"Zum Beispiel: Was sehen die Deutschen im Kino?":
Eldad Beck zur Berichterstattung über Deutschland im
Ausland
Zehn Auslandskorrespondenten der
internationalen Presse in Deutschland haben am 25. September 2003 in
Berlin das Internationale Image Deutschlands diskutiert. Zu der
Veranstaltung im Deutsche Bank Forum Unter den Linden hatte der
Verband der Presseattachés eingeladen. An der Diskussion beteiligten
sich Journalisten aus Ägypten, Brasilien, China, Israel, Mexiko,
Österreich, Polen, Namibia und der Türkei. Es moderierte Alexander
Wolf vom Botschaftsnetzwerk DasCorps. Im Folgenden der Beitrag des
israelischen Repräsentanten Herrn Eldad Beck. Eldad Beck ist
Korrespondent der größten israelischen Tageszeitung Yediot Aharonot
in Berlin:
"Über Deutschland in Israel zu
berichten ist eine schwierige und sensible Aufgabe. Zuerst einmal
natürlich, aufgrund der Vergangenheit, die für viele Israelis noch
immer ein wichtiger Faktor in der Formulierung eines
Deutschlandbildes ist. Zweitens, wegen des dramatischen Konfliktes
in der Nahostregion. Man hat einfach weniger Platz, um über das
Ausland zu berichten. Und wenn, dann haben die Berichte aus den USA
absolute Priorität, danach kommen Berichte aus Großbritannien,
Frankreich, das hat vielleicht noch mit einer kolonialistischen
Nostalgie zu tun. Danach kommt Russland, - es gibt mehr als 1,5 Mio.
ehemalige Russen in Israel. Erst danach kommt Deutschland.
Obwohl viele Deutsche es glauben, -
oder es zumindest glauben möchten -, bleibt Deutschland – politisch
– ein nicht so wichtiges Land, was das internationale Geschehen
betrifft. Diese Situation ändert sich vielleicht, langsam. Aber
Berlin ist leider noch nicht London oder Paris.
Unter diesen Bedingungen stellt sich
die Frage, über was man überhaupt aus Deutschland berichten sollte?
Wie kann man Deutschland mehr sexy machen? Und warum eigentlich? Für
mich war und ist Deutschland noch immer ein Rätsel. Das macht alles
so spannend. Mit ist aber klar, dass Deutschland zur Zeit einen
wichtigen Prozess, eine fundamentale Transformation, erlebt. Das hat
1989 begonnen und wir sind jetzt mittendrin. Das finde ich absolut
faszinierend. Aber nicht, weil ich glaube, dass die Entwicklung
dieser Transformation unbedingt in einer sehr positive Richtung
steuert.
Es geht um die Entwicklung einer
neu-alten nationalen Identität, die hoffentlich mehr Neues als Altes
in sich birgt. In Deutschland wird heute zukünftige Geschichte
geschrieben: Die deutsche Debatte über das deutsche Leid im Zweiten
Weltkrieg, die Ostalgie, die Debatte über die RAF-Ausstellung, die
wirtschaftlichen und sozialen Krisen. Und, was für uns Juden und
Israelis wichtig ist, die Tatsache, dass in Deutschland heute die
viert größte jüdische Gemeinde in ganz Europa lebt. Unglaublich aber
wahr. Wie gehen die Juden damit um, wie die Israelis, die Deutschen?
Es wäre sehr einfach, aus Deutschland
nur über die Neo-Nazi-Szene zu berichten. Aber das ist nicht das
heutige Deutschland. Es gibt in Deutschland Rassismus,
Antisemitismus, Neo-Nazis. Viele Israelis wären bereit, nur darüber
zu lesen. Deutschland ist aber viel komplexer als dies, und ich
versuche, den Israelis den normalen Alltag in Deutschland zu
vermitteln. Zum Beispiel: Was sehen die Deutschen im Kino? Welche
sind die bekanntesten TV-Serien? Und warum? Was denken die Deutschen
über uns andere? Manchmal geht es um ‚Entklischeeisierung’, um die
Konfrontation der Vorurteile mit der Wahrheit. Zum Beispiel denkt
man noch immer, dass Deutschland ein wirtschaftliches Wunder ist.
Man glaubt auch, dass die Deutschen effizient, pünktlich und genau
sind. Aber wie lange dauert es, bis man eine Telefonleitung bekommt?
Und wann haben Sie zum letzten mal pünktlich mit der Deutschen Bahn
ihr Ziel erreicht?
Dann heißt es, die Deutschen wären
humorlos. Stimmt nicht. Humor ist sicher eine Frage des Geschmacks,
aber im deutschen Fernsehen und in der Kabarettszene gibt es
wunderbar komische Talente. Auch die deutsche Filmindustrie boomt
wieder, und Berlin ist dynamisch.
Natürlich habe ich mit meiner
Berichterstattung einen gewissen Einfluss, wie Menschen in Israel
über Deutschland denken. Aber heute brauchen mich viele Israelis gar
nicht, um sich ein Bild von Deutschland zu machen. Wenn es auch
immer noch viele Israelis gibt, die Deutschland noch immer meiden,
so gibt es doch heute viel mehr, die sich für das Deutschland von
Heute interessieren, die eine Normalität mit Deutschland suchen, die
als Touristen, Studenten, Geschäftsleute hier her kommen.
Zur gleichen Zeit laufen heute in
israelischen Kinos drei deutsche Filme: Good Bye Lenin, Nirgendwo in
Afrika und Solino. Alle drei sind Erfolg-Stories. Sicher, Nirgendwo
in Afrika hat mit unserer Geschichte zu tun, aber was ist mit den
beiden anderen?
Normalität ist keine einfache Sache,
auch für viele Deutsche nicht. Zwei Beispiele:
Diese Woche habe ich ein paar jungen
deutschen Journalisten meinen Bericht über die wirtschaftliche Krise
in Deutschland gezeigt. Es war ein Leitartikel in der
Wirtschaftsbeilage meiner Zeitung. Auf der ersten Seite sieht man
ein großformatiges Bild der Deutschen Bank in Frankfurt. Einer der
deutschen Journalisten hat sofort gefragt: Wieso ein Bild von der
Deutschen Bank, wegen ihrer Vergangenheit im Zweiten Weltkrieg?
Daraufhin musste ich den Deutschen beruhigen und erklären, dass sich
die Fotoredakteure sicher nicht so gut mit diesen Details befasst
haben, und dass die Deutsche Bank einfach die Deutsche Bank ist.
Diese Woche wollte ich über ein Thema
schreiben, das in Deutschland immer banaler wird: Schwulsein. Da gab
es die Affäre in Hamburg und ab dieser Woche läuft im deutschen
Fernsehen eine Serie, die, glaube ich, eine Weltpremiere ist: Ein
schwuler Detektiv als Hauptfigur. Ich wollte beide Ereignisse
aufgreifen und suchte nach mehr Informationen bei Sat1. Dort fiel es
den Mitarbeitern aber wirklich schwer, zu glauben, dass sich ein
israelischer Journalist für so etwas interessiere. Der Artikel wird
nächste Woche in Israel veröffentlicht, und die Redaktion in Tel
Aviv war begeistert."
©
Botschaft des Staates Israel
hagalil.com
29-09-2003 |