrschen, dabei werden aber nur
Ansichten von Israelis zitiert, die im Widerspruch zur offiziellen
Regierungspolitik stehen.
- Die Diskurselemente im Zusammenhang mit Israel sind eindeutig durch Begriffe
des traditionellen europäischen Antisemitismus und des christlichen
Antijudaismus geprägt, "insbesondere die Tatsache, dass die produzierten
Texte mit ihren negativen Zuschreibungen immer Anschluss an deutsche
historische und aktuelle Diskurse findet, ist zu berücksichtigen. Insofern
sind solche Texte oftmals dazu geeignet, in deutschen Diskursen vorhandene
antisemitische und rassistische Vorurteile zu reproduzieren oder auch erst
herzustellen".
Die Nahostberichterstattung der SZ im Vergleich zur Duisburger Medienanalyse
Ein Vergleich der veröffentlichten Kurzfassung dieser Medienanalyse mit der
Nahostberichterstattung der SZ ergibt, dass die SZ dabei eher glimpflich
davonkommt:
1) Während die SZ ebenfalls mit Fotos zum Nahostkonflikt aufwartet, wonach fast
ausschließlich schwerbewaffnete israelische Soldaten unbewaffneten
palästinensischen Zivilisten gegenüberstehen - ganz zu schweigen von den
Fotos, die einzelne palästinensische Kinder zeigen, die Panzer mit Steine
bewerfen (wohl wissend, dass sie dadurch keine Risiken eingehen) - werden
die Karikaturen mit Stürmer Charakter, die in der SZ erschienen sind, im
Bericht nicht erwähnt. Hervorzuheben wäre dabei z.B. die zwischenzeitlich
berüchtigt gewordene Karikatur E.M. Langs vom 02.05.02, in dem Scharon vor
einem Leichenberg, der von einem Bagger weggekarrt wird, die Mitglieder
einer UN Beobachtermission zurückdrängt. Eine ähnliche Karikatur vom
16.05.02, zeigt zum Beispiel Scharon auf einem Brett, unter dem wohl ein
Palästinenser dargestellt sein soll.
Generell sind in der deutschen Presse und insbesondere in der SZ - im Gegensatz
etwa zu Tageszeitungen aus angelsächsischen Ländern - nur verunglimpfende
Karikaturen über Israelis, aber keine über Palästinenser, islamische
Terroristen oder korrupte arabische Politiker vorzufinden.
2) Die im Bericht zitierte Praxis jüdischen und israelischen Kommentatoren Raum
zur Kritik an Israel einzuräumen wird von der SZ exzessiv genutzt, es werden
dabei Autoren publiziert, die in Israel vollkommen unbekannt sind, wie etwa
Cordelia Edvardson und auch von den renommierteren Autoren, wie etwa Moshe
Zimmermann, kann behauptet werden, dass sie in Deutschland weitaus bekannter
und häufiger publiziert werden, als in Israel.
Während Scharon von fast 2/3 der Wähler Israels zum Ministerpräsidenten gewählt
wurde und er aufgrund repräsentativer Umfragen weiterhin als ebenso populär
gilt, werden in der SZ ausschließlich jüdische und israelische Kommentatoren
veröffentlicht, die die Regierung Scharon und ihre Politik diffamieren oder
ihr zumindest höchst kritisch gegenüberstehen - womit dokumentiert wird,
dass es der SZ nicht auf einer wahrheitsgetreuen Darstellung der Stimmung am
Ort des Geschehens ankommt, sondern dass sie sich Methoden bedient, die bei
antisemitischen Publikationen seit mehr als einem Jahrhundert nachweisbar
sind, nämlich dem Zitieren - oft eigens dafür bezahlter - jüdischer
"Zeugen".
