Die Debatte um muslimische
Parallelgesellschaften in europäischen Ländern beschäftigt auch die
arabische Presse. In mehreren Artikeln griff zuletzt die in England
herausgegebene und in der arabischen Welt überall vertriebene Zeitung
Al-Hayat das Thema auf und präsentierte Perspektiven, die sich stark von
den hierzulande diskutierten unterscheiden.
In einem Bericht aus Berlin von
Muhammad Al-Masjani geht es dabei auch um Geschichte und Gegenwart
arabischer Migranten in Deutschland. Mit dieser und unserer nächsten
Übersetzung dokumentieren wir zwei Beiträge zu diesem Thema, die in
Al-Hayat vom 13.11.2004 erschienen sind:
"Die Unterdrückung der Frau,
Extremismus und Terrorismus sind Verdachtsmomente, die das Bild der
Araber verdunkeln… Vorurteile erschweren das Leben der Exilanten in
Deutschland"
"Nicht mehr als 300.000
arabische Emigranten leben in Deutschland. Und obwohl die dritte
Generation der Kinder dieser Emigranten sich selbst als gesellschaftlich
integriert betrachtet, ist das Leben dieser jungen Araber nicht ohne
Probleme, die sie daran hindern, sich als positives Element mit den
Verhältnissen in der anderen Gesellschaft zu verbinden. Das gilt
insbesondere nach dem 11. September, als Zweifel begannen, sich ins Bild
von den Arabern zu mischen. Das ging so weit, dass sie als Widerspruch
zum [Gedanken des] gesellschaftlichen Zusammenlebens [...] betrachtet
wurden.
Um mehr über die gegenwärtige
Situation der arabischen Emigranten im vereinten Deutschland zu
erfahren, muss man den Blick zumindest kurz auf die Geschichte der
Araber in diesem […] europäischen Land richten. Die erste Verbindung von
Arabern mit Deutschland geht auf den Beginn des 18. Jahrhunderts zurück
als sie Soldaten in der preußischen Armee waren. Deutschland übte dann
lange nur eine schwache Anziehungskraft auf die arabische Emigration aus
- bis die deutsche Regierung Anfang der 60er Jahre dazu überging,
Abkommen zur Anwerben von Arbeitskräften aus Nordafrika (Marokko und
Tunesien) zu schließen. Sie wurden in verschiedenen zentralen Bereichen
zum Wiederaufbau des im zweiten Weltkrieg zerstörten Landes eingesetzt.
Die in den 50ern und Anfang der 60er angefragten Arbeitskräfte waren die
zweite Welle arabischer Emigration nach Deutschland. Hinzu kamen
Flüchtlinge, die vor Kriegen und politischer Unterdrückung flohen.
Offizielle Statistiken zeigen, dass allein zwischen 1979 und 1990 mehr
als 50.000 libanesische und etwa 20.000 palästinensische Flüchtlinge
nach Deutschland kamen. Seit Mitte der 90er erhöhte sich auch die Zahl
von Flüchtlingen aus dem Irak, von denen eine große Zahl als Ärzte und
Geschäftsleute arbeitete.
Die erste Generation von
Emigranten aus Marokko und Tunesien kam aus wirtschaftlichen Gründen
nach Deutschland. Sie arbeiteten in der Eisen- und Stahlindustrie sowie
in der Bauwirtschaft. Sie hatten ein niedriges Bildungsniveau und
beherrschten die deutsche Sprache nicht, die eigentlich zur Verbindung
und Verständigung [mit der deutschen Gesellschaft] und zur
Selbstverwirklichung erforderlich gewesen wäre. Für die Kinder dieser
ersten Generation waren die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen
zum Besuch weiterführender Schulen und höherer Bildungseinrichtungen
schlecht, weil ihre Eltern die ganze Zeit damit beschäftigt waren, das
zum Leben Nötigste zu beschaffen und an der Vorstellung festhielten, in
die Heimat zurückzukehren.... ein Wunsch, der sich allerdings nie
verwirklichte, weil ihre in Deutschland geborenen und aufgewachsenen
Kinder außer den Erinnerungen an ein paar sommerliche Urlaubstage vom
Land ihrer Väter nichts wissen und es ablehnen, in einer Gesellschaft zu
leben, die zwischen einer verblassten Zivilisation und heimischer Kultur
nach einer Identität sucht.
