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MEMRI Special Dispatch - 2. Juni 2003

Die Untergrabung der 'Arabischen Straße':
Kritik an arabischen "Neoliberalen"

In den vergangenen Monaten haben sich vermehrt arabische Intellektuelle zu Wort gemeldet, die die politischen Systeme und gesellschaftliche Entwicklungen der Länder im Mittleren Osten kritisierten. Mitte Mai erschien nun in der ägyptischen Wochenzeitung Al-Ahram-Weekly ein Beitrag, der sich gegen diese Intellektuellen richtet. Vor allem stand dabei die Rolle der Palästinafrage in der arabischen Welt im Mittelpunkt. Der Autor, Joseph Massad, ist Dozent für Moderne Arabische Politik und Geistesgeschichte an der New Yorker Columbia Universität.

"Die Untergrabung der 'Arabischen Straße'"

"Immer wenn ich zuletzt eine arabische Zeitung aufgeschlagen habe, sprangen mir Kolumnen von Neoliberalen ins Auge, die sich besorgt über den ,Vorrang' äußern, den die Palästinafrage in der arabischen Politik genieße. Die Kolumnisten insistieren darauf, dass sich dies nachteilig auf den arabischen Nationalismus, die Regime und die ,Arabische Straße' auswirke. Dabei existiert doch der arabische Nationalismus als organisierte politische Kraft und politisches Projekt höchstens noch in der Hoffnung seiner gläubigen Anhänger. Und [zu Palästina] geben die Arabischen Regime heute nicht einmal mehr ihre früher gängigen Lippenbekenntnisse ab [...].

Seit Israels Einmarsch in den Libanon und der militärischen Niederlage der PLO, glaubt selbst die Palästinensische Autonomiebehörde - oder was von ihr übrig ist - nicht länger, dass die ,Palästinensische Sache' Vorrang genießt. Für die PA sind zwei von drei [zentralen] Elementen [der Palästinafrage] kein Thema mehr: die Millionen Palästinenser, die im erzwungenen Exil leben und die über eine Million palästinensischer Israelis, die unter dem institutionalisierten israelischen Rassismus leben. Wenn es also auf Seiten der arabischen Regime heute absolut vorrangig ist, mit Israel Frieden zu schließen und sich dem amerikanischen Willen unterzuordnen, dann stehen bei der PA das Streben nach politischer Macht für die Oslo-Eliten sowie die Verwirklichung lediglich scheinbarer Rechte für die Palästinenser aus Westbank und Gaza-Streifen im Vordergrund. Abgesehen von den Palästinensern selbst wird also in der heutigen arabischen Welt nur auf der ,arabischen Straße' für die palästinensische Sache gekämpft.

Aber wenn sich die Kommentatoren über die ,arabische Straße' auslassen, machen sich nur wenige überhaupt die Mühe, sie zu definieren. Nicht von Arbeitern und professionellen Gewerkschaftern, von Frauen- und Unternehmerorganisationen, Mitgliedern von Oppositionsparteien (legale und illegale), Schriftgelehrten, Künstlern, Studenten und Fachbereichen, Angestellten und von ländlichen und städtischen Bevölkerungsgruppen ist die Rede, sondern von einer amorphen Einheit - der 'arabischen Straße' eben.

Und als letzte und einzige Bastion für die Sache eines unterdrückten Volkes, wurde die 'arabische Straße' zur hauptsächlichen Zielscheibe der Unterwanderung: Gegen sie richten sich nicht nur die USA und ihre Propagandaorgane (zu welchen seit letztem Jahr Radio Sawa zählt und zu denen in den nächsten Jahren noch ein neuer arabisch-sprachige Fernsehsender hinzukommen wird), sondern auch neo-liberale arabische Intellektuelle. Sie wollen die Palästinensische Sache, das Hauptanliegen der 'arabischen Straße' , in den Mülleimer der Geschichte kehren, um sich Amerika und Israel zu unterwerfen - genau wie es schon die arabischen Regime taten.

