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MEMRI Special Dispatch - 23. Juni 2004

Al-Quds Al-Arabi:
Die Kritik am deutschen 'Zentrum gegen Vertreibungen'

Die Debatten in Deutschland um das umstrittene 'Zentrum gegen Vertreibungen' und die Erinnerung an deutsche Opfer des Zweiten Weltkrieges greift ein Beitrag der in London herausgegebenen arabischen Tageszeitung Al-Quds Al-Arabi auf. Der Autor, Subhi Hadidi [1], nutzt die Debatte dazu, um "weltweiten zionistischen Kreisen" unter anderem vorzuwerfen, den Deutschen die Erinnerung an ihre Opfer verbieten zu wollen. Hadidi attackiert dabei Elie Wiesel und würdigt Erika Steinbach. Der Artikel erschien am 18. Juni 2004:

"Deutschland und der Zionismus: Eine neue Runde in der Monopolisierung des Opferstatus

Über eine Erinnerungspolitik, die den Unterschied zwischen Hitler und Churchill verschwimmen lässt

Was ist schlecht daran, wenn die deutsche Nation ihre Opfer (unbewaffnete und unschuldige Zivilisten) ehrt, die im Zweiten Weltkrieg fielen? Warum sollte es eine Sünde sein, ein Dokumentationszentrum und ein historisches Museum zu gründen, um an die Einzelheiten dieser schrecklichen Ereignisse zu erinnern und sie in das kollektive Gedächtnis einzuschreiben? Zählt ein solches Projekt denn nicht zum Kern der nationalen Rechte eines jeden Volkes – ja, gehört es nicht sogar zu den unbedingten Pflichten aller Völker gegenüber ihrer Geschichte?

[Betrachtet man ihre] skandalösen Einwände, sehen die weltweiten zionistischen Kreise das offenbar anders. Zur Zeit greifen sie das Projekt jedenfalls scharf an. Insbesondere zielen sie dabei auf Erika Steinbach, jene herausragende deutsche Politikerin und Präsidentin des 'Bundes der Vertriebenen', der sich um die Angelegenheiten von Millionen aus ihrer Heimat Vertriebener kümmert – nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt. Man kann sich leicht vorstellen, dass der Grund für den zionistischen Zorn nicht nur in der alten Geschichte, also dem alleinigen Monopolanspruch auf weltweite Opferfragen und dem Zerkauen und Herunterspielen jeglicher anderer Opfer liegt, sondern auch – wenn möglich - in der Abwertung ihres Leidens.

Betrachten wir zum Beispiel, was der israelische Historiker Gilad Margalit in der gestrigen Ausgabe der Zeitung Ha'aretz schrieb: 'Es ist das Ziel konservativer deutscher Kreise, einen Gedenktag einzurichten, um die Nazizeit in Erinnerung zu rufen – eine Erinnerung jedoch, die befreit ist von den Perspektiven der anklagenden jüdischen Opfer und der Siegermächte. Und auch wenn dies nicht den Grad einer Holocaust-Leugnung erreicht, so stellt es doch zweifellos den Holocaust auf eine Stufe mit den Verfolgungen, denen die Deutschen ausgesetzt waren'! Margalit (der noch zu den liberalen Historikern [Israels] zählt!) wählte eine erstaunliche Überschrift für seinen Artikel: "Die Zunahme der Leiden der Deutschen". Dabei setzte er das Wort 'Leiden’ in Anführungszeichen, um die Angemessenheit dieses Begriffs oder gar die Existenz deutscher Leiden überhaupt in Zweifel zu stellen!

Historische Tatsache ist aber, dass die Bürger deutscher Abstammung nach dem Zweiten Weltkrieg in folgender Anzahl aus den Ländern, in denen sie lebten und deren Staatsangehörigkeit sie besaßen, vertrieben wurden: 2-3,5 Millionen aus Polen, 2,3 Millionen aus der Tschechoslowakei, eine knappe Million aus der Sowjetunion, 400.000 aus Ungarn, 300.000 aus Rumänien und fast eine Million aus verschiedenen [weiteren] Regionen Osteuropas. Und das ist noch niedrig geschätzt – der 'Bund der Vertriebenen' spricht von 15 Millionen Deutschen!

