MEMRI Special Dispatch, 14.
November 2003
Kritik:
Jemenitischer Autor über Hass auf die USA in arabischen
Medien
Die Aussage von Abd Al-Bari
Atwan, Chefredakteur der in London erscheinenden Tageszeitung Al-Quds
Al-Arabi, der die USA für den Hass, der ihnen in der arabischen Welt
entgegengebracht wird, selbst verantwortlich macht [1], hat in der
arabischen Presse eine Debatte entfacht. Munir Al-Marawi, ein
jemenitischer Journalist und Kolumnist für die ebenfalls in London
herausgegebene Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat, hat verschiedene Artikel
veröffentlicht, die sich mit dem Vorwurf Atwans auseinandersetzen. Im
Folgenden dokumentieren wir Auszüge aus zwei Beiträgen von Al-Marawi:
In der kuwaitischen
Tageszeitung Al-Siyassa [2] veröffentlichte Munir Al-Mawari einen
Artikel unter dem Titel:
"Falsche Erklärungen für den
wachsenden arabischen Hass auf Amerika"
"Glücklicherweise hat das von
den USA ernannte Komitee, das die Wurzeln des arabischen Hasses
gegenüber den USA untersuchen soll [s. MEMRI,1.10.2003], sich nicht an
Abd Al-Bari Atwan und andere Journalisten und Intellektuelle seiner Art
gewandt. Indem diese nämlich tagein tagaus Lügen und Fehlinformationen
verbreiten, sind sie zu einem großen Teil selbst für das Aufflammen des
Hasses auf die USA unter den einfachen Leuten verantwortlich.
Der Abd Al-Bari Atwan, der bei
CNN auftritt, ist ein ganz anderer, als der Abd Al Bari Atwan, der auf
Al-Jazeera spricht oder in Al-Quds Al-Arabi schreibt. Auf CNN sprach
Atwan ernsthaft, beherrscht und legt eine rational begründete und
ausgewogene Meinung an den Tag. Das steht im kompletten Gegensatz zu
seinen wutschäumenden Auftritten auf Al-Jazzera und in der Al-Quds
Al-Arabi, bei denen er die Emotionen vieler Zuschauer und Leser in
Wallungen bringt.
Abd Al-Bari Atwan ist also Teil
des Problems [...]. Unser Problem ist, dass wir nicht allein Amerika
hassen – vielmehr sind unsere eigenen Gesellschaften hasserfüllte
Gesellschaften. Wir werden dazu erzogen, uns gegenseitig zu hassen noch
bevor wir andere hassen. So hasst der Jordanier den Palästinenser, der
Jemenit den Saudi und der Sudanese den Ägypter [...] wie der Algerier
den Marrokaner und der Tunesier den Libyer und so weiter und so fort.
Darüber hinaus sind unsere Gesellschaften auch noch gescheiterte
Gesellschaften.
Den USA ist bewusst geworden,
dass sie [lange Zeit] korrupte und terroristische arabische Regime
unterstützt haben, die einen fruchtbaren Boden für Armut und Terror
bildeten. Aus diesem Grund hat Washington angefangen, seine Politik zu
ändern und sich mehr den Bevölkerungen als ihren Regierungen zuzuwenden
– in der Hoffnung, dass diese sich selbst entwickeln und sich ihrer
korrupten Regime selbst entledigen könnten. In unserer Kultur gehen aber
unglücklicherweise Dummheit und Armut Hand in Hand; und anstatt von der
Annäherung ihrer eigenen Interessen an die Interessen der größten
Supermacht zu profitieren, verhalten sich die Araber feindlich gegenüber
Amerika.
Die Araber müssen die
Demokratie schon wollen
Abd Al-Bari Atwan sagt, dass die USA der Welt zwar Modell gestanden haben
für Gleichheit, Menschenrechte, unabhängige Justizbehörden und
demokratische Institutionen, aber immer darauf bedacht gewesen wären,
den Arabern und Muslimen diese Errungenschaften vorzuenthalten[...].
Amerika, mein lieber Herr Abd Al-Bari, ist aber nicht Gott und kann kein
Volk daran hindern, zu atmen und zu leben. Die Araber müssen diese
Errungenschaften schon selber verwirklichen wollen […]. Die Demokratie
ist keine Ware, die die USA exportieren oder verschenken kann.
Außerdem fragt sich Atwan wie US-Präsident Bush auf dem Akaba-Gipfel dafür
plädieren konnte, die jüdische Identität des Staates Israel zu bewahren
[...] und damit – obwohl die USA doch selbst ein ethnisch, religiös und
kulturell pluralistisches Land seien – einen rassistischen Staat, der
noch im 21. Jahrhundert religiös legitimiert sei, unterstützen könne
[…].