Unerwähnt blieb im Duisburger Bericht (in der veröffentlichten Kurzfassung) die
Bedeutung der Leserbriefe, denen in der SZ eindeutig dieselbe Rolle
zugedacht wird, wie den israelikritischen Artikeln jüdischer Autoren: Auch
hier gibt die SZ vor, Ansichten Dritter vorzutragen, die nicht die Meinung
der Redaktion wiederspiegeln, veröffentlicht aber so gut wie ausschließlich
Leserbriefe, die Israel verunglimpfen - mit dem Unterschied, dass hier auf
stilistische Feinheiten keine Rücksichten genommen werden müssen, da man
sich mit den Ausfällen Dritter nicht identifizieren müsse.
Selbstverständlich soll hier nicht behauptet werden, dass diese unter dem
Deckmantel der legitimen Israelkritik veröffentlichten Meinungen nicht
tatsächliche Leserbriefe darstellten oder gar bestellt wären. Schließlich
werden heute deutsche jüdische Gemeinden mit Briefen überhäuft, in denen es
von unflätigen antisemitischen Pöbeleien nur so wimmelt und auch die
Öffentlichkeitsabteilung der Israelischen Botschaft erhält an manchen Tagen
bis zu 300 solcher Schreiben, Telefaxe und E-Mails, also bei weitem mehr,
als die diplomatischen Vertretungen irgendeiner der in Deutschland
akkreditierten Großmächte. Aber es gilt sowohl in Kreisen der jüdischen
Gemeinde in München, wie auch in denen der Deutsch-Israelischen Gesellschaft
und der christlichen Freundeskreise Israels in Bayern, dass es absolut
sinnlos sei, an die SZ einen Israel freundlichen Leserbrief zu schicken,
denn dieser wird entweder nicht veröffentlicht, oder er wird soweit verkürzt
und entstellt, dass er oft das Gegenteil von dem wiedergibt, was vom
Versender beabsichtigt war.
Eine besondere Rolle wurde den Leserbriefen nach den Terrorangriffen in den USA
am 11.09.2001 zugedacht: Im Duisburger Bericht gab es einen Hinweis auf eine
vom Institut durchgeführte kursorische Analyse im Zeitraum vom 12.09.01 bis
zum 19.09.01 in fünf Tageszeitungen, darunter der SZ, in denen auch die
Meinung vertreten wurde, der Terror sei eine legitime Waffe der Schwachen,
ferner werde sich "Scharon nun legitimiert fühlen, noch härter gegen die
Palästinenser vorzugehen. Solche Spekulationen gingen in einzelnen Fällen
sogar so weit, Israel eine Schuld oder zumindest eine Mitschuld an den
Anschlägen in den USA zu geben".
Die SZ hat bereits am 14.11.01 mit einem Artikel von Heiko Flottau, dessen
ellenlanger Titel allen den Weg gewiesen hat wer denn immer schuld sei:
Übertitel: "Der Kampf gegen den Terror: Der Fanatismus der Attentäter hat
historische Ursachen", Haupttitel: "Nahöstliche Verteufelung" und Untertitel:
"Terrorismus in der arabischen Welt wird heute oft religiös legitimiert - seine
Geburtsstunde aber war der Kampf gegen die Gründung Israels". Von da an
übernahmen die Leserbriefe eine markante Rolle in dieser Diskussion -
exemplarisch für eine größere Anzahl vergleichbarer Leserbriefe bis heute - etwa
der Brief eines "85-jährigen Nazi-Gegners" Prof.Dr. Halhuber vom 14.10.01, der
auch Scharons Erklärungen mit Hitler Zitaten verglich, Israel Apartheid vorwarf
und als Wurzel des Terrors bezeichnete.
3) Im Juli 2002 berichtete die SZ über den Gesetzesantrag im israelischen
Parlament, Grundstücke des Jüdischen Nationalfonds, die mit Spenden von
Juden aus aller Welt erworben und erschlossen wurden, nur an Juden zu
überlassen (wobei die Darstellung in der SZ so verstanden werden konnte,
dass arabische Staatsbürger Israels generell keine Immobilien mehr erwerben
dürften). Darüber gab es in der SZ legitime Kritik, es wurde berichtet, dass
der Gesetzentwurf von oppositionellen Abgeordneten als rassistisch
bezeichnet wurde und er wurde in einem Feuilletonbericht von Moshe
Zimmermann in der SZ auch entsprechend kommentiert.
