Zum Krieg gegen den Irak:
Gerecht und gerechtfertigt
Kommentar von Yoel Marcus, Ha'aretz, 14.03.2003
Übersetzung Daniela Marcus
Präsident Bushs Situation erinnert mich an die
letzte Szene des klassischen Westerns "High Noon". Der Scheriff,
gespielt vom legendären Gary Cooper, ist von den Leuten der Stadt
verlassen und schreitet zielstrebig durch die ausgestorbenen Straßen
in Richtung des unvermeidlichen Showdowns mit dem Verbrecher. Dies
ist der atemberaubende Moment, in dem man entweder gewinnt oder
stirbt. Es gibt kein Zurück.
Ein hoher israelischer Beamter sagte, es würde zu
einer Katastrophe mit enormen Folgen für die Weltordnung in dieser
Region kommen, sollte Bush den Angriff anhalten oder abblasen. Man
bewegt nicht die halbe US-Armee von einem Ende der Erde bis zum
anderen, nur um jemandem Angst einzujagen, sagt ein Militärexperte.
Niemand geht nach Hause bis Amerika den Sieg erklärt hat. Und Sieg
bedeutet die Absetzung von Saddam und die Zerstörung aller
Massenvernichtungswaffen, die im Irak versteckt sind.
Im gegenwärtigen Zustand der Angelegenheit wird
jedes andere Resultat als vernichtende Niederlage Amerikas
betrachtet werden. Manchmal kann man nur mit Gewaltandrohung das
gewünschte Ziel erreichen. Doch Saddams Regime zeigt keine
Anzeichen, als stürze es ein wie die Mauern von Jericho durch den
Ton eines Widderhorns. Besonders jetzt nicht, da die Vertreter der
aufgeklärten Welt –Frankreich, Deutschland und Russland- zu Saddams
Hilfe geeilt sind. Somit scheint eine amerikanische Invasion
–möglicherweise im Alleingang- unvermeidbar zu sein.
Keiner ist ganz richtig im Kopf, inklusive der
islamischen Länder in dieser Region, der nicht sieht, dass Saddam
ein grausamer und unberechenbarer Diktator ist und eine potentielle
Gefahr für Bürger und Regierungen überall auf der Welt. Es ist
schwer zu fassen, dass die Handelsinteressen und die politischen
Interessen der Europäischen Union diesen Mann, der den Iran
angegriffen hat, ohne mit der Wimper zu zucken nach Kuwait
einmarschiert ist und Tausende von Kurden mit Nervengas umgebracht
hat, in eine Mutter Theresa verwandelt haben. Europäische
Anstrengungen, diesen Kerl zu retten, sind ein Versuch, Amerikas
guten Ruf zu ruinieren und die Flügel der Supermacht, die über
globale Prioritäten entscheidet, zu stutzen.
Jemand, der nicht in Amerika war, kann das enorme
Trauma, durch das dieses Land seit den tragischen Ereignissen des
11. September gegangen ist, nicht nachvollziehen. Geschützt zwischen
zwei Ozeanen hat Amerika beinahe alle seine Kriege außerhalb der
Heimat geführt. Die Mehrheit der Amerikaner war nicht darauf
bedacht, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten. Wäre der japanische
Angriff bei Pearl Harbor nicht gewesen, hätte Roosevelt niemals eine
Mehrheit für den Kriegseintritt gegen Deutschland Ende 1941
erhalten.
Friedhöfe in der ganzen Welt sind voll mit
abertausenden von jungen Amerikanern, die starben, um Freiheit und
Zivilisation gegen die Mächte des Bösen zu verteidigen. Diese
Verteidigung gab Roosevelt im Dezember 1941 beim Ersuchen der
Genehmigung des Kongresses als Grund für den Kriegseintritt an. Der
September 2001 war das erste Mal, dass Amerika sich zuhause bedroht
vorfand, von einem gesichtslosen islamischen Feind, der aus dem
Nichts auftauchte.
Chirac und Schröder, die unter den ersten waren,
die ihre Solidarität mit Amerika ausdrückten, versprachen im Krieg
gegen den Terror zu kooperieren. Das Problem ist, dass Terror dieser
Art keine exakte Adresse hat. Als Bush der Achse des Bösen den Krieg
erklärte, machte er klar, dass er damit alle Länder meinte, die
Terroristen Unterschlupf gewähren und alle Länder, die
Terrortaktiken einsetzen.
Die Offensive gegen Afghanistan wurde unter der
Schirmherrschaft der UN ausgeführt, doch Bin Laden wurde nie
gefangen. Von da an liefen die Dinge schief. Bush und seine
dienstälteren Berater, die noch aus den Tagen seines Vaters stammen,
vergaßen, die Probleme zu berücksichtigen, die sich ergeben, wenn
man ohne Casus belli in den Krieg zieht.
Bushs erster Fehler war, keine feste Verbindung
zwischen Saddam und den Septemberangriffen herzustellen. Sein
zweiter Fehler war, die Kriegsziele auszuweiten – angefangen von der
Eliminierung Saddams bis zur Umformung des Irak in eine Demokratie,
eine Regierungsart, die bei den regionalen Führern nicht sehr
beliebt ist. Der dritte Fehler war, die wachsende Intensität der
anti-amerikanischen Gefühle in Europa nicht zur Kenntnis zu nehmen,
und auch nicht Europas Interessen in der islamischen Welt und seine
Abneigung, einem ungehobelten Cowboy aus Texas zu erlauben, jedes
ausgewählte Ziel zu beschießen und Führer und Regimes nach Lust und
Laune zu stürzen.
Doch abgesehen von den Fehlern verdient es Bushs
Offensive in den Termini der Gerechtigkeit der Sache geprüft zu
werden. Saddam ist ein heißes Eisen in der Achse des Bösen. Ihn
loszuwerden ist gerecht und gerechtfertigt und eine wichtige
Wegstation in Bushs Kampagne zur Entwurzelung des Terrors, auch aus
unserer Mitte. Wenn Amerika glaubt, die richtige Entscheidung
getroffen zu haben und zuversichtlich ist, dass es Erfolg haben
wird, können wir nur hoffen, dass es einmarschieren wird und schnell
wieder herausgeht, bevor es in ein zweites Vietnam verwickelt wird.
hagalil.com
14-03-2003 |