Die neo-liberale Abneigung gegenüber dem palästinensischen Volk und gegenüber dem Vorrang der Palästinensischen Frage auf der ,arabische Straße' ist nicht neu. Schon seit den 60er Jahren zeigte sie sich bei einer ganzen Reihe von arabischen Regime und politischen Strömungen. Und alles, was die neo-liberalen arabischen Intellektuellen derzeit treiben, zielt nun darauf, diese Abneigung überall in der arabischen Welt zu mobilisieren und die 'Palästinensische Sache' ein für alle Mal zu verdrängen. Wenn also auf der einen Seite einige arabische Nationalisten und Islamisten meinen, dass Amerika für alle Schlechtigkeiten der arabischen Welt verantwortlich sei, so glauben die neoliberalen arabischen Intellektuellen auf der anderen, dass es die Priorität der ,Palästinensischen Sache' ist, die den Hauptgrund für alle Übel darstelle. Daher wollen sie die Abneigung gegen das palästinensische Volk mobilisieren, damit die arabische Welt die Palästinenser los wird und sich auf die langersehnte Vereinnahmung [Umarmung] durch Amerika und Israel vorbereiten kann - benannt auch als 'Politik und Modernek'. Als Ko-Autor eines Artikel in Al-Hayat bezeichnete kürzlich etwa bekannteste Neoliberale, Hazem Saghiyyah, den von ihm als 'arabistische Ideologie' bezeichneten arabischen Nationalismus als 'prä-politisch'. Oft lamentiert Saghiyyah darüber, dass die arabische Welt noch nicht in die Moderne eingetreten sei!

All das begann als die PLO in den späten 60ern und frühen 70ern das jordanische Regime bedrohte. Die Exzesse der PLO, deren Führung das palästinensische Volk genauso wenig repräsentierte wie die restlichen arabischen Regime die ihrigen, wurden den Palästinensern insgesamt vorgeworfen. So entstand eine starke Abneigung gegen die Palästinenser in der 'jordanischen Straße'... [Im folgenden beschreibt der Autor wie sich die Geschichte eines arabischen Ressentiments gegen die Palästinenser im libanesischen Bürgerkrieg, in Ägypten infolge der arabischen Isolierung des Landes nach Sadats Israel- und US-Politik sowie im Irak nach dem Kuwait-Krieg und dem Krieg der USA gegen den Irak fortgesetzt habe.]

Die Palästinenser, besonders diejenigen aus den besetzten Gebieten, die sehnsüchtig darauf warteten, dass sich irgendein arabisches Regime ihrer Sache gegen eine korrupte Autonomiebehörde und eine brutale Unterdrückung annimmt, jubelten Saddam immer dann zu, wenn er blumig über ihre Befreiung sprach - eine Rhetorik, die ihn wenig, sie aber viel kostete. Von der irakischen Opposition wurde dies als Beweis für eine Kollaboration mit Saddam propagiert. [...] Tatsächlich als Kollaboration zu betrachten ist es aber doch wohl, wenn in den vergangenen zehn Jahren wichtige Mitglieder der irakischen Opposition wie Ahmed Chalabi und unbedeutende wie Kanan Makiyya mit den Israelis bei Besuchen in Tel Aviv und mit der zionistischen Lobby in den USA konspiriert haben. Auch haben viele aus der irakischen Opposition in einem 'früheren Leben' für Saddam gearbeitet und/oder mit ihm Geschäfte gemacht - ganz abgesehen einmal von ihrer Kollaboration mit den USA und deren Einmarsch in ihr eigenes Land. Dies stellt aber wohl eine akzeptable Form der Kollaboration dar. [...]

Die Angriffe auf das palästinensische Volk von Teilen der arabischen Straße seit 1960 waren [nie] spontane Unmutsäußerungen, sondern [immer] das Ergebnis von organisierter Propaganda durch die herrschenden politischen Strömungen, gefördert durch kapitale Fehler und Exzesse der palästinensischen Führung. Es ist diese organisierte Propaganda, die nun, wo die Zeit reif zu sein scheint, von den neoliberalen arabischen Intellektuellen aufgegriffen und weiter verbreitet werden soll.

Die Diagnose der Neoliberalen ist dabei folgende: Das Engagement für Palästina seitens der arabischen Regime und des arabischen Nationalismus habe die arabische Welt unter diktatorischer Herrschaft gehalten, ihr Streben nach Modernisierung und Entwicklung gehemmt sowie die Entstehung extremistischer politischer Strömungen und ihre Dominanz verursacht. [Wenn man das hört,] könnte man glatt annehmen, die arabische Welt hätte sich ohne Palästina heute in punkto Entwicklung und liberaler Demokratie zu einem Abbild Westeuropas entwickelt und würde von einem künstlerisch-liberalen Pazifismus geprägt. Fragt sich nur, ob Palästina vielleicht auch dafür verantwortlich sein soll, dass die meisten Länder Lateinamerikas, Asiens und Afrikas den größten Teil des letzten halben Jahrhunderts undemokratisch waren und viele von ihnen es wie die arabischen Länder bis heute sind.

Nun würden ja nur wenige [der Analyse] widersprechen, dass die arabischen Herrscher und die politischen Bewegungen die 'palästinensische Sache' dazu benutzt haben, Übergriffe zu rechtfertigen, die von innerer Unterdrückung über diktatorische Herrschaft bis hin zu dem Verbot von politischem Engagement für die lokale Bevölkerung reichten. Die neoliberale Analyse verwechselt aber das, was in der Rhetorik hochgehalten wird, mit dem, was in der Politik [tatsächlich] Vorrang erhält. So liegt eine gewisse Ironie darin, dass die Neoliberalen, die den arabischen Regimen und den arabischen Politiker ja eigentlich kaum etwas glauben, dies ausgerechnet bei deren angeblichem Engagement für die ,Palästinensischen Sache' tun.

