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MEMRI Special Dispatch - 4. Juni 2003

Kritik am Arabischen Nationalismus:
Die Chance des Liberalismus

Viele arabische Intellektuelle haben in den vergangenen Monaten mehr denn je die herrschenden Regimes im Mittleren Osten kritisiert. Das gilt besonders für einen Beitrag von Tawfiq Abu Bakr, Kolumnist für mehrere arabische Blätter, der Ende Mai in der palästinensischen Tageszeitung Al Ayyam erschien. Abu Bakr stellt darin dem Arabischen Nationalismus ein vernichtendes Zeugnis aus, verteidigt den Krieg gegen das Regime Saddam Husseins und fordert eine "arabische Renaissance".

(Hinweis: Einen Überblick über die Positionen von arabischen Intellektuellen in der Debatte um den Arabischen Nationalismus und die US-Politik in der Region gibt ein weiterer Text, der unter dem Titel "A Tale of Two Visions" auf der Startseite unserer Homepage unter www.memri.de zu finden ist.)

"Die Chance des arabischen Liberalismus"
(von Tawfik Abu Bakr)

"Ich glaube fest daran, dass es heute günstige und reichlich Möglichkeiten gibt, um liberales Denken in unserem Land voran zu bringen. [Insbesondere] nach dem tiefen Fall, den die anderen politischen Strömungen, die nationalistische, linke und die islamische, erlebt haben. Natürlich werden diese sich nun an jeden Strohhalm klammern, bevor eine breite Strömung sie hinwegfegt - die Strömung der Erneuerung, des Realismus und des Glaubens an Wissen, Logik und Besonnenheit. Deshalb stürzen sie sich mit ungewöhnlicher Bösartigkeit in die letzten Schlachten: Leichthin klagen sie jeden Vertreter anderer Meinungen an, Verräter, Kollaborateur des Kolonialismus oder - im Sprachgebrauch der radikalen Islamisten - Ungläubiger oder Ketzer zu sein. Wer ihre Schriften und ihre Propaganda liest und das Beben ihrer Stimmen auf den Bildschirmen vernimmt, merkt, wie hier die Nerven blank liegen, nachdem ihre Gedankengebäude vollständig zusammengebrochen sind.

Sie haben nicht eine ihrer Vorhaben wie Einheit, Demokratie, Befreiung und soziale Gerechtigkeit verwirklicht. Vielmehr haben sie bestätigt, dass sie sich, einmal an die Macht gelangt, in eine Klasse verwandeln, die sich ihrer Privilegien erfreut und die Menschen in sagenhaftem Ausmaß unterdrückt; [wenn man] all jenen Geschichten glauben kann, die aus dem Irak [unter Saddam Hussein] berichtet werden - von Massengräbern und dem kaltblütigen Hinmetzeln eines jeden, der sich dazu verführen ließ, das System zu kritisieren oder nicht alle Maßnahmen dieses Regimes mit der nötigen Begeisterung unterstützte.

Mit Panzern kamen die Nationalisten in den 50er Jahren und ihre wichtigste Botschaft war die Befreiung Palästinas. Aber in ihrer Ära ging der Rest von Palästina und arabisches Land von der dreifachen Größe Palästinas verloren. Sie stoppten die natürliche Entwicklung ihrer Gesellschaften [...], und die Massen weinten den Parlamenten und Parteien, die zuvor ein bescheidener Anfang für eine liberale Bewegung gewesen waren, nur wenige Tränen nach. Parlamente und Parteien wurden noch in der Wiege liegend lebendig begraben - zugunsten von revolutionären Ideen, für deren Umsetzung dann nie ein Weg gefunden wurde. Mehr als ein halbes Jahrhundert lang haben die Nationalisten unsere Völker [stattdessen] mit ihrer notorischen Parole ´Keine Stimme soll lauter sein als der Ruf nach der Schlacht´ - der Schlacht mit Israel und dem Imperialismus - in den Ohren gelegen. Als ob der Sieg [nur mit Propaganda] zu erringen wäre - ohne Demokratie, welche die Energien und verborgenen Möglichkeiten der Menschen doch erst zur Entfaltung kommen lässt.

