In der ägyptischen Wochenzeitung al-Ahram al-Arabi
erschien kürzlich ein Artikel der Autorin Rasha Amr, in dem sie auf die
Auseinandersetzungen um die Kanditatur eines marokkanischen Juden bei
den jüngsten Wahlen in Marokko eingeht. Sie gibt dabei Vorwürfe
islamistischer Gruppierungen wieder, die marokkanische Regierung
versuche sich gegenüber einer internationalen Öffentlichkeit durch die
Nominierung jüdischer Kandidaten als moderner und multikultureller Staat
zu präsentieren. Während die islamistischen Gruppierungen aus Sorge um
die nationale Sicherheit unter Repressionen leiden, würden die Risiken,
die durch die breite Beteiligung von Juden am politischen Leben
bestehen, nicht diskutiert.
Der Artikel Rasha Amrs erschien am 05. Oktober 2002:
"Für die
islamistischen Parteien in Marokko waren die Parlamentswahlen, die am
27. des letzten Monats in Marokko stattfanden, nichts weiter als die
Fortsetzung der Versuche des Landes, sich als ein moderner und dem
Westen zugewandter Staat darzustellen, als ein Staat, der die
traditionelle islamische Kultur mit den Erfordernissen einer säkularen
Gesellschaft im Prozess der Modernisierung, der Marokko hinterher
hechelt, verbindet.
Die Nominierung des marokkanischen Juden Eli al-Baz auf der Liste der
Sozialistischen Union der Populären Kräfte wurde von diesen Parteien – da zur
gleichen Zeit Scheich Ali Abdelsalam Yassine, der politische und spirituelle
Führer der verbotenen Partei der Gerechtigkeit und Wohlfahrt zwangsweise
festgesetzt wurde - als Versuch gewertet, Marokkos Identität einer kulturellen
und religiösen Vielfalt zu bekräftigen. Dies in der Hoffnung, sich gegen die
Probleme des Islamismus zu immunisieren, unter denen die islamischen Staaten
gerade angesichts der gegenwärtigen internationalen Verhältnisse leiden.
Andererseits behandelt man die Juden Marokkos als ‚Freunde des Hauses’, ihre
Versammlungen halten sie in völliger Freiheit ab, ohne dass sie jemand stört.
Dies ist ihnen aufgrund ihres völligen Pragmatismus möglich, der es ihnen
erlaubte, enge Beziehungen zu einigen marokkanischen politischen
Persönlichkeiten zu knüpfen. Diese Beziehungen sind so stark, dass es einigen
von ihnen gelungen ist, ins Parlament einzuziehen, so beispielsweise Meir
Aubadia im Jahre 1963 und Jo Rohana im Jahre 1984, ganz abgesehen von Eli
al-Baz, dessen Name während der letzten Wahlen aufglänzte. Es sind die ersten
Wahlen, an denen er nach seiner Beteiligung an der Wahlkampagne des jüdischen
Rechtsanwaltes marokkanischen Ursprungs, Meir Tolidano, im Jahre 1963 teilnahm.
Es sei auch erwähnt, dass die Rührigkeit der marokkanischen Juden, deren Zahl
sich derzeit auf etwa 20000 beläuft, eine lange Geschichte in zurückliegenden
marokkanischen Regierungen hat. Beginnend mit dem Juden André Azolay, der
Wirtschaftsberater König Hassans II. war und der diese Position auch im Stab von
Muhammad VI. behielt. Darüber hinaus gab es in den zurückliegenden
marokkanischen Regierungen jüdische Minister wie beispielsweise Sbirg Birdogo
[?], der den Posten des Ministers für Tourismus im Jahre 1993 einnahm, oder Léon
Bin Zakin, der die Position des Postminister zum Ende des Jahres 1955 ausfüllte.
Darüber hinaus gab es viele Juden, die verschiedene Rollen in wirtschaftlichen
und politischen Bereichen Marokkos spielten. Spürbar eingedrungen sind sie in
allen Ministerien und Behörden. Auf Grund dieser Entwicklung schließen
Beobachter nicht aus, dass viele dieser Juden in Spionageaktivitäten für die
Interessen Israels verwickelt sind.
Das gegenwärtige demokratische Klima in Marokko lässt vermuten, dass diese
Angelegenheiten aus Sorge um die nationale Sicherheit des Staates in den
Schubladen verborgen bleiben werden."