Als im Frühjahr 2001 in Libanon ein Gesetz beschlossen wurde, wonach
Palästinenser keine Immobilien mehr erwerben können und die Immobilien in
ihrem Eigentum nicht vererben dürfen, so war darüber in der SZ nie eine
Silbe zu lesen. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass es dem
durchschnittlichen SZ Leser unbekannt ist, dass die Palästinenser im Libanon
mehr als 100 Berufsverboten unterliegen, so dass sie nicht einmal die
Straßen ihrer Flüchtlingslager kehren dürfen und es blieb auch unerwähnt,
dass im Frühjahr 2002 als Berufsverbot hinzugekommen ist, dass sie auch
keine Taxichauffeure mehr sein dürfen. Ebenso wenig wird über den
benachteiligten Status der Palästinenser in den anderen arabischen
Bruderstaaten, wie etwa Saudi Arabien oder Kuwait berichtet.
Kaum einem SZ Leser dürfte bekannt sein, dass bis zum Friedensvertrag mit
Jordanien es in diesem Land (einschließlich der annektierten Westbank)
Arabern unter Androhung der Todesstrafe verboten war, Immobilien an Juden zu
verkaufen und dass die PA dieses Gesetz mit übernommen hat und es auch
ausführt.
Die Nahostberichterstattung der SZ und der deutschen Tageszeitungen ist daher
höchst selektiv, die Leiden der Palästinenser werden nur im Zusammenhang mit
Israel zitiert. Eindeutig geht es diesen Zeitungen dabei nicht um das Leiden
der Palästinenser, sondern darum, dass die Israelis Juden sind.
Die Antisemitismuskritik der SZ im Falle der FDP und Möllemanns
Als der Antisemitismus zu einem der Hauptthemen des deutschen Frühlings des
Jahres 2002 wurde, hat sich die SZ- und hier insbesondere ihr Redakteur
Heribert Prantl - entschieden dafür eingesetzt, die Situation schon dadurch
klarzustellen, dass die Dinge beim Namen genannt wurden. Insbesondere hat
Heribert Prantl präzisiert, dass der behauptete Antisemitismus der FDP
Oberen Westerwelle und Möllemann schon deswegen eine Unterstellung war, weil
man dadurch bei diesen beiden Herren so etwas wie das Vorhandensein einer
Gesinnung unterstellte und dass es nicht hinnehmbar sei, wenn in Deutschland
österreichische Verhältnisse einkehrten und der Antisemitismus - auch unter
dem Gewand der Israelkritik - zum Wahlkampfthema werde. Er hat auch in
dankenswerter Weise auf die antisemitischen Ausfälle der Ostermarschierer
hingewiesen, wobei diese Ereignisse ihren eigentlichen Platz nicht nur in
den Kommentaren, sondern vorrangig auch in den Nachrichten der SZ und der
sonstigen deutschen Tagespresse hätten finden müssen.
Allerdings gibt es auch da gelinde gesagt einige Widersprüche bei dem Einsatz
gegen den Antisemitismus in der SZ und auch Herr Prantl entwickelte
offensichtlich schon nach kurzer Zeit Angst vor der eigenen Courage -
möglicherweise aufgrund der Reaktion, die sich im Zusammenhang mit den
"Waschkörben" an zustimmender Post zugunsten eines Möllemanns ergaben.