Die Priorität, welche die 'Palästinensiche Sache' in der arabischen Nachkriegspolitik genoss, entstand indes als Teil der grundlegenderen Priorität für die Dekolonisierung. Und als Algerien befreit war, blieb als einziges bedeutendes arabisches Land nur noch Palästina unter kolonialer Herrschaft Die arabischen Regime mussten also auf eine Situation antworten, die sie nicht selbst geschaffen hatten, aber erfolgreich erledigten [?] - von Bourgiba bis Arafat..

Die Neoliberalen aber sind nicht überzeugt. Der arabische Nationalismus [so sagen sie,] mag ja als organisierte politische Kraft gestorben sein, seine Rhetorik jedoch dominiere weiterhin und stelle eben Palästina nach wie vor in den Vordergrund. Wenn es sich aber wirklich so verhielte [wie sie sagen], dann kann doch (weil ja die arabischen Regime sich dem panarabischen Projekt in Wirklichkeit gar nicht mehr wirklich verpflichtet fühlen) die ,Palästinensische Sache' nicht der Grund dafür sein, dass die Regime undemokratisch und auf ihrem Weg Richtung Modernität zurückgeblieben sind, egal wie sehr die Neoliberalen auch auf dieser Kausalität beharren mögen.

Was die Islamisten angeht, so ist ihre zentrale Botschaft, einen 'islamischen Staat' errichten zu wollen und nicht Palästina zu befreien - obwohl sie letzteres vielleicht wegen der damit verbundenen zusätzlichen Zugkraft fordern mögen. Und die 'arabische Straße' betreffend, so hat diese die 'Palästinensische Sache' noch nie über die Fragen ihres alltäglichen Lebens gestellt: Sobald die Lebensmittelpreise steigen, erhebt sich die 'arabische Straße' von Tunis bis Amman. Wenn die USA im Irak einmarschiert, demonstriert die 'arabische Straße' von Rabat nach Bahrain. Von Frauenrechten zu Gewerkschaftsaktivitäten engagiert sie sich zu jedem möglichen Anlass wenn sie sich keiner staatlichen Repression gegenübersieht. Wann also hätte die 'Palästinensische Sache' die 'arabische Straße' jemals davon abgehalten, sich für ihre eigenen alltäglichen Belange einzusetzen? Auf welche Weise sollte die Solidarität, welche die 'arabische Straße' in Demonstrationen [für Palästina] an den Tag legt, sie von ihrem Marsch in eine US-gesponsorten Modernität ablenken?

Während die Argumente der Neo-Liberalen also an sich selbst scheiterten, ist deutlich geworden, dass es nicht die 'arabische Straße' ist, die zum Opfer einer ausgeklügelten, prä-politischen' Rhetorik wird, die ihr von einem 'antimodernen' arabischen Nationalismus oder dessen manipulativen diktatorischen Regime verkauft würde. Es stehen vielmehr die arabischen Neo-Liberalen als naive Konsumenten einer 'modernen und politischen' Rhetorik da, die aus den USA und Israel kommt und die sie nicht hinterfragen. Und weil sie ihre Strategie unvermindert fortführen, braucht man kein Prophet zu sein, um vorherzusagen, welchem arabischen Volk bald mitgeteilt wird, dass die Palästinenser für seine Misere verantwortlich seien!

'Die arabische Straße' war aber nie so leichtgläubig. So wurde etwa Radio Sawa [...]gegen den eigenen Willen zur Triebfeder, sich auf eine gemeinsame arabische Kultur zu beziehen: Mit seinem Geschwätz über die politische Irrelevanz der Palästinenser [...]hat es die arabische Welt nur an das Leid der Palästinenser im Schatten der Intifada erinnert. Jordanier, Libanesen, Maroniten, Schiiten und Kuwaiter, die die Palästinenser schon aufgegeben hatten, haben während deren letzter Schicksalsschläge Solidarität demonstriert. Und angesichts derart hasserfüllter Rhetorik werden auch die Iraker, ungeachtet der Exil-Opposition und ihrer Speichellecker innerhalb des Landes, mehr Durchhaltevermögen zeigen. Amerikanische Propaganda und neo-liberale Kolumnen lassen sich vielleicht an einzelne verkaufen - es scheint allerdings, dass die ,arabische Straße' gegenüber solch suspekten Angeboten mehr oder weniger resistent bleibt."

THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH INSTITUTE (MEMRI)
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