MEMRI Special Dispatch – 26. August 2002
Arabische Kolumnisten über die Medienkampagnen arabischer
Regierungen nach dem 11. September
Seit dem 11. September verstärkten sich die
Bemühungen in der arabischen Öffentlichkeit, dem negativen Image der
arabischen Welt in den westlichen Medien entgegenzuwirken. Immer wieder
wurden dabei sowohl von Intellektuellen als auch von Politikern
Öffentlichkeitskampagnen vorgeschlagen, in denen ein anderes Bild der
politischen, sozialen und kulturellen Entwicklungen vermittelt werden
soll.
Diese Bemühungen wurden von verschiedener
Seite kritisiert, da es nicht allein um ein Imageproblem, sondern - so
der Vorwurf – um reale Probleme in den arabischen Ländern gehe. Im
Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel, die die Vorschläge arabischer
Öffentlichkeitskampagnen ironisch kommentieren.
Der ägyptische Journalist und
Theaterregisseur Ali Salem veröffentlichte am 06. Juni 2002 einen
Artikel in der Londoner Tageszeitung al-Hayat, in dem er die
Diskussionen um Fernsehprogramme, die sich an ein europäisches oder
US-amerikanisches Publikum richten sollen, karikiert:
„Auch ich unterstütze entschieden die
Ansicht, dass wir medientechnisch versagt haben, mit dem Westen unter
Verwendung seiner Begrifflichkeiten ins Gespräch zu kommen, was auch der
Grund dafür, dass der Westen an seiner feindlichen Haltung uns gegenüber
festhält und unsere Vorstellungen ablehnt.
Um dies richtig zu stellen, wird
vorgeschlagen, Fernsehstationen einzurichten, die direkt auf den Westen
‚ausgerichtet’ sind. [… Ich unterstütze die Idee eines
Fernsehprogramms,] um ihnen [den Menschen im Westen] die Realität –
unsere Realität – zu zeigen, und zwar nicht so, wie es die nicht immer
so unschuldigen Nachrichtenagenturen tun, sondern überzeugend. [...]
Wir sollten uns dabei nicht darauf
konzentrieren, Ereignisse abzustreiten, sondern [einfach] darauf, sie
anders zu interpretieren, auf eine Art und Weise, die die allgemeine
Meinung im Westen überzeugt. […]
Nehmen sie zum Beispiel die Meldungen über
Nizar Nayouf, der neun Jahre in einem [syrischen] Gefängnis war, raus
kam und einen riesen Wirbel verursachte, bis er verschwand und dann
wieder auftauchte, nur um zu behaupten, dass ihn jemand entführt hätte.
Dann ging er nach Frankreich, verschwand und tauchte 24 Stunden später
in Belgien wieder auf, wo er zusammengeschlagen im Wald gefunden und in
ein Krankenhaus gebracht wurde. [...] Es besteht kein Zweifel, dass wenn
der Westen diese Nachricht liest, er es so verstehen wird, dass wir
jemanden wegen einer Meinung, die anders ist als unsere, für fast ein
Jahrzehnt einsperren. Genauso könnte die Geschichte, dass Nayouf,
nachdem er verschwunden war oder entführt wurde, zusammengeschlagen in
einem europäischen Wald gefunden wurde, im Westen leider den Eindruck
hinterlassen, einige arabische Elemente hätten ihn entführt und ihn so
schlimm zusammengeschlagen haben, dass er ins Krankenhaus musste.
Wenn man es zulässt, dass sich ein solches
Ereignis in den Köpfen der Menschen im Westen festsetzt, würde dies
ernsthaft unseren Ruf als Araber schaden.
An diesem Punkt würde die Medienkampagne
mit dem Talkprogramm ‚Lügen widerlegt durch Fakten’ ansetzten, in
mindestens zwei Sprachen, in Englisch und Französisch. Hier ein Beispiel
aus diesem Programm:
Herr Nizar [Nayoub] sitzt neben einer
attraktiven Moderatorin. (Wenn er selbst nicht auftreten kann, könnte
man einen anderen Mann namens Nizar einladen, damit sie uns nicht
vorwerfen können, wir hätten gelogen.) [...]