Als die Staaten des sozialistischen Lagers zusammengebrochen sind, hieß es, dass den linken Parteien in unserem Land nichts anderes übrig bleibe, als daraus ihre Schlüsse zu ziehen. Dazu jedoch erklärte der bekannte ägyptische Intellektuelle Dr. Fuad Zakariya mir einmal: ,Sei kein Optimist. Niemand in unserem Land ist bereit, vom anderen zu lernen. Nicht eine Lektion werden sie lernen. Alles was passieren könnte, ist das die Schamesröte in ihren Gesichtern zunimmt. Sonst nichts.' Und so war es dann auch.

Das folgenschwere Erscheinen von fundamentalistischen Kräften in unserem Land ist keineswegs Resultat von irgendwelchen Leistungen, die sie vorzuzeigen hätten - solche gibt es einfach nicht. Nein, [ihr Erfolg] basiert auf einer großen Lücke im politischen Spektrum. Sie stießen in ein Vakuum, weil die anderen politischen Strömungen nichts mehr zu versprechen hatten und ihre überkommenen Programme und Symbole [...] weiter mit sich herumschleppten, statt sie zu erneuern. Auch die Führungen der Parteien haben sich bei uns nicht verändert; und sie werden sich wohl auch nicht wandeln. Der Generalsekretär einer linken Partei könnte die 90er überschreiten und er wäre immer noch im Amt. [...] Und als dann die Nationalkonferenzen und der nationalistische Islamismus kamen, durften wir in ganz genau dieselben Gesichter sehen und mit großem Widerwillen den immer gleichen Reden gegen Veränderung und Wandel zuhören.

Was wir also brauchen, ist die Entfaltung einer neuen Strömung - nämlich der liberalen Strömung, die sich nicht vor der Anschuldigung fürchten darf, der westlichen Tradition zu nahe zu stehen. Auch darf sie sicht vom Geschrei aus dem Kreis der "Freunde des lauten Rufs", die süchtig nach Feindschaft mit "dem Anderen" sind, erschüttern lassen.

Im Rahmen einer Befragung erklärten [vor kurzem] in der Sendung "Die Gegenrichtung" von Faisal al-Qasim beinahe 80% Prozent [der Befragten], sie würden den Kolonialismus gegenüber den repressiven arabischen Regimes vorziehen.

Dies ist eine Botschaft an die "lauten Rufer", dass Parolen [unter dem Motto] "gegen das Andere" die Allgemeinheit nicht länger täuschen oder einschüchtern. Ich rufe diese Brüder auf, in die irakischen Städten zu gehen und - fern ab der Kameras - die einfachen Menschen zu befragen. Die werden ihnen sagen, dass die Befreiung von einem Regime, das Land und Menschen, sowie Ackerbau und Viehzucht zugrunde gerichtet hat, eine große Leistung war - eine Leistung, die nur in der Art und Weise möglich war, wie es nun einmal geschehen ist. Zwar möchte niemand fremde Soldaten im eigenen Land sehen, aber es besteht trotzdem ein Unterschied zwischen schlimm und schlimmer. Wenn nicht geschehen wäre, was geschehen ist, würde wohl am Ende dieses und zu Beginn des nächsten Jahrhunderts im Irak noch immer ein [.] Nachkomme [Saddam Husseins] herrschen.

Es führt kein Weg darum herum, ein Konzept "internationaler humanitärer Intervention" zu entwickeln und nach genauer Prüfung präzise Regeln dafür festzulegen. [Nur so] können Völker aus den Klauen barbarischer Herrscher gerettet werden, die dies nicht aus eigener Kraft schaffen. Denn auf welche Weise diese Herrscher jede oppositionelle Stimme unterdrücken, übersteigt jegliche Vorstellungskraft. Ich selbst habe diesen Punkt bereits im Rahmen der internationalen Menschenrechtsbewegung vorgebracht und werde dies mit noch größerer Entschlossenheit weiter tun. Bisweilen habe ich auf der Welt-Menschenrechtskonferenz, die seit Jahren in Wien zusammenkommt, Anspielungen seitens despotischer arabischer Regimes gehört, die sich alle um die Frage nationaler Souveränität drehten und Einmischungen in die inneren Angelegenheiten eines jeden Landes ablehnten. Damit isolieren sie sich von ihren Völkern - und zwar, ohne dass es eine internationale Überwachung geben würde.