Haben diese denn etwa kein Recht auf Erinnerung, nur weil [es die Befürchtung gibt, dass] man dann auch wie im Fall der Juden über Entschädigungen und Rehabilitierung sprechen muss? Es sieht nicht so aus, als würde Margalit dieser einfachen Folgerung zustimmen, denn er […] unterstellt Erika Steinbach, dass diese eher die Erinnerung an den Holocaust schwächen als das Gedenken an die deutschen Opfer stärken wolle. Dabei stellt doch das Projekt für ein 'Zentrum gegen Vertreibung' die Juden an die Spitze der Opfer von Unmenschlichkeiten.

Zudem besteht [Margalit] insbesondere darauf, dass Steinbachs Haltung insofern 'extrem' sei, als ihr zufolge die Vertreibung der Deutschen [schon] vor dem Krieg geplant worden sei und man sie daher nicht als ein Verbrechen betrachten könne, das [direkt] aus dem Krieg gegen die Nazis resultierte, sondern als Verbrechen an sich. Mehr noch: Steinbach gibt an, klare Beweise dafür zu haben, dass 2,5 Millionen vertriebener Deutscher Folter, Zwangsarbeit und Vergewaltigung erlitten hätten.

Ein weiteres "Kapitel" dieser Tragödie stellt die barbarische Bombardierung von deutschen Städten, Dörfern und Einrichtungen durch die Alliierten dar - als ob diese nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches das deutsche Volk selbst bestrafen wollten.

In diesem Kampf stehen der 'Bund der Vertriebenen' oder die konservativen deutschen Kreise nicht allein, wie Margalit behauptet. Der Kernaussage ihrer Kampagnen schließen sich auch Linke wie der Nobelpreisträger Günther Grass oder Liberale wie Hans-Dietrich Genscher und Jörg Friedrich an, der einen illustrierten Band über die Bombardierung Deutschlands verfasste, in dem er die Ansicht vertritt, dass es keinen moralischen Unterschied zwischen Winston Churchill und Adolf Hitler gebe!

Ist das nun eine extreme Position, die zu weit geht? Vielleicht. Allerdings geben die Bilder von den Bombardierungen nicht [gerade] Anlass zur Mäßigkeit. Und auch die folgende Erklärung von Churchill 1944 vor dem britischen Unterhaus lässt nicht viel übrig vom Vorwurf, [Friedrich] würde den moralischen Unterschied zwischen Hitler und Churchill verwischen: "Die Vertreibung ist der einzige befriedigende und dauerhafte Weg. Es wird dort dann keine Vermischung von Bevölkerungen [mehr] geben, die [doch nur] zu endlosen Schwierigkeiten führt. Wir werden gründlich ausfegen und Transfairschübe stören mich dabei ganz und gar nicht!"

Margalits Position erinnert uns an eine andere, wesentlich berühmtere Meinung – nicht wegen der Sache, sondern weil ihr Vertreter eine Institution, Träger des Friedensnobelpreises und quasi alleiniger Beauftragter in Sachen Holocaust-Gedenken ist: Elie Wiesel. Wiesel ist - für die, die ihn nicht kennen - Journalist, Schriftsteller und Universitätsprofessor. Doch keinen Titel schätzt er mehr […] als den des Bevollmächtigten [orig.: 'amid] der jüdischen Opfer des Holocaust, Verwalter ihrer weltlichen und geistlichen Angelegenheiten und derjenige, der das entscheidende Wort in allem hat, was mit der Geschichte des Holocaust zusammenhängt. Geboren 1928 in Rumänien, wurde Wiesel zusammen mit anderen jüdischen Familien 1944 nach Auschwitz deportiert und ist einer der wenigen Überlebenden. Er lebte in Paris und New York und arbeitete als Korrespondent für die israelische Zeitung 'Yedioth Ahronoth'. 1963 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft und lehrte an der Universität. 1986 erhielt er schließlich den Friedensnobelpreis. In seinen Erzählungen und Artikeln trug Wiesel immer wieder seine Erinnerungen an die Jahre der Konzentrationslager zusammen und schrieb seine Autobiographie … tatsächlich mehr als einmal.

