Antisemitische und anti-israelische
Haltungen in Deutschland:
Die Strategie des gemeinen Vergleichs
Anat Peri
Adar Primor berichtete in haArez über eine Umfrage,
die der „Spiegel“ durchgeführt hat, und die angeblich beweist, das
„antisemitische und anti-israelische Haltungen in Deutschland nicht
populär sind“. Eine vorsichtige Überprüfung führt jedoch zu weniger
optimistischen Schlußfolgerungen.
Das wichtigste Ergebnis der Umfrage ist, dass 25% der
Befragten die Frage „Sind Sie der Meinung, dass sich das, was Israel
mit den Palästinensern macht, nicht grundsätzlich von dem unterscheidet,
was die Nazis den Juden im Dritten Reich angetan haben?“ mit Ja
beantworten. Ein Viertel der Deutschen glaubt also, dass es keinen
grundlegenden Unterschied zwischen den Israelis und den Nazis gibt.
Prof. Werner Bergmann vom Zentrum für Antisemitismusforschung in Berlin
sagte in einem Interview mit dem „Spiegel“, dies weise eher auf Mitleid
als auf Antisemitismus hin und sei das Ergebnis der Lage im Nahen Osten
und der Bilder im Fernsehen. Bergmann und der „Spiegel“ wollen, dass wir
glauben, die Deutschen könnten das Leid der Palästinenser, das sie auf
den Bildschirmen sehen, nicht ertragen. Ist der Vergleich zwischen
Israel und den Nazis tatsächlich das Ergebnis der Initifada?
Der Vergleich zwischen Juden und Nazis als
antisemitische Strategie wurde bereits in den 80-er Jahren von
Antisemitismusforschern dokumentiert, noch vor der ersten Intifada. Der
Vergleich ist ein gebräuchlicher Weg in Deutschland, sich mit dem
Holocaust auseinanderzusetzen, indem man die Schuld auf die Opfer der
Nazis projiziert. Diese gemeine Strategie begann damit, indem man
Holocaustüberlebenden - zum Beispiel Shimon Wiesenthal und Ignatz Bubis-
vorwarf, mit den Nazis zusammengearbeitet zu haben. Später schloss sich
die nationalistische Rechte dem Trend der neuen Linken an, die ihren
Antisemitismus zum Ausdruck brachte, indem sie Israel als den „Bastard
des amerikanischen Imperialismus“ bezeichnete. Und antisemitische Kreise
von rechts und von linkes behaupteten, Israel verhalte sich zu den
Palästinensern so, wie sich die Nazis zu den Juden verhalten haben.
Die Verbreitung dieses Arguments in Deutschland ist
weitaus gefährlicher als andere antisemitische Erscheinungen. Dieses
Argument ermöglicht es, den Holocaust zu rechtfertigen und die radikale
Rechte zu legitimieren. Der Antisemitismus, der sich auf den Vergleich
zwischen Juden und Nazis stützt, wurde populär, und kürzliche Umfragen
weisen darauf hin, dass es sich um eine langfristige Tendenz handelt,
die den israelisch-palästinensischen Konflikt ausnützt, um die Last der
Schuld am Holocaust loszuwerden.
Als schlagenden Beweis für den Rückgang des
Antisemitismus bringt der „Spiegel“ die Antwort auf die Frage: „Wie
angenehm wäre es Ihnen, einen Juden als Nachbarn zu haben?“ 20% sagten,
sie empfänden es als angenehm, 79% sagten, es sei ihnen egal. Nur 1%
sagte, es wäre unangenehm. Jeder Jude, der zwischen Deutschen wohnt,
kennt jedoch das erschrockene Gesicht, das der Erklärung, Jude zu sein,
folgt, und die begleitende Bemerkung „Das ist mir egal“, die auf das
Unbehagen und das Schuldgefühl hinweist, die der deutsche
Durchschnittsantisemit beim Treffen mit einem Juden empfindet.
71% haben auch tatsächlich zugegeben, dass sich viele „nicht
trauen, ihre echte Meinung über Juden zu sagen“, eine Antwort, die
uns zeigt, wie wir die Ergebnisse der Umfrage deuten sollten. Vielleicht
meinen die 79%, die sagten, es sei ihnen egal, einen jüdischen Nachbarn
zu haben, eigentlich, dass sie in Wirklichkeit keinen jüdischen Nachbarn
wollen, sich jedoch schämen, dies zuzugeben? Diejenigen, die zugaben, es
wäre ihnen unangenehm, einen jüdischen Nachbarn zu haben, sind nicht
unbedingt Antisemiten des harten Schlags. Es sind altmodische Deutsche,
die noch nicht gelernt haben, wie man Antisemit sein kann und dennoch
gut aussieht. Wie man sagt, dass man nichts gegen jüdische Nachbarn hat,
jedoch furchtbar schockiert darüber ist, was die Juden den
Palästinensern antun.
Wenn es Raum für vorsichtigen Optimismus gibt, dann ist
dies bei der Analyse der Haltung der Parteien. Der große Rückgang in den
feindseligen Haltungen gegenüber Juden und Israel setzte im letzten
Jahrzehnt in der deutschen Linken ein, bei den Befürwortern der
Sozialisten, der Grünen und der Kommunisten. Ein gewisser Rückgang lässt
sich auch bei den Christdemokraten feststellen. Wer sich an die große
Feindseligkeit der deutschen Linken während des Golfkriegs erinnert, der
kann die Bedeutung dieser Veränderung nicht ignorieren.
Ich begründe die deutliche Verbesserung der Haltung der
Linken gegenüber Juden und Israel mit der beunruhigenden Stärkung der
radikalen und antisemitischen Rechten in Deutschland und Österreich.
Wenn der brutale Antisemitismus mit der radikalen Rechten identifiziert
wird, neigen die Linke und die gemäßigte Rechte dazu, sich davon zu
distanzieren. Der Kampf gegen Antisemitismus muss sich jetzt auf die
Verurteilung der Vergleiche zwischen Israel und dem Dritten Reich
konzentrieren, die, weil sie bei den meisten Deutschen nicht als
antisemitisch gelten, immer verbreiteter werden.
haGalil onLine 21-06-2002 |