Die falschen Verbrecher:
Arabische Reaktionen auf den Konflikt in Darfur
Von Thomas von der Osten-Sacken
Jungle World 33 -
04. August 2004
Die Idee von Amnesty International klang
bestechend: Kurze Zeit nachdem die Organisation die USA und den "War
on Terror" als Hauptursache der desolaten weltweiten
Menschenrechtslage identifiziert hatte, sollte in Beirut, sozusagen
im Herzen Arabiens, die Studie "Vergewaltigung als Waffe" über
Darfur im Sudan vorgestellt werden. Denn, so hieß es in der
Ankündigung, "der Nordsudan ist Teil der arabisch-islamischen Welt,
und die sudanesische Regierung sowie die von ihr unterstützen
Milizen, die furchtbare Menschenrechtsverletzungen in Darfur
begehen, profitieren von der Unterstützung oder dem Schweigen der
Staaten im Nahen Osten".
In einen kritischen Dialog mit der arabischen Welt
wollte man also treten und lud neben der Presse und dem
sudanesischen Botschafter Mohammed Bakhit auch Vertreter
libanesischer NGO ein. Frenetischer Beifall wurde, berichtet
entsetzt die libanesische Zeitung Daily Star, nicht etwa den
Vertretern von Amnesty gezollt, sondern Bakhit, der statt über
Darfur lieber über die Misshandlungen irakischer Gefangener durch
US-Soldaten im Gefängnis Abu Ghraib klagte.
Darfur, so des Botschafters Botschaft, sei
lediglich eine weitere imperialistisch-zionistische Verschwörung
gegen die arabische Einheit, und außerdem, so fügte eine
libanesische NGO-Aktivistin hinzu, gebe es Vergewaltigungen
schließlich überall. Die Veranstaltung habe, schreibt Julie Flint im
Daily Star, in erschreckender Weise eine Haltung manifestiert, die
sie als "Arabismus" bezeichnet: Verbrechen, die nicht von Israel
oder den USA begangen werden, seien der Rede nicht wert. Als 1988
die irakische Luftwaffe Giftgas gegen die Kurden einsetzte, fand
sich kein Dutzend arabischer Intellektueller, die diesen Angriff
verurteilten.
Dabei sah sich sogar die Arabische Liga im
Frühjahr diesen Jahres zum ersten Mal in ihrer 59jährigen Geschichte
gezwungen, eine Menschenrechtsdelegation in eines ihrer
Mitgliedsländer zu entsenden, die nach ihrer Rückkehr aus dem Sudan
von "schweren Menschenrechtsverletzungen" in der Region sprach. Der
Bericht allerdings wurde auf Druck der sudanesischen Regierung nie
veröffentlicht. Im Gegenteil, die arabischen Länder unternehmen
seitdem alles, um scharfe UN-Resolutionen gegen den Sudan zu
verhindern. Die Organisation der islamischen Konferenz hatte dem
Sudan sogar ihre "volle Solidarität" ausgesprochen und die
sudanesische Bevölkerung aufgerufen, vereinigt den "gegen sie
gerichteten Verschwörungen zu widerstehen".
Diese Sichtweise dominiert in den weitgehend
gleichgeschalteten arabischen Medien. Es sind nur wenige Stimmen,
mehr zwar als 1988, aber noch immer lächerlich wenig, die öffentlich
die paranoide Ideologie des "Arabismus" kritisieren, wie etwa der
syrische Schriftsteller Ammar Abdulhamid, der die Ignoranz und den
Rassismus gegenüber nichtarabischen Minderheiten thematisiert.
Ausgerechnet aber in der von Saudis finanzierten Zeitung al-Sharq
al-Awsat klagt der ehemalige Herausgeber Abd al-Rahman al-Rashed,
niemand in der arabischen Welt kümmere sich um das Schicksal der
Menschen in Darfur, sie seien schließlich "keine Opfer israelischer
oder amerikanischer Aggression".
hagalil.com
06-08-2004 |