Die Antwort lautet, dass die USA Israel nicht unterstützen, weil es ein
jüdischer Staat ist, sondern weil es Israel verstanden hat, seine
Existenz mit den übergeordneten nationalen amerikanischen Interessen zu
verbinden. Bei uns, mein Freund, gibt es 22 religiös legitimierte
Staaten. Abgesehen von einem sieht in allen diesen Staaten die
Verfassung den Islam als Staatsreligion und die Schari´a als Hauptquelle
der Gesetzgebung vor. Trotzdem kooperieren die USA mit uns. Tatsache ist
doch, dass Israel demokratischer als jeder arabische Staat ist und dass
die Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft weitaus weniger zu
leiden haben als die Araber in all ihren einzelnen arabischen Staaten
[...].
Die USA werden den Irak
wiederaufbauen
Atwan fragt sich weiterhin, wie die amerikanische Regierung einen Krieg
gegen ein seit mehr als zehn Jahren belagertes Land [...] mit der Lüge
über [die Existenz] von Massenvernichtungswaffen rechtfertigen kann,
obwohl die westliche Zivilisation doch auf dem Prinzip der Ehrlichkeit
beruhe.
Mein lieber Herr Atwan, der Irak hatte es gar nicht nötig seine
Massenvernichtungswaffen zu verstecken, weil Saddam Hussein und sein
begrabenes Regime selbst die größte Massenvernichtungswaffe war. Diese
Waffe wurde nun zerstört. Die Massengräber sind ein überwältigender
Beweis, dass dieses Regime ein Massenvernichtungsregime war. Die
Amerikaner konnten nicht riskieren, Saddam Hussein wegen einer gewissen
Wahrscheinlichkeit, dass er vielleicht doch keine
Massenvernichtungswaffen besaß, an der Macht zu lassen, wo er solche
doch schon gegen sein eigenes Volk und gegen den Iran eingesetzt hatte.
[...]
Atwan behauptet, die USA hätten die weltweit größte Erfahrung […] darin,
Zerstörung zu verbreiten und auf der anderen Seite wären sie die größten
Versager wenn es um die Verbreitung von Wohlstand und Frieden ginge.
Kein Land, in dem die USA intervenierten, so Atwan, das sie nicht
zerrüttet hinterlassen hätten - siehe Somalia, Afghanistan und jetzt im
Irak. Es sei auch kein Zufall, so Atwan, dass all diese Staaten
islamisch seien.
Aber Herr Atwan, die Geschichte lehrt uns doch vielmehr, dass es niemals
ein Land gab, in das die USA intervenierte, welches nicht
wiederaufgebaut wurde. […] Warum bringen Sie nicht einen Beweis aus der
Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg an, wie Japan, Deutschland und
Frankreich? [...] Japan und Deutschland haben sich nicht über die
amerikanische Besetzung beklagt, weil sie begriffen, dass die
Anwesenheit der Amerikaner letztlich den Interessen ihrer Bevölkerungen
diente. [...] [Für Afghanistan] reicht es aus zu sagen, dass dort mit
den Taliban das schlimmste theokratische Regime der menschlichen
Geschichte von der Karte radiert wurde und [im Irak] wurde uns der Dolch
des schrecklichsten arabischen Regimes unseres Zeitalters von der Kehle
genommen. Dem Irak steht jetzt viel unspektakuläre Arbeit bevor; und
bald schon werden die Resultate zu sehen sein [...].
Wir müssen endlich Israels
Existenz akzeptieren
Laut Atwan tritt die amerikanische Regierung, [...] gegen die Verbreitung
und für die Zerstörung von Massenvernichtungswaffen ein, und vergesse
dabei, dass die USA der einzige Staat sind, der in Hiroshima und
Nagasaki jemals Massenvernichtungswaffen eingesetzt hat [...]. Und
während die USA es Israel, das Gebiete mehrerer arabischer Staaten
besetzt halte, erlaube, diese Waffen zu besitzen, drohten sie dem Irak,
Iran und Syrien, auch nur daran zu denken. [...]
Die Gefahr von Massenvernichtungswaffen besteht aber doch darin, dass
diese möglicherweise in die Hände rücksichtsloser Regimes oder
Terrorgruppen gelangen. [...] Die USA besitzen ein großes Arsenal von
Massenvernichtungswaffen, die sie aber seit dem Zweiten Weltkrieg nicht
mehr verwendet haben. Im Gegensatz dazu haben wir, die arabischen
Länder, gedroht, die Hälfte des Staates Israels zu zerstören, wenn wir
nur wenige solcher Waffen hätten und nachdem wir sie gegen unsere
arabischen Brüder verwendet haben. [...] Was würde passieren, wenn wir
wirklich Massenvernichtungswaffen zur Verfügung hätten? Mit dem Hass,
der uns gegen uns selbst und gegen die ganze Welt erfüllt, würden wir
vielleicht den gesamten Planeten zerstören. [...]