Während Herr Prantl noch am 15.04.02 brandmarkte, "schon lange nicht mehr war
Judenhass, derzeit als Antizionismus verkleidet, in Deutschland so
salonfähig wie heute", so fühlt er sich im selben Artikel verpflichtet, dies
dadurch zu relativieren, dass er von "berechtigter Kritik an Israel"
spricht. Dies steigert sich danach in den folgenden Artikeln und in seiner
Laudatio anlässlich der Verleihung des Ossietzky Preises an Uri Avnery am
06.05.2002 bezeichnet er Avnery als den "guten Israeli", der "einer von
denen (sei), die für ein anderes Israel stehen". Nachdem er also das Israel,
das anders ist als Herr Avnery, als seiner Achse des Bösen zugeordnet hat,
behauptet er auch, Ariel Scharon sei für die Massaker in Sabra und Schatilla
verantwortlich. Dass Scharon eine diesbezügliche Verleumdungsklage in den
Vereinigten Staaten gegen eine dortige Zeitung bereits vor mehr als einem
Jahrzehnt gewonnen hat, kann einen guten Deutschen eben nicht erschüttern.
Nichts versinnbildlicht so sehr die katastrophale Lage in der sich die Juden
und Israel befinden, wie die Tatsache, dass diejenigen, die sich gegen den
Antisemitismus einsetzen sich verpflichtet fühlen, dies dadurch zu
relativieren, dass sie sich danach negativ über Israel äußern. Es bleibe
dahingestellt, inwieweit jüdische Repräsentanten dazu beigetragen haben,
indem sie ständig betonten, dass Kritik an Israel keinesfalls Antisemitismus
sei, so dass man schon gelegentlich den Eindruck gewinnt, manch einer
kritisiere Israel nur um zu beweisen, dass er kein Antisemit sei. Gerade
aber die Nahostberichterstattung der SZ beweist, wie sehr Israelkritik auch
Antisemitismus sein kann, denn die Maßstäbe, die die SZ bei der Kritik
Israels ansetzt, werden bei der Bewertung vergleichbarer Situationen nicht
herangezogen.
Wenn Heribert Prantl in "Juden in Kollektivhaft" vom 17.05.02 erklärt,
Möllemann lade alle Schuld an der Malaise in Nahost allein auf Israel und
Scharon und wenn im SZ Kommentar "der Lonsdale Effekt" über Möllemann
angedeutet wird, er behaupte entschieden für das Existenzrecht Israels
einzustehen, ermutige und verherrliche aber diejenigen, die Israel
vernichten wollen, so ist beim besten Willen nicht erkennbar, worin sich
dieses Verhalten Möllemanns von der Nahostberichterstattung der SZ im
Allgemeinen und den Kommentaren eines Heiko Flottau insbesondere
unterscheiden, bei dem ja bei jeder Gelegenheit die Schuldfrage eindeutig
geklärt ist
Allein die in den letzten Jahren mindestens dreimal explizit wiederholte
Behauptung Flottaus, die Juden Hebrons wären nicht deswegen getötet worden,
weil Sie Juden waren, sondern weil sie Zionisten waren, ist bei weitem
gravierender, als alles, was Möllemann je gesagt hat: Flottau rechtfertigt
damit den Mord an jene Juden, die es wagen für sich und für das jüdische
Volk in Anspruch zu nehmen, was für alle andere Völker eine
Selbstverständlichkeit ist, nämlich Souveränität, eine eigene Heimat und das
Selbstbestimmungsrecht. Es ist kein anderer Fall bekannt, in dem die SZ den
Nationalismus als ein todeswürdiges Verbrechen an sich bezeichnet hat, weder
im Fall des baskischen, des Südtiroler, des arabischen, pakistanischen oder
jedweden anderen Nationalismus. Diese Behauptung Flottaus unterscheidet sich
in nichts von den Behauptungen, die Juden wären nicht ermordet worden, weil
sie Juden waren, sondern weil sie Christus getötet hätten, an der Pest, an
vergifteten Brunnen, am verhexten Vieh, an blutenden Hostien oder an
Ritualmorde schuld wären, weil sie Kapitalisten oder Kommunisten waren oder
weil sie minderwertig wären. Vielleicht wäre es daher angemessener, Herr
Prantl bereinigte vorab die Lage im eigenen Haus, bevor er die Splitter in
den Augen anderer entfernt.
Aus der Rosch Haschana Ausgabe der Zeitschrift des
Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern "Juedisches
Leben in Bayern"
hagalil.com
17-09-02 |