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MEMRI Special Dispatch – 04. Juli 2003

Plädoyer für einen neuen Panarabismus

I
n einem Kommentar der Internet-Ausgabe der in London herausgegebenen und saudisch finanzierten Tageszeitung Al-Hayat beschreibt Nasser Ali Khasawneh die arabische Welt als zwischen zwei Stühlen sitzend: der Diktatur auf der einen und dem Islamismus auf der anderen Seite. Vor diesem Hintergrund plädiert er für einen eigenen Weg zur Demokratie und auch er (vgl. MEMRI Special Dispatch 2.7.2003) tritt in diesem Zusammenhang für eine intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der Region ein. Nasser Ali Khawasneh ist Jurist für internationales Recht mit Sitz in Dubai. Der Text erschien in Al-Hayat (engl.) am 20.6.2003:

„Auf dem Weg zu einer neuen arabischen Bewegung“

"Nachdem sich die Aufregung um den amerikanisch-britischen Sieg in Bagdad gelegt hat, sollte sich die gesamte arabische Welt ernsthafte Gedanken über die Zukunft machen. Ich verfüge nicht über Prozentangaben, glaube aber sagen zu können, dass die überwältigende Mehrheit der Araber gegen den Krieg war. [...] Und ich rede dabei nicht nur von den benachteiligten oder entrechteten [Bevölkerungsgruppen]. Nein, als hunderttausend Bomben über dem Irak abgeworfen wurden, empfanden Arme wie Reiche die gleiche Entrüstung, Verzweiflung und Demütigung.

Ein Gespräch mit einem Freund an dem Tag, an dem Bagdad als die am schnellsten eroberte Stadt in die Geschichte eingehen sollte – so viel zum Thema Stalingrad! - wird mir in ewiger Erinnerung bleiben. Er sagte voller Verzweiflung: “Ruf mich gleich zurück, ich glaube, ich werde mich umbringen!“ Mein Freund ist ein moderner Araber. Seit seiner Jugend lebt er fast ausschließlich in Europa, er machte dort seine Ausbildung, hat jetzt einen Job, und der Pragmatismus dieses Kontinents hat ihn geprägt. Er glaubte immer an die Unantastbarkeit der Demokratie und in seiner Ablehnung Saddam Husseins lag er weit vor Bush und Rumsfeld. [...] Trotzdem hoffte er, wie die überwältigende Mehrheit der Araber, auf einen Sieg des irakischen Volkes.

Auch andere aufgeklärte Araber hofften wider alle Vernunft auf ein Wunder: die irakische Bevölkerung [...] würde der angloamerikanische Invasion stoischen Widerstand entgegen setzen und gleichzeitig auch Saddam Hussein loswerden. Sie hofften damit auf eine Widerstandskraft der Bevölkerung wie sie die arabische Welt noch nicht gesehen hat.

Aber diese Erwartung war zu groß für ein Volk, das seit mindestens sechshundert Jahren unter diktatorischer und kolonialer Herrschaft lebte. Sie wäre auch zu groß für andere arabische Völker, die ihrer Freiheit schon ebenso lang beraubt sind. [Vor diesem Hintergrund] kann es ohne eine klar strukturierte und pragmatisch ausgerichtete Agenda keinen Wendepunkt in der arabischen Geschichte geben. Und diese Agenda müsste von großen Teilen der sprichwörtlichen ‚Arabischen Strasse’ von ganzem Herzen angenommen werden. Nun verspottet mich zwar ein anderer Freund (auch er Araber), der schon ewig über die Arabische Strasse verzweifelt, immer wieder und behauptet, dass diese Straße doch wohl nur aus desinteressierten Shawarmaverkäufern bestünde. Trotzdem sind wir es ja selbst, die zu faul sind, eine solide Zukunftsvision zu entwerfen, die uns in diesen endlosen Kreislauf aus Selbstironie, Verzweiflung und leeren Träumen von einfachen Lösungen zwingt.

Von der angloamerikanischen Invasion des Iraks ist keine Rettung zu erwarten. […] Vielmehr verfolgen die USA, wie jede andere Supermacht in der Geschichte auch, ihre eigenen Interessen. Und dabei haben die USA fast immer gegen wirklich demokratische Bewegungen im Nahen Osten agiert. Für unsere Debatte aber sind die amerikanischen Interessen völlig irrelevant - denn in der arabischen Welt wird sich erst dann etwas zum Guten wenden, wenn die Araber selbst einen Willen dazu entwickeln.

Heute sitzen die meisten Araber indes zwischen den Stühlen. Fast überall stellen ihre Regime das direkte Gegenteil von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dar. Gleichzeitig ist jedem klar, dass - sollten morgen freie Wahlen stattfinden – extremistische, religiöse, jede Form von Demokratie ablehnende Parteien, diese gewinnen würden. Was aber fangen wir mit dieser Erkenntnis an? Wollen wir, wie so viele, tatsächlich in der Annahme den status quo akzeptieren, dass die relative Toleranz der herrschenden Regime immer noch besser sei als die unangenehme Alternative, die uns bei einem Gang an die Wahlurnen drohte? Akzeptieren wir die beinahe absolute Dominanz der religiösen Parteien in den Herzen und Köpfen der Mehrheit? Geben wir uns mit der offenbar ewigen Rolle des Zuschauers zufrieden? Warten wir einfach ab und hoffen, dass Bush nicht als nächstes Syrien bombardiert? Sehen wir weiter fern und vergießen Tränen der Scham und Heiterkeit, während unsere arabischen Regierungen wieder einmal ihr unvergleichliches Unvermögen im Umgang mit jedem einzelnen wichtigen Tagesgeschehen demonstrieren?

