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MEMRI Special Dispatch - 12. März 2003

NGOs und Demokratisierung:
Ausländische Interessen in der arabischen Welt

Die in London erscheinende arabischsprachige Tageszeitung al-Hayat veröffentlichte kürzlich einen Artikel, in dem auf die Auseinandersetzungen um ausländische NGOs in arabischen Ländern eingegangen wurde. Der in Großbritannien ansässige Wissenschaftler Marwan Kaplan beschreibt dabei zunächst die Interessen der westlichen Staaten, auf innerstaatliche Entwicklungen in der Region Einfluss zu nehmen und gibt schließlich die Reaktionen wider, mit denen verschiedene arabische Regierungen auf die zunehmende Zahl ausländischer Projekte reagierten. Am Beispiel des Verfahrens gegen den auch in Europa bekannten ägyptischen Wissenschaftler Saad al-Din Ibrahim in Ägypten werden die Interessensgegensätze beschrieben. Der Artikel erschien am 10. Februar 2003:

"Während des Kalten Krieges hatten finanzielle Unterstützungen des Westens an die arabischen Staaten größtenteils politischen Charakter und beschränkten sich auf staatliche Organisationen und Institutionen. Sie zielten darauf ab, den sowjetischen Einfluss in der Region durch die Unterstützung von - kulturell und religiös geprägten - Formen und Trägern des inneren Widerstandes einzugrenzen. Im vergangenen Jahrzehnt jedoch zeichnete sich ein beachtlicher Wandel in diesem Bereich ab. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Verschwinden der bipolaren Konkurrenz um die Vorherrschaft in der Region, ist der Anteil von Geldern an Nicht-Regierungsorganisationen gestiegen. Ebenso veränderte sich die Zielsetzung [der Unterstützungen]. Während die Unterstützungen früher darauf abzielten, eine geistige und ideologische Einflussnahme von außen durch den Kommunismus einzudämmen, so zielen sie heute darauf ab, innere intellektuelle, kulturelle und politische Herausforderungen durch den politischen Islam zu begegnen.

Im letzten Jahrzehnt ist die Zahl arabischer Organisationen, die sich in großem Maße auf ausländische Hilfen stützen, gestiegen, so etwa Zentren für Sozialforschung, Menschenrechts- und akademische Organisationen etc. Die Zuwendungen der ausländischen Organisationen umfassten dabei neben materiellen Hilfen auch Beratungsangebote und Fachwissen, um Veränderungen hin zu einer Liberalisierung und die Wiederentstehung einer öffentlichen Meinung zu bewirken. Zu den arabischen Staaten, die verstärkt in den Genuss dieser Bemühungen kamen, gehören Ägypten, Marokko, Tunesien, Algerien, Jordanien, Libanon, der Jemen und die Gebiete der palästinensischen Selbstverwaltung. Europa, die USA, Japan, Kanada und Australien zählten zu den bedeutenden Geldgebern.

Die meisten Zuwendungen wie Finanzierungshilfen und materielle Unterstützungen erfolgten durch staatliche Institutionen der westlichen Länder, deren Abwicklung vom britischen und niederländischen Außenministerium beaufsichtigt wurde bzw. durch halbstaatliche Organisationen und Vertretungen wie die US Agency for International Development (USAID) und seinem kanadischen Pendant (CIDA), oder über die mit den wichtigen politischen Parteien verbundenen Institutionen. Die deutschen Stiftungen sind auf diesem Gebiet führend. Nach ihrem Vorbild folgten ähnliche Institutionen aus Europa, den USA und Kanada.

Zu Beginn der 1980er Jahre beschloss der amerikanische Kongress die Gründung der National Endowment for Democracy. Sie ist eine nicht-staatliche Stiftung, die sich hauptsächlich auf die zwei großen Parteien der USA stützt. Auch das britische Parlament entschied im Jahre 1992, eine vergleichbare Organisation namens Westminster Foundation for Democracy aufzubauen. Daneben gibt es das staatliche Olaf-Palme-Zentrum, das der schwedischen Arbeitspartei angehört und die zur französischen sozialistischen Partei gehörige Jean-Jaurès-Stiftung, das österreichischen Bruno-Kreisky-Forum und viele andere. Des Weiteren existieren private Stiftungen, die an keine bestimmten staatlichen Stellen gebunden sind, z.B. die amerikanische Ford-Foundation und seit kurzem auch die Stiftung Georg Soros, einem amerikanischen Staatsbürger ungarischen Ursprungs.

