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MEMRI Special Dispatch - 16. Mai 2003

"Fundamental wirksame Kraft":
Über die arabische Sucht nach Rache

In einem Artikel, der Ende März auf der liberalen Website Elaph (1) erschien, analysierte und kritisierte der tunesische Intellektuelle Al-Afif Al-Akdar in der arabischen Welt weit verbreitete und tief verwurzelte Denkformen und Werte. Insbesondere klagt er die Eliten und Staatsführungen an, mit ihrer rückwärts gewandten Rachsucht politische Reformen zu blockieren. Al-Akdar, der gegenwärtig in Paris lebt, war Kolumnist der in London erscheinenden Tageszeitung Al-Hayyat bis er auf Anweisung von deren Besitzer, dem saudischen Prinz Khaled ibn Sultan, entlassen wurde, weil er in einer Al-Jazeera-Talkshow die in Saudi-Arabien als Strafmaßnahme praktizierte Amputationen von Gliedmaßen als "barbarisch" bezeichnet hatte.

"Es gibt dunkle und helle Tage in der Geschichte der Nationen. Zu den hellen Tagen zählen solche, die den Nationen Gründungsmythen liefern: historische und symbolträchtige Ereignisse, wie etwa die Französische Revolution oder die Internationale Erklärung der Menschenrechte. Solche Ereignisse prägen allgemeine menschliche Visionen und sind als Gründungsmythen notwendig, um Imagination und schöpferische Kräfte freizusetzen.

In ihren dunklen Tagen erlitten die Nationen hingegen Niederlagen - Niederlagen, die sie psychologisch und intellektuell nicht zu bewältigen vermochten und aus denen sie nicht in der Lage waren, sinnvolle Lehren zu ziehen. Wie eine ängstliche Schnecke ziehen sie sich vielmehr in sich selbst zurück und brüten über ihren schwarzen Gedanken, den Schlägen, die ihnen das Schicksal zugefügt hat und [entwickeln] ihre kollektive Manie, Rache für diese nehmen zu wollen. Und all das wandeln sie in selbstmörderische politische und militärische Entscheidungen um, statt sich über die Situation hinauszuschwingen, sie für schöpferische kollektive Handlungen zu nutzen und auf diese Weise ihr Selbstbewusstsein wiederherzustellen. [.]

In ihrer modernen Geschichte hätte das arabische Kollektivbewusstsein eines gesunden und inspirierenden Gründungsmythos bedurft. Stattdessen litt es unter Niederlagen - vor allem erwies sich das Selbstbild der Araber als ´beste Gemeinschaft, die unter den Menschen entstanden ist´ [Koran 3: 110] als Täuschung. Und so wurden [die Araber] beherrscht von der aussichtslosen Gier nach Rache für diese Niederlagen - von der mamlukischen Niederlage gegen Napoleon Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Niederlage Arafats und der Hamas gegen Scharon zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Ganz abgesehen von den zwei Jahrhunderten der kolonialistischen Unterwerfung, die bis heute eiternde Wunden hinterlassen haben.

Diese für die Stammesgesellschaft charakteristische Kultur der Rache ist tief im kollektiven Bewusstsein verwurzelt und stellt eine fundamental wirksame Kraft dar. Sie bewirkt, dass die Schicksalsschläge voller Rachsucht wieder und wieder durchgekaut werden - anstatt zum Ausgangspunkt für weitsichtige Reflexion und Selbstkritik zu werden. Nur Letzteres könnte indes deutlich machen wie notwendig es ist, dem Feind nachzueifern, ihn in seiner wissenschaftlichen, intellektuellen, rechtlichen und politischen Modernität nachzuahmen, um zu einer Neugestaltung der Tradition zu gelangen und sie den Erfordernissen der Zeit anzupassen. So wie Japan es nach der Katastrophe von 1945 tat - eine Katastrophe, wie sie die Menschheitsgeschichte noch nicht gesehen hatte.

Die tribale Rachekultur verfolgt uns nicht nur wie ein Fluch des Pharaos in unserem Verhältnis zu anderen, sondern [prägt] auch die Beziehungen unter den arabischen Staaten und innerhalb jedes einzelnen Landes. Dazu gehören die Ehrenverbrechen wie Stammes- und Konfessionskriege. Zu recht bezeichnete Muhammad Hussain Haikal (1) den zwanzig Jahre langen Krieg zwischen der ´Al-Jama´a Al-Islamiyya´ und ´Al-Jihad Al-Islami´ auf der einen und dem ägyptischen Staat auf der anderen Seite als einen ´oberägyptischen Blutrache-Krieg zwischen dem Stamm der Polizei und dem Stamm der Islamisten´.