Natürlich gibt es einen Ausweg – einen, der weder konfrontativ, noch reaktionär oder revolutionär ist. (Auf keinen Fall brauchen wir eine weitere so genannte revolutionäre Bewegung in der arabischen Welt. Wir hatten weiß Gott genug davon; und fast ist es ihnen gelungen, auch noch das zu zerstören, was die Kolonialmächte und die Dynastien nicht zerstört hatten.)

Notwendig ist vielmehr eine neue Bewegung – eine Bewegung, die versucht das ‚wir’, das ich hier so freimütig verwende, erst zu konstituieren. Ich spreche von Arabern, die es satt haben, Lichtjahre davon entfernt zu sein, ihr wirkliches Potential zu realisieren; Araber, die zwar fest davon überzeugt sind, dass der Islam die großartigste und positivste Kraft in der Geschichte der Region ist, aber dennoch erkennen, dass die Verknüpfung von Politik und Religion bestenfalls eine Täuschung im Dienste der eigenen Interessen ist; Araber, die schlau genug sind, zu verstehen, dass das Gerede über die Unvereinbarkeit von Demokratie und arabischer Kultur nichts weiter ist als rassistisches Geschwätz seitens der Verteidiger von diktatorischer Herrschaft; Araber, die den verschiedenen Kulturen der Welt offen gegenüberstehen und der Ansicht sind, dass sich vieles von den ökonomischen und politischen Erfolgsgeschichten aus Europa, Asien und, ja, auch den USA lernen lässt; Araber, die daran glauben, dass wir eine Schlüsselrolle in der pulsierenden freien Marktwirtschaft spielen könnten; Araber, die sich um eine reale und dauerhafte Gerechtigkeit für ihre leidenden Landsleute in Palästina bemühen; und nicht zuletzt Araber, die aus Überzeugung oder aus Notwendigkeit davon überzeugt sind, dass die arabische Einheit der einzig realistische Grundstein für eine nachhaltige Entwicklung in der Region darstellt.

Diese Bewegung sollte sich nicht auf einen politischen Wechsel konzentrieren. Sie sollte sich vielmehr um reale kulturelle, soziale und wirtschaftliche Veränderungen in der arabischen Welt bemühen. Auch wenn der inner-arabische Handel bedauerlicherweise nur etwa neun Prozent des gesamten Handels der arabischen Länder ausmacht, gibt es Anzeichen für einen Anstieg der regionalen Wirtschaft. Dies gilt insbesondere für die Informationstechnologie und andere auf Urheberrechten basierende Industriezweige. Eine neue Generation arabischer Geschäftsleute tritt jetzt in den Vordergrund. Sie schneiden ihre ökonomischen Modelle auf die Region zu und sind heiß darauf, Filialen in Amman, Kairo, Riad und anderen arabischen Städten zu eröffnen. Zwar ist diese regionale Expansion keine neue Entwicklung – neu ist aber die Leidenschaft, mit der diese Geschäftsleute eines modernen Zeitalters nach arabischen Synergien suchen.

Außerdem sollten sich alle darum bemühen, das Level des kulturellen Bewusstseins in der Region zu stärken. Den Anfang könnte schon das Lesen von Büchern machen. Wir müssen alles tun, damit das Bücherlesen in der arabischen Welt wieder cool wird! […] Immer wieder staune ich, wenn ich in der Region unterwegs bin - Flugreisende haben hier fast nie ein Buch dabei. In Europa ähnelt dagegen jeder Flug einer mobilen Luftbibliothek. Wir benötigen ganz dringend öffentliche Initiativen zur Förderung des Lesens. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um eine demokratische Kultur im arabischen Denken zu stärken.

Diese Bewegung könnte der beeindruckenden Flut von Stellungnahmen im Internet Stimme und Struktur geben. Jeden Tag werde ich von Freunden, von Freunden von Freunden und von entfernten Bekannten mit Artikeln und Gedanken über den Irak, Palästina und die Welt bombardiert... Das Internet liefert uns das Forum, welches uns Imperien und Armeen Jahrzehnte lang zu verweigern suchten. Es findet seinen Weg in jedes Büro und jede Wohnung. Es ist die Stimme eines neuen Arabiens.

Ich will gar nicht so tun, als wollte ich in diesem kurzen Artikel ein Programm für diese Bewegung schreiben. Ich wollte einfach nur darlegen, wie notwendig ein solches wäre. Das politische Denken wird in der arabischen Welt nicht dieselbe Richtung einschlagen, die sich in Europa und den USA durchgesetzt hat. Es wird kein arabisches Äquivalent zu den Tories und der Labourpartei geben. Keine arabischen Gores und Bushs werden in Karbala zu einer Nachwahl antreten! Der langsame und beschwerliche Weg zur Demokratie in der arabischen Welt wird durch drei Denkschulen bestimmt sein - jene Schulen, die auch gegeneinander antreten würden, wenn wir endlich die Demokratie in dieser Region etabliert haben sollten: die ‚status-quo´-Bewegung (die behauptet, dass all das, was wir jetzt haben, besser als jede Alternative sei), die Bewegung des politischen Islam und die moderne, nach Freiheit strebende pan-arabische Bewegung. Es ist diese letzte Bewegung, die sofort aktiv werden muss, in dem sie verschiedene Persönlichkeiten und Gruppen, die an ihre Grundidee glauben, zusammenführt. Das ist eine historische Möglichkeit, die wir nicht verpassen dürfen."

THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH INSTITUTE (MEMRI)
eMail:
memri@memri.de, URL: www.memri.de
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hagalil.com 06-07-03

 

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