Andere Organisationen hingegen sind an große internationale Firmen gebunden, die Interessen in der Region des Nahen Ostens verfolgen, z.B. in der Ölbranche. All diesen Einrichtungen werden Erleichterungen - beispielsweise Steuererleichterungen - durch die Geberländer gewährt und sie sind als Non-Profit-Organisationen registriert. Zudem genießen einige von ihnen diplomatische Immunität, da ihre Arbeit mit den Kulturabteilungen der westlichen Botschaften verwoben ist. Trotz der unterschiedlichen Arbeitsweisen dieser Organisationen, ihrer Mittel, Finanzierungen und Zugehörigkeiten, sind sie auf die eine oder andere Weise an die Außenpolitik der Staaten gebunden, unter deren Fahne sie arbeiten.

Während die USA bis vor kurzem der Hauptfinancier für NGOs in der arabischen Welt waren, erlebte die zweite Hälfte der 1990er Jahre spürbare europäische Aktivitäten in diesem Bereich. Von insgesamt 600 Projekten, die von westlichen Ländern voll- oder teilfinanziert wurden, wurden zwischen 1995 und 2001 mehr als 170 Projekte zur Demokratieförderung im Mittelmeerraum ins Leben gerufen. Ihre Aktivitäten umfassten neben der Durchführung von Konferenzen zum Thema der Demokratie auch Seminare für Geschäftsleute, die Bereitstellung von Stipendien für bis zu zwei Jahre sowie die Organisation von Besuchen an europäischen Forschungseinrichtungen. Die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen, die Durchführung von Meinungsumfragen, Wahlbeobachtungen sowie die Unterstützung der Durchführung oder Veröffentlichung von Sozialstudien, Fremdsprachenunterricht und Übersetzungen in Literatur und Politik gehören ebenso zu den Aufgabenbereichen wie schließlich die Gewährung materieller Hilfen.

Diese Projekte haben zwei Zielsetzungen: Erstens, den Aufbau oder die Entwicklung unabhängiger nationaler Organisationen, die sich jenseits staatlicher Kontrolle befinden, deren Aufgabe darin besteht, einen schrittweisen Übergang vorzubereiten, an dessen Ende die Werte, das System und die Kultur des westlichen Liberalismus an die Stelle der herrschenden traditionellen Werte der arabischen Welt treten sollen. Dieser Wandlungsprozess, in dem die Elite und die juristischen Institutionen zusammen mit den Bildungseinrichtungen und den Medien eine führende Rolle spielen, umfasst die Lockerung der staatlichen Kontrolle über die Gesellschaft bei gleichzeitiger Abschwächung der gesellschaftlichen Polarisierung, die insbesondere aus dem scharfen Klassenunterschied resultiert. Zudem geht es darum, Druck in Richtung schrittweiser Reformen auszulösen, um den Eintritt in eine explosive Situation zu verhindern, in der durch einen revolutionären Akt die westlichen Interessen (so wie im Iran) zu Schaden kommen könnten.

Zweitens sollen die vom Westen finanzierten Projekte ein alternatives kulturelles Modell ausbilden, das dazu beiträgt, den Einfluss radikaler Kräfte, des politischen Islam, zu schwächen, der nach dem Ende des Kalten Krieges erstarkte. Er profitierte dabei vom allgemeinen Zustand der Schwäche der arabischen Welt, der schlechten Wirtschaftslage, dem Anstieg der Arbeitslosigkeit, der weit verbreiteten Korruption in den Institutionen, den Verschleiß der Eliten durch revolutionäre Rhetorik und ihrem Mangel an politischen und unideologischen Reflexionen.