Moderatorin: ‚Herr Nizar, die westlichen
Nachrichtenagenturen behaupten, dass Sie neun Jahre lang wegen ihrer
Ansichten eingesperrt wurden.’
Nizar: ‚Hahaha! Ich!? Eingesperrt!? Was für
eine Übertreibung ist das? Bezüglich meiner Person gibt es ein
Missverständnis, welches ich dem Westen erklären muss. […] Wie jeder
Intellektuelle sorge ich mich und streife von Ort zu Ort. Diese Sorge
hielt mich davon ab, korrekt zu denken. Vergeblich suchte ich
Beständigkeit. Die Regierung bemerkte das und musste mich vor meinen
Sorgen schützen, damit ich endlich leben würde. Erinnern Sie sich an
[Dale] Carnegies berühmtes Buch Sorge Dich nicht, lebe!?’
Moderatorin: ‚Sie wollen sagen, das man Sie
eingesperrt hat, um Sie vor dem Verderben und den Sorgen zu schützen?’
Nizar: ‚Selbstverständlich.’
Moderatorin: ‚Sie meinen, dies geschah in
Anlehnung an eine westliche Idee, die sich ein westlicher
Intellektueller ausgedacht hat?’
Nizar: ‚Genau. Es war notwendig, mich für
solange wie möglich an einen sicheren Ort zu bringen. Dieser Ort
entspricht überhaupt nicht den westlichen Vorstellungen von einem
Gefängnis.’
Jetzt wird ein Film eingeblendet. [Darin
sehen wir] einen großartigen Palast, der von ausgedehnten grünen Wäldern
umgeben ist. Die Gefangenen, in schicker Sportkleidung, spielen
Basketball und Fußball. Es gibt Schwimmbecken und die Gefangenen sind
glücklich und entspannt, während sie voller Spaß miteinander schwimmen
und plantschen.
Moderatorin: ‚Bei Allah! Ist das der schöne
sicherer Ort, wo Sie untergebracht waren?’
Nizar: ‚Warten Sie einen Moment, Sie haben
die Einzelzelle noch nicht gesehen.’
Es werden Aufnahmen von einem schönen
möblierten Zimmer gezeigt, dass mit einem Fernsehen, einem Telefon,
einem Kühlschrank, einem Computer, Bildern an den Wänden und Blumen
ausgestattet ist. Nizar erscheint in seiner schicken blauen
Gefängnisuniform aus Samt. Ein Gefängniswärter in einer Kellneruniform
serviert ihm einen Teller mit Essen.
Moderatorin: ‚Bei Allah! Der Westen weiß
sicherlich nichts über unsere Gefängnisse. Jetzt wird klar, warum ihre
Sichtweise auf uns so negativ ist.’
Nizar: ‚Selbstverständlich,
selbstverständlich.’
Moderatorin: ‚Welche Ideen hatten Sie in
diesen letzten Jahren?’
Nizar: ‚Ich hatte überhaupt keine Idee,
aber ich habe angefangen, kreativer zu denken.’
Moderatorin: ‚Was ist mit der Geschichte
über ihr 24stündiges Verschwinden? Wo waren Sie?’
Nizar (lacht und zwinkert): ‚Ist es nicht
nachvollziehbar, dass, wenn ein Mann wie ich, der das Leben liebt,
verschwindet, die Leute wissen wollen, wohin ich verschwunden bin?
Hahaha.’
Moderatorin: ‚Was ist mit der Geschichte,
man habe Sie schwer zusammengeschlagen in einem Wald in Belgien
gefunden?’
Nizar: ‚Schwer zusammengeschlagen? Ja, ich
wurde geschlagen, aber man kann es nicht schwer nennen. Sie hätten den
anderen Typen sehen sollen. Es gab einen Kampf und ich habe gewonnen.