Auch sagt Atwan, dass die USA der einzige Staat seien, der ganz und gar
hinter dem ´Feind´ [Israel] stehe. […] [Kredite in Milliardenhöhe]
würden es dem ´hebräischen Staat´ ermöglichen Hamas-Führer zu ermorden,
die Westbank erneut zu besetzen, die rassistische Mauer zu errichten und
palästinensische Häuser zu zerstören.
Aber mein Lieber, wenn die USA nicht Scharon Einhalt geboten hätte, hätte
der Arafat und die korrupte Regierung an seiner Seite längst ausgewiesen
[…]. Und wenn nicht die Selbstmordattentate und [andere] idiotische
Verhaltensweisen wären, dann hätten die USA den Palästinensern ihre
Wünsche schon erfüllt auch wenn es Israel nicht passt. Ein Anruf von
Powell bei Scharon kann erreichen, was sieben arabische Armeen nie
vermögen würden. Aber wir fordern zu viel, wenn wir von den USA
erwarten, dass sie Palästina für uns befreien und Israel ins Meer
werfen. So lange wir nicht tief in uns die Existenz von Israel
akzeptiert haben, werden wir weiterhin einem Trugbild nachjagen."
Auf Atwans Behauptung, dass die arabischen Satellitensender unter einem
ernsthaften Mangel an Stimmen und Personen leiden, die gewillt wären,
die USA zu verteidigen, weil sie eben nicht verteidigungswürdig sind,
antwortete Al-Marawi: "Es gibt diese Stimmen, – aber wer gibt ihnen die
Gelegenheit dazu in einem arabischen Mediendschungel, der von
Extremisten oder von solchen beherrscht wird, die diese fürchten? [...]"
"[Aber] der 11. September […] wird zum Verhängnis der Extremisten, denn
zum ersten Mal jagt Amerika die Terroristen in Afghanistan und dem Irak
in ihrem eigenen Land. Begreifen die restlichen Extremisten und ihre
geistigen Unterstützer aus den Reihen der politischen Flügel und der
Medien des Terrorismus dies und beginnen mit der Veränderung, bevor es
zu spät ist?"
In einem anderen Artikel in Al-Sharq Al-Awsat [3] schrieb Al-Mawari unter
dem Titel:
"Die Neo-Reaktionäre
überschwemmen die arabische Welt"
"Seit dem Niedergang der UdSSR irren die arabischen Linken herum auf der
Suche nach einem neuen Weg. Nur wenige von ihnen mögen sich derzeit auf
die Seite der linken Genossen im Westen schlagen und so springt die
Mehrheit zurück auf den Zug des schrecklichen religiösen Extremismus –
[…] ein Weg, der vielleicht in den Tod führt. [...]
Die arabischen Nationalisten und Sozialisten halten wie in den 50ern und
60ern an der Feindseligkeit gegenüber dem Westen und ihren
Beschimpfungen gegen die USA fest und vergessen [...] die gemeinsame
Grundlage, die sie an die [westliche] Kultur, die Zivilgesellschaft, die
Moderne und den Fortschritt bindet. Diese Leute haben […]auf der
Grundlage eines gemeinsamen Feindes, den USA, einen Vertrag mit
Reaktionären, mit Rückwärtsgewandtheit, Extremismus und den Anhängern
der Selbstmordideologie geschlossen. […]
Auf der anderen Seite haben die Amerikaner […] nach dem 11. September
realisiert, dass Extremismus und Rückwärtsgewandtheit nicht zwischen
Arabern und Amerikanern, Indern und Brasilianern unterscheidet. Die
Gefahr betrifft alle und sie auszuschalten ist eine Notwendigkeit für
die gesamte Weltbevölkerung. […] Gut an den Amerikanern ist, dass sie
aus Erfahrungen lernen und ihre Politik den jeweiligen Realitäten
anpassen. Die Araber können sich glücklich schätzen, dass die
Neokonservativen, das heißt die früheren Liberalen, die Politik
bestimmen. Es scheint als hätten die Neokonservativen verstanden, dass
die vorherige amerikanische Außenpolitik zur Stärkung der Extremisten
und zu einer Dekonstruktion der aufgeklärten Kräfte in der arabischen
Welt geführt hat. Aus diesem Grund haben sie die alte Politik verändert.
[...] Und wenn sich die arabischen Nationalisten und Sozialisten einmal
umschauen würden, würden sie erkennen, dass die Gefahr nicht aus den USA
und nicht von den Neokonservativen kommt, sondern ganz in ihrer Nähe ist
– bei den Organisationen und politischen Flügeln des Terrorismus, denen
sie sich versuchen anzunähern und mit denen sie versuchen, Bündnisse
gegen die angebliche Gefahr zu schließen."
[1] Al-Quds Al-Arabi (London), 3. Oktober 2003.
[2] Al-Siyassa (Kuwait), 3. Oktober 2003.
[3] Al-Sharq Al-Awsat (London), 5. Oktober 2003.
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19-11-03 |