Bei der Interpretation all dessen sind intellektuelle und politische Kreise im Westen, so z.B. Anthony Lake, ehemaliger nationaler Sicherheitsberater der Clinton-Administration, davon überzeugt, dass ein Wandel in der Region beinahe unausweichlich ist. Wenn dies also nicht mehr zu verhindern ist, dann kann es für die USA nur darum gehen, diese Veränderungen zu kontrollieren und dafür zu sorgen, dass sie ruhig und allmählich von statten gehen, also ohne revolutionäre Umbrüche und soziale Unruhen, die die Interessen des Westens verletzen oder feindlich gesinnte Regime an die Macht bringen könnten. Bei ihrem Anliegen, den Verlauf der erwarteten Veränderungen in der arabischen Region zu kontrollieren, ist auffällig, dass die Politik der westlichen Länder durch ihre nationalen Interessen beeinflusst wird. Die innere Entwicklung bestimmter arabischer Länder findet größere Aufmerksamkeit als in anderen, je nach Interesse der westlichen Länder.

Frankreich, Spanien und Italien konzentrieren sich auf Nordafrika, aus Angst vor einer Machtübernahme der Islamisten und einer Verschlechterung der Lage in einer Weise, die wie im Algerien in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre eine massenhafte Migration in den Norden auslösen könnte. Die USA hingegen richten ihr Augenmerk auf die Staaten des Nahen Ostens, was die Besorgnis der USA um die Sicherheit der Ölquellen und um den Schutz Israels widerspiegelt, das seit etwa einem halben Jahrhundert als Eckpfeiler amerikanischer Politik [in der Region] gilt.

Die Politik der selektiven Aufmerksamkeit, die die westlichen Länder bei ihrer Finanzierung von demokratiefördernden Projekten betreiben, zeigt, dass es nicht um Demokratie als solche geht. Sie ist ein Mittel, um jegliche Veränderung, die westlichen Interessen widerspricht, zu vereiteln. Diese Selektion findet nicht allein auf der Grundlage geographischer Faktoren, der Nähe oder Distanz eines Landes, statt. Es geht nicht mehr um Demokratie, sondern auch um den Schutz politischer Strömungen, die den Schutz [des Westens] genießen. Es ist also kein Wunder, dass Institutionen islamischer, linker oder nationalistischer Prägung von den Projekten zur Demokratisierung der Region, die an die Hunderte zählen, auf Abstand gehalten werden.

Die Selektivität zeigte sich ebenso deutlich im Charakter dieser Aktivitäten, die sich auf drei zentrale Bereiche konzentrieren: repräsentative Wahlen, Menschenrechte und Rechte der Frau, die Schaffung einer dem Westen gegenüber wohlwollenden Öffentlichkeit sowie schließlich die Förderung des arabisch-israelischen Dialogs. Die meisten Themen, mit denen sich die westlichen Projekte beschäftigen, sind politischer und an den Eliten orientierter Natur, während wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen, die eine breitere Wirkung hätten, ignoriert werden. Die Bedeutung solcher Projekte stünde den anderen in nichts nach, wenn es darum geht, dass das Experiment der Demokratie sich entwickelt und vorankommt. Solche Projekte wären beispielsweise die Bekämpfung des Analphabetismus und der Armut sowie der Ausbau von infrastrukturellen Projekten.

Im das Bild abzurunden müssen die Reaktionen der Empfänger-Staaten genauer betrachtet werden. Die meisten arabischen Staaten sahen in den demokratiefördernden Projekten und Hilfestellungen außerhalb des offiziellen Rahmens einen Bruch mit dem herkömmlichen Verständnis von nationaler Souveränität und eine offene Einmischung in innere Angelegenheiten. Die Projekte würden ihre Rolle im Verhältnis zu der [Empfänger-] Gesellschaft und den Organisationen, die innerhalb der nationalen Grenzen arbeiten, überschreiten und mit ihren Aktivitäten direkten Einfluss auf die Souveränität und folglich auf die Bürger [der arabischen Staaten] ausüben.