Die Rache-Hysterie gegen den Westen und seinen "Protegé Israel" hatte katastrophale Folgen. Zu ihnen gehörte nicht zuletzt die Angst der traditionellen Elite vor der westlichen Moderne, die der Kolonialismus mit sich brachte - eine Angst, die sie [die Elite] unfähig für eine vernünftige politische Praxis machte, die darin besteht, konstruktive Vorschläge zu machen, auf realistische und wohl überlegte Ziele zu setzen, das politische Spiel nach rationalen Regeln zu spielen, das Kräftegleichgewicht realistisch einzuschätzen und Entscheidungen dementsprechend zu fällen, in Krisen klug zu handeln, um die Bedingungen für deren friedliche Lösung reifen zu lassen und schließlich Entscheidungsprozesse zu entwickeln.

Die heute vor allem bei den einflussreichen Eliten in Palästina, Syrien und dem Irak dominierende Rachekultur verhindert hingegen jeden vernünftigen innenpolitischen Entscheidungsprozess. In der Innenpolitik lehnen sie den Dialog ab, in der Außenpolitik Verhandlungen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit für Explosionen im Innern und für Kriege und erklärt auch, dass sie [nahtlos] von einer innenpolitischen Explosion zur nächsten und von einem Krieg zum nächsten, noch grausameren, übergehen.

Diesen traditionellen, in kollektivem Narzissmus erstickten politischen Führungen geschah, was gewöhnlich nur schwer depressiven Menschen passiert: Sie werden von vernichtenden Schuldgefühlen zu Selbstbestrafungen getrieben, die bis zum Selbstmord reichen können. Diese kollektive Selbstbestrafung tritt in vielerlei Formen in Erscheinung. Ich beschränke mich hier auf zwei von ihnen: die Politik des "Alles oder Nichts" und die Verherrlichung von Bewaffnung und Gewalt, mit dem Ziel, den verletzten kollektiven Narzissmus mit einem militärischen Sieg zu rehabilitieren und auf diese Weise die Schande ihrer Niederlagen wegzuwischen.

Es war die Politik des "Alles oder Nichts", die sowohl hinter Haj al-Hussainis [Großmufti von Jerusalem] Ablehnung des Peel-Kommissionsplans stand, welcher 1937 den Palästinensern 80% Palästinas überlassen wollte, als auch hinter der Ablehnung der UN-Resolution von 1947, die ihnen 45% zusprach. [Diese Politik] bewegte auch Hafiz al-Assad bei seinem letzten Gipfel mit Bill Clinton im Jahr 2000 dazu, [Israels] Rückgabe der Golanhöhen, von der lediglich 200 Meter am Ufer des Sees Genezareth ausgenommen blieben, abzulehnen. Er rechtfertigte dies damit, dass er in seiner Armeezeit im See getaucht sei und dessen Fische gegessen habe! Die Folge ist nun, dass sein Nachfolger in nächster Zukunft wohl nicht einen einzigen Meter des Golan zurückerhalten wird - es sei denn zum Preis von Zugeständnissen, von denen die israelische Führung immer nur geträumt hatte.

Und es war die Verherrlichung der Aufrüstung mit Massenvernichtungswaffen, die Saddam zu wahnwitzigen innen- und außenpolitischen Entscheidungen

bewegte: vom Angriff auf die Kurden mit chemischen Waffen, über den Einsatz von Tränengas gegen Demonstranten, das aus Aflatoxin hergestellt wurde und das - wie der frühere Außenberater Saddams, Dr. Hussain al-Shahrastani, einer französischen Wochenzeitung offenbarte - nach etwa fünf Jahren zu Leberkrebs führt; bis hin zur Kriegsführung gegen den Iran mit chemischen Waffen sowie zum Krieg gegen Kuwait. Und weil er nicht zurücktrat, [trägt Saddam] zudem die Schuld am mörderischen Krieg im Irak [.]. Ganz abgesehen davon, dass er 35 Jahre lang die materiellen und menschlichen Ressourcen des Landes auf dem Schlachthof seiner Rachsucht und seiner Gier nach militärischen Siegen vergeudet hat. [Dabei] würden Iraks Ressourcen, welche die weltweit zweitgrößten Erdölreserven umfassen, das Land befähigen, wirtschaftlich und wissenschaftlich zum arabischen Japan zu werden. Stattdessen wurde es zu einem der ärmsten und von blutiger Willkür geplagten Länder der Welt.

Das fanatische Festhalten am "Alles oder Nichts" sowie am militärischen Sieg steht zweifelsohne auch hinter dem Projekt der Hamas - nämlich der ´Befreiung Palästinas bis zum letzten Staubkorn und seine Rückgabe als waqf [islamische Stiftung] an alle Muslime der Welt`. Auch die wahnwitzige Ablehnung eines palästinensischen Staates im Westjordanland, dem Gaza-Streifen und Ost-Jerusalem [ist von dieser Haltung geprägt]. Und als die Selbstmordanschläge nicht zur Verwirklichung des aussichtlosen Zieles führten - was war da die Folge [dieser Politik]? Der geistige Führer der Hamas, Scheich Ahmad Yassin, rief im vergangenen Monat Scharon flehentlich zu einem zehnjährigen Waffenstillstand auf [.].