Ich konnte das Krankenhaus ein paar Stunden später verlassen, aber er
schwebt noch immer zwischen Leben und Tod.’
Moderatorin: ‚Warum haben Sie gekämpft?’
Nizar: ‚Es besteht keine Notwendigkeit ins
Detail zu gehen. Es ist besser, den Ruf dieser belgischen Frau zu
schützen. Hahaha.’
Moderatorin: ‚Wir danken ihnen, Herr Nizar,
dass Sie die europäische und amerikanische Öffentlichkeit darüber
aufgeklärt haben, was ihnen in Europa passiert ist.’ […]“
Anlässlich eines Treffens des syrischen
Informationsministers mit seinem tunesischen Amtkollege schrieb der
saudische Journalist Daud Al-Sharian einen Kommentar mit
ähnlichem Tenor, der in der Tageszeitung al-Hayat am 08. August 2002
erschien:
„Der syrische Informationsminister, Adnan
’Omran, diskutierte in Tunis mit seinem tunesischen Kollegen Fathi
Al-Huweidi Möglichkeiten einer Kooperation im Bereich der
Öffentlichkeitsarbeit und dessen Weiterentwicklung. Der syrische
Minister brachte seinen Wunsch zum Ausdruck, die arabischen Bemühungen
auf internationaler Ebene zu stärken. […]
Es gibt keinen Zweifel darüber, dass das
syrisch-tunesische Treffen den arabischen Bemühungen um die
Öffentlichkeit dienen, weil Tunesien ein Land ist, welches sich um die
Interessen des arabischen Menschens sorgt. Tunesien betrachtet den
ausgiebigen Gebrauch der Nachrichtenmagazine und des Internets als
Bedrohung für die höchsten moralischen Werte der Gesellschaft. Anfang
des Jahres wurde ein tunesischer Jugendlicher verhaftet, der eine
satirische Internetseite entwarf, auf der er die Regierung kritisierte.
Die Regierung überwacht das spinnenartige Netzwerk [das Internet]
rigoros, da es die arabische nationale Sicherheit bedroht und die
Öffentlichkeit mit uneingeschränkten Nachrichten und Ansichten versorgt.
In Syrien sehen die Dinge ganz ähnlich aus.
Zeitungen werden wegen einer Karikatur konfisziert und syrische
Journalisten können jedes Mal feiern, wenn sie eine Lizenz für eine
Veröffentlichung bekommen – ganz zu schweigen von den erfreulichen
Bemühungen, das Internet einzuschränken, das Verbot, private
Satellitenkanäle und –radios zu besitzen, abgesehen von den Gesetzen und
Regulierungen, die einer Anarchie der Medien ebenso vorbeugen wie einer
Infiltration von Personen, die eine andere Meinung haben als die
Massenmedien, Personen, die danach trachten, die Interessen und Mittel
der Nation zu schädigen.
Es besteht kein Zweifel darüber, dass die
syrisch-tunesische Zusammenarbeit eine großartige und willkommene
Bemühung ist, aber es ist auch bemerkenswert, dass die Syrer genauso wie
die Tunesier die Medien behindern und diejenigen unterdrücken, die sich
im Namen der Redefreiheit darüber amüsieren.
Deshalb hoffen wir, dass diese beiden
ehrenwerten Länder die arabischen Bemühungen um eine Repression der
Medien zusammenbringen werden, so dass es möglich wird, von ihrer
reichen Erfahrung beim Schutz des arabischen Menschen vor dem Virus der
Freiheit zu profitieren - einem Virus, der begonnen hat, die Sicherheit
und Stabilität zu bedrohen.“
THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH
INSTITUTE (MEMRI)
eMail:
memri@memri.de,
URL:
www.memri.de
© Copyright 2002. Alle Rechte
vorbehalten.
hagalil.com
25-07-02 |