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Die Schuld der anderen

Israelis und Palästinenser überhören Bushs Kritik an der eigenen Politik und erwarten Zugeständnisse der Gegenseite

Thorsten Schmitz

Die Rede von US-Präsident George W. Bush ist im Nahen Osten auf taube Ohren gestoßen – sowohl bei den Palästinensern als auch bei den Israelis. Obwohl Bush beide Seiten kritisiert und zu Schritten in Richtung Frieden aufgefordert hat, picken Palästinenser und Israelis die ihnen jeweils genehmen Punkte der Ansprache heraus und benutzen sie als Argument, um die Gegenseite zu ersten Schritten aufzufordern.

Unter Ausblendung der Realität haben palästinensische Funktionäre Bushs Rede kurz nach deren Live-Ausstrahlung im israelischen Fernsehen als „Hoffnungsschimmer“ gewertet. Selbst Palästinenser-Führer Jassir Arafat, zu dessen Ablösung der amerikanische Präsident indirekt aufgerufen hat, nannte die Rede einen „ernsthaften Beitrag“ zum Friedensprozess. Dass Bush die Bildung eines Palästinenser-Staates nur nach einer tief greifenden Reform der Autonomiebehörde unterstützen will, stieß bei den Palästinensern dagegen auf Unverständnis und Ablehnung. Kommunalminister Saeb Erekat, der Bushs Vision einer Zwei-Staaten-Lösung grundsätzlich lobte, erwähnte beiläufig, dass die USA nicht die Führung der Autonomiebehörde bestimmen könnten; das könne ausschließlich das palästinensische Volk. Es werde Präsidentschafts- und Parlamentswahlen Anfang Januar 2003 geben sowie Kommunalwahlen im darauf folgenden März. Jassir Arafat werde dann mit Sicherheit zur Wahl stehen.

In Israel wurde die mehrfach verschobene Rede Bushs mit Begeisterung aufgenommen. Der Sprecher von Premierminister Ariel Scharon, Raanan Gissin, erklärte noch weit nach Mitternacht mit einem Lächeln im Gesicht: „Die Rede entspricht völlig unserer Sicht der Dinge. Erst müssen die Palästinenser die Gewalt gegen Israel einstellen und ihre Autonomiebehörde reformieren, bevor überhaupt an die Bildung eines Staates gedacht werden kann.“ Dass der um eine gewisse Ausgewogenheit bemühte US-Präsident jedoch auch die Besatzung von Westjordanland und Gaza-Streifen als hinderlich auf dem Weg zu einem friedlichen Endstatus bezeichnete und einen sofortigen Stopp des Baus jüdischer Siedlungen forderte, verhallte ungehört im Regierungslager. Dort sind nun alle Augen auf die Palästinenser gerichtet, die erst einmal ihren Terror einstellen sollen, bevor das Thema Siedlungen angeschnitten wird. Bush hat nach übereinstimmender Ansicht aller Koalitionspartner in der israelischen Regierung in Worte gefasst, was Israel seit Beginn der Intifada der Weltöffentlichkeit zu erklären versucht: dass Arafat ein großzügiges Angebot abgelehnt und stattdessen den Weg der Gewalt gewählt habe.

Nichts als Worte

Die einseitigen Reaktionen auf beiden Seiten sind typisch. Die Fähigkeit zur Selbstkritik ist bei palästinensischen und israelischen Funktionsträgern gleichermaßen unterentwickelt. Wenn es zu Gesprächen zwischen Palästinensern und Israelis kommt, im Fernsehen etwa, wird stets die andere Seite für die Intifada verantwortlich gemacht. Beispiele für Doppelzüngigkeit gibt es auf beiden Seiten. Arafat etwa sagt, er wolle Verhandlungen führen – derweil entern israelische Marinesoldaten ein Schiff, auf dem 50 Tonnen Waffen für die Intifada gefunden werden. Die israelische Regierung verlangt Reformen der Autonomiebehörde – und zerstört bei den jüngsten Einmärschen deren Infrastruktur, darunter auch Bildungseinrichtungen.

Politische Kommentatoren in Israel haben die Bush-Worte bereits als wenig hilfreich bezeichnet. Dass der amerikanische Präsident noch nicht einmal die internationale Nahost-Konferenz erwähnt und auch keinen Termin für die nächste Reise seines Außenministers Colin Powell genannt hat, zeige, dass die USA außer Worten derzeit nichts für eine Lösung der Nahost-Krise anzubieten hätten. Der israelische Oppositionsführer Jossi Sarid von der linken Meretz- Partei bezeichnete die Rede als „womöglich angemessen für ein friedliches Washington, aber nicht für Jerusalem und Ramallah, die in Blut versinken“.

Übereinstimmend wird die Rede in den israelischen Medien als Ereignis gewertet, das Arafats letzte Tage eingeläutet habe. Ohne Aussicht auf Rückendeckung der US-Administration könne der Palästinenser-Führer nicht weiterregieren. Er sei nun offiziell als „Dead Man Walking“ abgestempelt. Zugleich sei die Rede ein „Freibrief“ für israelische Militäroperationen, zur Verhinderung von Selbstmordanschlägen. Bush habe zwar einen Rückzug der israelischen Armee auf Positionen vor Beginn der Intifada vor 21 Monaten gefordert – aber einen Zeitrahmen habe er nicht genannt.

Thorsten Schmitz / SZ vom 26.06.2002 / Ressort: Nachrichten

Ansichten aus Israel

haGalil onLine 26-06-2002

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