Die arabischen Reaktionen schwankten zwischen Zurückhaltung und Konfrontation. Während einige der arabischen Staaten einen unkonfrontativen Weg gingen und positive Zeichen aussandten, indem sie ausländische Wahlbeobachter einluden - wie etwa 1997 im Jemen - gingen andere Regierungen so weit, Spendengelder zu konfiszieren, Büros der NGOs zu schließen und Protestierende zu verhaften. So empörte sich die ägyptische Regierung anlässlich einer Konferenz von USAID über die Rolle der Legislative bei der Stärkung der Demokratie, an der auch eine wichtige Gruppe ägyptischer Parlamentsabgeordneter teilnahm, über die ausländische Informationspolitik und eine kulturell-geistliche Invasion. Unmittelbar nach dem Erdbeben in Kairo 1992 beschloss die ägyptische Regierung ein Gesetz gemäß den [geltenden] Notstandsgesetzen, das jegliche ausländische Finanzierung inländischer Institutionen und Organisationen untersagte.

Auch die Palästinensische Autonomiebehörde konfiszierte - in einer Zeit, als sie noch Macht hatte - Millionen von Dollar ausländischer Organisationen, die Projekte betrieben, durch die die Behörden ihre Souveränität bedroht sahen. Als Hinweis auf die Gefahr, die die arabischen Staaten in Bezug auf den ausländischen Einfluss empfanden, wurde dieses Problem auf die Agenda der arabischen Innenminister-Konferenz 1996 in Tunis gesetzt, die beschloss, jede ausländische Finanzierung zu untersagen, die nicht über staatliche Kanäle liefe.

Der wohl prominenteste Fall in diesem Zusammenhang ist der von Saad ad-Din Ibrahim, Direktor des Ibn Khaldun Center for Development Studies. Zu Beginn des Jahres 2000 wurde er unter dem Vorwurf verhaftet, gegen das Gesetz von 1992 verstoßen und Informationen an ausländische Stellen weitergeleitet zu haben, die die Sicherheit des Staates gefährden und dem internationalen Ansehen Ägyptens schaden würden. Der tatsächliche Grund [für seine Verhaftung] war die Durchführung von Untersuchungen, die von der Europäischen Union finanziert wurden und die einige Fälle von Wahlfälschung in Ägypten ansprachen. Bereits zuvor hatte Ibrahim den Ärger der Behörden erregt, als er im Rahmen einer Konferenz zu religiösen und ethnischen Minderheiten in der arabischen Welt, die die amerikanische Ford-Foundation organisiert und finanziert hatte, über die Situation der Kopten gesprochen hatte. Der Fall Ibrahim ist diesbezüglich nicht der einzige, auch der Generalsekretär der Egyptian Organisation for Human Rights (EOHR) wurde beschuldigt, zu Beginn des Jahres 2000 25000 Dollar von Großbritannien für die Ausarbeitung eines Berichtes über Haftverhältnisse und Folterungen von politischen Gefangenen erhalten zu haben.

Die Fälle [Saad al-Din] Ibrahim und des EOHR werden nicht die letzte Runde im andauernden Kampf zwischen dem Westen und den arabischen Staaten um die Kontrolle des Transformationsprozesses gewesen sein. Mit den zunehmenden Einmischungen des Auslands in die inneren Angelegenheiten nach den Ereignissen des 11. Septembers 2001 scheint sich die Problematik in Bezug auf die ausländische Finanzierung von NGOs in der arabischen Welt erheblich zugespitzt zu haben. Der einzige Weg, das ausländische Geld und den Einfluss auf einheimische arabische Organisationen zu begrenzen, besteht darin, dass sich die arabischen Staaten selbst diesen Organisationen öffnen und ihnen Alternativen einer regionalen Finanzierung zugestehen, indem der Staat beispielsweise dauerhafte Mittel zur Verfügung stellt, ohne dass dadurch die Unabhängigkeit der Organisationen beeinträchtigt werden dürfte. Damit würden die Organisationen von dem Vorwurf befreit, ausländische Interessen zu vertreten und zu verfolgen."

THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH INSTITUTE (MEMRI)
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hagalil.com 18-03-03

 

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