Unter dem Titel "Aufruhr
durch den Missbrauch der Kanzeln" veröffentlichte die in London
erscheinende Tageszeitung Al-Sharq al-Awsat einen Kommentar, der den
Einfluss islamistischer Prediger in den Moscheen verschiedener
arabischer Länder kritisiert.
Hintergrund des Beitrags von
Ahmad Ruba'i ist ein Konflikt zwischen der jordanischen Regierung und
der Muslimbruderschaft: Anfang September ließ die Regierung eine Reihe
von den jordanischen Muslimbrüdern nahe stehenden oder angehörenden
Predigern festnehmen, denen sie vorwirft, ihre Predigten für Angriffe
gegen die Politik der Staatsführung und insbesondere gegen deren
moderate Haltung gegenüber den USA zu missbrauchen. [1]
Ähnliche Konflikte hat es in
der jüngeren Vergangenheit in anderen arabischen Ländern gegeben.
Wiederholt wurde in den Medien von staatlicher Einflussnahme
insbesondere auf die Freitags-Predigten berichtet. Der folgende Artikel,
in dem der Autor vor dem Einfluss schlecht ausgebildeter und
extremistischer Prediger warnt, erschien am 14. September 2004:
"Moscheen sind entweder
Gebetshäuser oder sie sind Parteizentralen und Plätze der Aufstachelung
zu Extremismus und zur Gewalt. Der Konflikt zwischen der jordanischen
Regierung und der Muslimbrüderschaft, die einige der Moscheen [in
Jordanien] dominiert, ist kein Ausnahmefall. Auch der saudische
Thronfolger und der saudische Minister für religiöse Angelegenheiten
haben mehr als einmal davor gewarnt, dass die Moscheen zur Anstachelung
von Gewalt benutzt würden. In Kuwait und vielen anderen arabischen
Ländern wurden eine Reihe von Predigern entlassen und man verbot ihnen,
die Gotteshäuser [für ihre Propaganda] zu nutzen.
Der Staat ist verantwortlich
dafür, die Menschen zu schützen. Er muss verhindern, dass die Kanzeln
der Moscheen für parteipolitische Ziele missbraucht werden. Es gibt auf
der ganzen Welt keine andere Religion, die wie der Islam die Möglichkeit
hat, systematisch und Woche und für Woche [die Menschen] in seinem Sinne
zu erziehen: An jedem Freitag versammeln sich hunderte Millionen
Menschen in den Moscheen. Die Freitagsgebete sind eine Gelegenheit zur
religiösen und sozialen Aufklärung, sie bieten die seltene Gelegenheit,
die Idee des Schaffens anstelle der Idee des Zerstörens zu postulieren,
die Idee der Toleranz zu verbreiten statt andere der Sünde zu
bezichtigen und [die Menschen] einzuschüchtern.
Ein Lehrer braucht viele Jahre
um einen Abschluss zu erlangen, der ihm das Unterrichten in Schulen
erlaubt. Ebenso ist es in allen anderen Berufen. Die Tätigkeit des
Predigens und der Verkündung des Islams aber wird in der ganzen
islamischen Welt von Tausenden ausgeübt, die unqualifiziert und nur
unzureichend gebildet sind. So geschieht es selten, dass Muslime ins
Freitagsgebet gehen und mit etwas Neuem und einer klaren Sicht auf die
Welt wieder herauskommen – nach einer ernsthaft und jenseits von
Züchtigungen und Einschüchterungen geführten Auseinandersetzung mit der
Frage der Korruption, der Rückständigkeit, der Verschlechterung der
[staatlichen] Leistungen und dem Zurückbleiben der Nation hinter dem
Vormarsch der Zivilisation.
Der Extremismus nutzt die
Sorglosigkeit der Machthaber und die Gleichgültigkeit der Moderaten und
begann, den Verstand der Jugend zu zerstören und Zwietracht zu
verbreiten. Dabei benutzte er die Kanzeln der Moscheen. Der Extremismus
missbraucht die Moscheen, die bei Nacht und Nebel ohne Wissen des
Staates zu Tausenden in Dörfern, auf dem Land und in den Stadtteilen
errichtet werden. Er macht sie zu Brutstätten für Extremisten und zu
Orten der Gehirnwäsche für Jugendliche und Heranwachsende.
Moscheen sind aber Gotteshäuser
und keine Orte für radikale Parteien. Das Schweigen einiger islamischer
Regierungen über diesen Zustand ist ein Verbrechen an den Menschen und
an der Zukunft."