In den Städten und
Industrieregionen konzentrierten sich die meisten Araber in den so
genannten Brennpunkten mit deren Problemen wie etwa Diebstahl oder
Drogenhandel... Und vor dem Hintergrund dieser sozialen und
wirtschaftlichen Gegebenheiten war die Mehrheit der zweiten Generation
nicht in der Lage, angesehene berufliche Stellungen einzunehmen und
blieb eine niedrige soziale Schicht. Man muss aber wissen, dass es trotz
Problemen wie der aus der schwachen materiellen Situation resultierenden
sozialen Marginalisierung eine nicht geringe Anzahl von Kindern der
zweiten Generation geschafft hat - einige von ihnen haben Universitäten
besucht, freie Berufe ergriffen oder als Sportler geglänzt [...] . Zu
ihnen gehört etwa der Tae-Kwon-Do-Weltmeister von 1995, Aziz Scharqi
[...], der mittlerweile Trainer eines deutsch-marokkanischen Vereines
ist, der sich um den Dialog und Verständnis zwischen den in Bonn
lebenden Nationalitäten kümmert. Auch in der ersten und zweiten
Bundesliga gab es angesehene arabische Spieler wie den frühere
tunesischen Stürmer des SC Freiburg, Adel Selimi, oder den Ägypter Hani
Ramzi, der für Kaiserslautern spielte.
In der Medizin genießen die
Nachkommen der arabischer Emigranten einen guten Ruf. Kaum eine deutsche
Stadt, in der nicht ein arabischer Arzt praktiziert. Deutschland
beherbergt auch den Hauptsitz des 'Verbandes arabischer Ärzte in
Europa', ein repräsentatives Gremium, das unter dem Titel 'Magazin für
den arabischen Arzt' auch ein zweisprachiges Magazin in Deutsch und
Arabisch herausbringt. Dieses konzentriert sich auf wissenschaftliche
Publikationen arabischer Ärzte, in denen es um neueste Entwicklungen in
der medizinischen Praxis geht. Die Vereinigung wurde als NGO Mitglied
bei den Vereinten Nationen - eine große internationale Anerkennung [...]
für diesen einzigartigen Verband. Im politischen Feld jedoch sind in
Deutschland nur sehr wenige arabische Migranten repräsentiert.
Insgesamt unterscheidet sich
die Rolle arabischer Migranten als dynamisches Element in der deutschen
Gesellschaft nicht besonders von derjenigen anderer Ausländergruppen.
Nur, dass sie auf Grund von Vorurteilen, die sich über die Jahre
angehäuft haben und von einigen Medien noch verstärkt werden, stärker
belastet sind und größeren Verdächtigungen ausgesetzt sind. Und wenn wir
uns die Ergebnisse einer Studie des Deutschen Instituts für
internationale Beziehungen über das Bild der Europäer von den
islamischen Gesellschaften ansehen, wird sich das auch so bald nicht
ändern. Das Institut stellte die Frage: "Was fällt Ihnen ein, wenn Sie
das Wort Islam hören?" Die Antwort von drei Viertel der Befragten aus
unterschiedlichen sozialer Schichten lautete, dass der Islam für sie
Unterdrückung der Frau, Extremismus und Terror bedeute!“
THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH
INSTITUTE (MEMRI)
eMail:
memri@memri.de,
URL: www.memri.de
© Copyright by The Middle East Media Research Institute
(MEMRI) - memri.de. Alle Rechte vorbehalten.