Wenn sich jemand in einer verlassenen Steppe allein einem wilden Raubtier gegenüber sehen würde und sich Leute aufmachten, ihn zu retten - würde er das nicht begrüßen? Wenn Amerika eines Tages die Initiative ergreifen und Israel (wie 1957 auf dem Sinai) zum Abzug aus den palästinensischen Gebieten zwingen würde - würden wir das [etwa] nicht begrüßen?

Wer hat euch gesagt, dass die Verbrechen des Systems von Saddam weniger grausam seien als die Maßnahmen der Besatzungspolitik? Ich habe die Besatzung im Juni 1967 und die von Kuwait 1991 erlebt - und ich habe hier nicht vor, einen Vergleich anzustellen, denn dessen Resultate fielen beschämend und schädlich aus.

Wir benötigen also einen aufklärerischen Aufstand [Nahda] weit weg von den Umwälzungen [Revolutionen], für die wir und unsere Völker einen hohen Preis gezahlt haben. Viele Staaten sind uns bei der Verwirklichung von Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit weit voraus. [.] Wir verharren auf der untersten Stufe, wenn es darum geht, unseren Völkern Glück zu verschaffen; ganz oben auf der Leiter tauchen wir hingegen bei der Verletzung von Menschenrechten auf [.]. Dies zeigen die Berichte der Vereinten Nationen und der arabische Bericht zur menschlichen Entwicklung, von dem ich mir wünsche, er würde der Allgemeinheit bekannt gemacht, damit alle wüssten, was diese "Revoluzzer" ihren Völkern angetan haben.

"Das Andere" ist eine "Bereicherung" und kein Gegensatz, wie es die Ideologie der überkommenen Parteien wissen will. Diese behaupten an den Pluralismus zu glauben, tatsächlich jedoch reden sie von ihren "Grundlagentexten" (1), anstatt Erkenntnisse über die wirklichen Lebensrealitäten ins Visier zu nehmen. Dem "Anderen" stehen sie feindselig gegenüber und jede Partei bombardiert die andere mir ihren heiligen Texten [.].

Wir sind immer noch weit entfernt von einer Revolution des Wissens. Einzig die liberale Strömung ist fähig zu einer solchen Revolution. Die alten Parteien fürchten das Wissen, weil sie sich allgemeinen Parolen verschrieben haben und sich mit rein theoretischen Fragen beschäftigen, ohne irgendeinen Glauben an Wissen, Ziffern, Statistiken und Definitionen. Sie stehen einer Revolution des Wissens, der Technik und der Kommunikation mit dem "Anderen - fern der vorangegangenen Feindschaft - ablehnend gegenüber. Sie wollen keine Zusammenarbeit mit [anderen] Kulturen und lehnen es ab, Nutzen aus dem enormen technologischen Fortschritt zu ziehen und die Lektionen der modernen Welt mit all ihren verblüffenden Entwicklungen zu lernen.

Allein der Liberalismus ist dazu imstande, die Meinungsmonopolisierung zu bekämpfen, die Lehren der Vergangenheit zu überprüfen und langsam, aber beständig und schrittweise Fortschritte zu erzielen [.]. [Dazu] ist es nötig, dass die Relativität der Wahrheit ans Licht kommt. [Denn] die Wahrheit ist relativ und gerade die Wechselwirkung zwischen [verschiedenen] Wahrheiten [bringt mehr als "Rechthaberei"]. Die relative Wahrheit ist von [konkreter] Lebenserfahrung bestimmt und profitiert von dieser. Also noch einmal: Wir werden nicht in das Zeitalter der "Renaissance und Aufklärung" eintreten [.] solange wir [unsere] Grundwahrheiten nicht konsequent in Frage stellen. Das war der Weg der Renaissance in Europa und vor uns liegt der selbe Weg."

Fußnote:
(1) Anspielung auf religiöse Quellentexte - hier aber sind wohl Parteiprogramme, ideologische Grundüberzeugungen, Prinzipienerklärungen, Standardformeln etc. gemeint.

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hagalil.com 05-06-03

 

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