 |
Grußwort zu Rosch haSchanah 5763 von
Claudia Roth, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen
„Israel ist ein vom Terror
geplagtes Land“ |
Liebe Leserinnen und Leser,
zum neuen Jahr wünsche ich Ihnen alles erdenklich
Gute. Gemeinsam wünsche ich uns, dass das neue Jahr friedlicher
verläuft als das vergangene. Denn dies ist die wohl bittere Bilanz
der vergangenen zwölf Monate, dass die Welt nicht zur Ruhe kommt und
das neue Jahrhundert schon jetzt durch Gewalt geprägt zu sein
scheint. In wenigen Tagen werden wir zum ersten mal der Opfer des
Attentates auf das World-Trade Centre gedenken. Jahrestage dienen
dem Erinnern, der Rückschau und Besinnung. Für eine Bilanz der
Konsequenzen des 11. September ist es freilich noch zu früh. Mit dem
11. September ist auch der Nahost-Konflikt wieder stärker ins
öffentliche Blickfeld gerückt. Nicht nur weil auch Israel ein schon
seit langem von Terror geplagtes Land ist, sondern weil jeder Kampf
gegen den Terror mehr oder weniger mit dem Nahost-Konflikt verbunden
ist. Auch dort haben die vergangenen Monate alles andere als
Hoffnung begründet. Nicht nur Frieden scheint entfernter denn je zu
sein, auch eine politische Lösung rückt in immer weitere Ferne.
Radikale Kräfte auf beiden Seiten stehen sich unversöhnlich
gegenüber, und bombardieren - im wahrsten Sinne des Wortes - jeden
Schritt, der auf eine politische Lösung hindeuten könnte.
Deutschland hat mit seinem Außenminister in den
vergangenen Jahren sein Engagement erheblich gesteigert, um an einer
Lösung dieses schwierigen Konfliktes im Rahmen eines europäischen
Vorgehens mitzuarbeiten. Und so wünsche ich mir für das kommende
Jahr, dass Europas Engagement für eine politische Lösung weitergeht.
Und ich wünsche mir, dass diejenigen Kräfte in der Region an Gewicht
gewinnen, die sich für einen friedlichen Ausgleich einsetzen. Dass
es diese Kräfte und Ansätze gibt, stimmt hoffnungsfroh.
Es geht auch ein Jahr zu Ende, das im Hinblick auf
jüdisches Leben in Deutschland einen traurigen Höhepunkt bildete.
Wieder einmal wurde schmerzlich ins Bewußtsein gerufen, dass
Antisemitismus in unserer Gesellschaft immer noch nicht überwunden
ist und es leider einen relativ dauerhaften Bodensatz an Vorurteilen
gibt. Eine neue und bittere Erfahrung war, dass erstmals wieder mit
antisemitischen Ressentiments Politik gemacht wurde - aus der Mitte
der Gesellschaft heraus. Aber die heftigen Diskussion in Deutschland
zeigen auch, dass sich die Mehrheit der Menschen dem entgegenstellt,
so dass sich jüdische Bürgerinnen und Bürger nicht bedroht fühlen
müssen.
Es bleibt zu hoffen, dass das neue Jahr ein
besseres, ein gutes Jahr wird für Israel, für die Menschen in Nahost
und für jüdisches Leben in Deutschland und weltweit. Nur gemeinsam
können wir daran arbeiten, unser Land weltoffener und toleranter zu
gestalten und friedensliebenden Kräften in Israel und Palästina
unsere Solidarität und Hilfe zuteil werden lassen. Ich wünsche Ihnen
eine gutes neues Jahr.
Claudia Roth
Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen
hagalil.com
23-08-02 |