Vor einigen Jahren, während seiner Karriere als einziger Siegelbewahrer der Tragödie des Holocaust, wandte sich Elie Wiesel gegen jeglichen Vergleich zwischen den Körpern, die in Sarajevo zusammenbrachen und verbrannten und jenen, die in Auschwitz zusammenbrachen und verbrannten. Ja, er lehnte sogar den Gebrauch der (eigentlich blassen!) Metapher vom "neuen Holocaust" oder "neuen Auschwitz" für die Ruhmestaten der Serben in Bosnien und Herzegowina ab. Und um auch jeden Zweifel auszuräumen, reiste er nach Sarajevo und beschwor die Journalisten, sich dieser […] schleichenden 'Verwischung' der heiligen Termini zu enthalten.

Es geht dabei nicht darum, dass er die ganze Tragödie dessen, was dort geschah und geschieht nicht erkennen würde. Aber die Logik ist seiner Überzeugung nach ganz einfach: 'Auschwitz bleibt einzigartig in der Geschichte, weil es um die völlige Vernichtung eines Volkes bis zum letzten Kind, zur letzten Familie, zum letzten Individuum ging. Niemand aber wird überzeugend darlegen können, dass Radovan Karadzic und Ratko Mladic – bei all ihrer Härte – darauf aus waren, die Muslime restlos zu vernichten.' Wiesel unterlief hier jedoch ein bezeichnender Lapsus, als er die jüdischen Opfer als 'Volk' und die bosnischen als 'Muslime' bezeichnete. […]

In seinem Buch 'Alle Flüsse fliessen ins Meer - Autobiographie' greift Wiesel mit neuen Anklagen auch eine lange Liste von Juden an, die Mitgefühl mit den kaum vorstellbaren Leiden der Palästinenser unter der Besatzung und nach Oslo I und II haben. Eines seiner Opfer ist Jean Daniel, der bekannte französisch-jüdische Journalist und Herausgeber der Wochenzeitung "Le Nouvel Oberservateur", weil dieser [so Wiesel] 'fortwährend und sogar in diesen schwierigen Tagen den hebräischen Staat kritisiert' (!). Das ist für Wiesel die größte Sünde.

[…] Daniels Zorn [über die Anschuldigungen Wiesels] erreichte seinen Höhepunkt, als er den Vorwurf von sich wies, er würde das jüdische Opfergefühl, das jüdische Brandopfer und die jüdische Tragödie als eine unvergleichliche Tragödie gering schätzen: 'Wiesel möchte uns glauben machen, er sei immer noch in einem Konzentrationslager, immer noch Opfer von Unterdrückung und Verfolgung und dass das Leben seine Schmerzen niemals gelindert und sein Schmerz niemals irgendeine Anerkennung oder Würdigung erfahren habe. Er möchte uns glauben machen, dass der Lehrstuhl in Harvard, die Verleihung des höchsten amerikanischen Literaturpreises […], der Friedensnobelpreis und die engen Freundschaften mit den Präsidenten Frankreichs und der USA, sein weltweiter Ruhm und sein großer Einfluss […] - dass all dies nur [… unwesentlich und zufällig ist]!"

Schlussendlich und unabhängig von Einzelmeinungen wie der von Gilad Margalit und Elie Wiesel folgt die Haltung der zionistischen Kreise gegenüber der deutschen Nation doch dem immer gleichen klassischen Muster und bleibt getrübt von vielen Fragen. Und die große Frage ist immer noch: 'Wie konnte es einer so großartigen Nation, die Goethe und Schiller hervorgebracht hatte, beschieden sein, solche Massaker zu verüben?'