Eine selbstmörderische Politik stand auch hinter der überraschenden Wende Arafats, als er nicht am versprochenen Verhandlungsweg festhielt, sondern auf den unfruchtbaren bewaffneten Kampf und die Intifada setzte, die ihm ebenso wenig einbrachte. Warum [tat er dies]? Weil er neidisch auf den "Rauswurf" der israelischen Armee aus der [südlibanesischen] Sicherheitszone durch die Hisbollah war. Er beschloss von einem Tag auf den anderen einen

Richtungswechsel: von Verhandlungen zum Verjagen der Besatzungsarmee und der einseitigen Proklamation eines absolut souveränen palästinensischen Staates, ohne - wie Ägypten und Jordanien - den Preis in Form der Anerkennung Israels zu zahlen.

Das Resultat dieser rachsüchtigen selbstmörderischen Entscheidung? Es bestand in einer noch nie gesehenen Selbstbestrafung: dem Einmarsch der Besatzungsarmee in 42% derjenigen palästinensischen Gebiete, die mittels Verhandlungen [bereits] befreit worden waren. In derselben Logik lehnte Arafat die Vorschläge Bill Clintons ab, der ihm - zusammen mit dem Versprechen auf 40 Milliarden Dollar für die Ansiedlung von Flüchtlingen in einem versprochenen Staat Palästina - 97% des besetzten Gebietes anbot. Welche Konsequenz hatte diese Entscheidung, die das palästinensische Interesse nach einer Heimat und einem lebensfähigen Staat gänzlich ungeachtet ließ? Die Konsequenz war, dass Arafat und sein Volk sich [nun völlig] in den Klauen des Teufels befinden.

[Ähnlich erging es] dem letzten Held der "arabischen und islamischen Gemeinschaft" (umma), dem Wahhabiten Bin Laden, der mit seinem "Angriff" auf New York und Washington Rache an den "Kreuzfahrern" nehmen wollte. Die Araber und Muslime - Massen wie Eliten - glaubten ihm und klatschten ihm Beifall. Aber was war hier das Ergebnis? Genau das Gegenteil: Amerika griff Afghanistan an und verjagte Bin Laden und seine Gönner, die Taliban, mit dem festen Willen, diese zu vernichten. Darüber hinaus bot "unser Held" den Neokonservativen in der US-Administration jene Gelegenheit, auf die sie gewartet hatten, um ihre geopolitischen Visionen verwirklichen zu können - nämlich ihre Prioritäten unabhängig von den europäischen Verbündeten neu definieren und ordnen zu können.

[Dass die USA] nun keine Rücksicht auf die Formalitäten des internationalen Rechts nahmen, das lange eine Art Schutzschild der "Schwachen und Unterdrückten" war, zu deren Sprecher sich Bin Laden selbst ernannte, beendete die Option, dass ein politisch und militärisch geeintes Europa als globaler Pol auftreten könnte - wovon die Araber schon so lange tage- nächtelang träumen. Und letztlich verhalf Bin Laden - ohne es zu wissen - den Neokonservativen zu einer Neugestaltung der internationalen Beziehungen, die dem [neuen] globalen Kräftegleichgewicht entsprach, das die USA als wirtschaftlich und militärisch stärkste Macht sieht. In ihrem Versuch, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu stoppen und den islamistischen Terrorismus zu vernichten, sind die USA nun entschlossen, internationale Entscheidungen alleine zu fällen. Sie verfolgen [den Terrorismus] und kontrollieren die Aktivitäten in jenen Staaten, die diesen mittels der religiösen Erziehung zum Jihad hervorbringen - das sind alle arabischen Staaten außer Tunesien; und sie wechseln Regime aus, die den Terrorismus bewaffnen oder beherbergen.

Dies sind die verhängnisvollsten Konsequenzen, die die Araber mit ihrer Rachsucht selbst erzeugen [.] und mit denen die politischen Führungen sich und ihren Völkern das Leben schwer machen [.]."

Anmerkungen:
(1) Elaph (
www.promo.elaph.com) ist die erste täglich erscheinende, unabhängige arabische Online-Zeitung. Gegründet wurde sie von dem saudischen Geschäftsmann, Journalisten und Autor Othman Al-Omeir, der früher Herausgeber der in London erscheinenden Tageszeitung Al-Sharq Al-Awsat sowie der saudischen Zeitungen Al-Jazira, Al-Riyadh, Al-Yawm und Al-Majalla war.
(2) Ägyptischer Intellektueller, Herausgeber der Al-Ahram und Berater des früheren ägyptischen Präsidenten Nasser

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hagalil.com 28-05-03

 

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