Die Erklärungsansätze sind vielfältig und gehen in verschiedene Richtungen. Der eigenartigste von ihnen ist jene religiös-fundamentalistische jüdische Interpretation, die den Holocaust auf die Idee von der Zerstörung des Tempels und den ewigen Hass zwischen dem Juden[-tum] und dem verbreiteten Heiden[-tum] zurückführt. Der britische Historiker A. B. Taylor sieht die Wurzeln des Dritten Reiches bei Martin Luther (obgleich es doch Luther war, der das Alte und das Neue Testament zusammenführte, um die westliche Theologie in Gestalt eines gemeinsamen jüdisch-christlichen Erbes zu vereinheitlichen). Der deutsche [Historiker] Hans-Ulrich Wehler ist der Ansicht, dass sich Deutschland seit Ende des 18. Jahrhunderts auf einen Weg begeben hatte, der sich von dem der anderen europäischen Nationen (Frankreich und Großbritannien) unterschied und infolgedessen eine Reihe spezifischer Eigenschaften entwickelte, die den gesellschaftlichen, philosophischen, politischen und ideologischen Rahmen für die Geburt des Nazismus schufen. Die Marxisten betrachteten den Holocaust lediglich als eine besondere Spielart des europäischen Faschismus, der seinerseits nur ein Teil der inneren Struktur des kapitalistischen Systems selbst darstelle. Und die jüdische Intellektuelle Hannah Arendt sah den Holocaust als besonders schmerzlichen Teil eines breiten totalitären Erbes an, das den Nazismus ebenso wie den stalinistischen Kommunismus und den barbarischen Kapitalismus umfasst.

Alle diese Ansätze stimmen jedoch in zwei Punkten überein: [Erstens], dass der Holocaust im europäisch-christlichen Antisemitismus wurzelt, der in der […] Theologie des Mittelalters seinen Anfang nahm und sich dann in soziale, kulturelle und wirtschaftliche Ressentiments gegenüber der jüdischen Identität insgesamt transformierte. [Zweitens] besteht [Übereinstimmung] darin, dass Deutschland keine besondere Form dieses Erbes entwickelte, sondern vielleicht sogar das Gegenteil der Fall ist - wenn man etwa die breite Bewegung zur Befreiung der Juden im Preußen des 18. Jahrhunderts, die große Anzahl der im engen Kreis um Bismarck aktiven jüdischen Persönlichkeiten und die besondere Bedeutung berücksichtigt, die jüdische Intellektuelle auf den verschiedenen Gebieten des geistigen, kulturellen, wissenschaftlichen und finanziellen Lebens in ganz Deutschland und besonders in Berlin gewannen.

Die weltweite zionistische Haltung, die der deutschen Nation ihr Recht auf Ehrung ihrer Opfer streitig machen will, führt lediglich dazu, mehr Öl auf dasselbe alte Feuer zu gießen, das den Antisemitismus in Europa nährte und den Holocaust ermöglichte. Das Feuer, das solange nicht zu erlischen scheint, bis nur noch die Asche übrig ist!"

Anmerkungen:
[1] Subhi Hadidi ist ein syrischer Autor, der in Paris lebt. Mehr von ihm bei MEMRI unter http://www.memri.de/uebersetzungen_analysen/laender/
syrien_libanon_jordanien/syr_hadidi_13_01_04.html, wo er auf der Website der oppositionellen Syrischen Kommunistischen Partei die offizielle syrische Pressepolitik kritisierte. Außerdem rechtfertigte Subhi (http://www.memri.de/uebersetzungen_analysen/themen/
islamistische_ideologie/isl_suicide_III_26_07_01.html ) in Al-Quds Al-Arabi Selbstmordattentate in Israel.
[2] Der israelische Historiker Gilad Margalit beschäftigt sich mit deutscher Erinnerungspolitik in Ost und West und hat auf Deutsch u.a. veröffentlicht: Die Nachkriegsdeutschen und 'ihre Zigeuner' (Berlin 2001).

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hagalil.com 24-06-04

 

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