MEMRI Special Dispatch – 7. Dezember
2004
Kritik von ägyptischem Autor:
US-Gesetz gegen Antisemitismus einseitig
Mitte Oktober wurde in den USA der
Global Anti-Semitism Review Act verabschiedet. In den arabischen Medien
hat dieses Gesetz, welches das US-Außenministerium damit beauftragt, die
weltweite Entwicklung von Antisemitismus zu dokumentieren, heftige
Reaktionen ausgelöst. Viele Kommentare beschrieben es als Versuch,
Kritik an der israelischen Politik zu unterbinden.
Am 28. November 2004 veröffentlichte die
ägyptische Literaturzeitung Akhbar al-Adab eine arabische Übersetzung
des Gesetzes – begleitet von einem kritischen Kommentar des renommierten
Schriftstellers und Chefredakteurs der Zeitung, Gamal al-Ghitani. In der
aktuellen Ausgabe der Zeitung geht Al-Ghitani dann erneut auf das Gesetz
ein und fordert die arabische Öffentlichkeit dazu auf, dagegen zu
protestieren. Im Zentrum seiner Kritik steht die Feststellung, dass das
Gesetz sich allein auf den Schutz von Juden beschränke, obwohl es doch
weltweit eine große Zahl rassistisch diskriminierter Gruppen gebe.
Außerdem schließe der Begriff des Antisemitismus dem Namen nach auch
Verfolgungen von – ebenfalls semitischen – Arabern ein.
Trotz der auch von arabischen Autoren
formulierten Einwände gegen diese populäre Fehlinterpretation des
Begriffes Antisemitismus [1], wurde das Argument in der Kritik des
US-Gesetzes wiederholt vorgetragen. In ähnlicher Weise wurden in der
Vergangenheit auch Initiativen der UN, EU oder OSZE zur Bekämpfung von
Antisemitismus kommentiert. Der im Folgenden dokumentierte Kommentar von
Gamal al-Ghitani erschien am 5. Dezember 2004 unter dem Titel "Gegen die
Diskriminierung...":
"In der letzten Ausgabe der Akhbar al-Adab
erschien eine wissenschaftliche Dokumentation des amerikanischen
Gesetzes zur Beobachtung des Antisemitismus […]. Dieses Gesetz, so sagen
Experten, ist [etwas Neues] in den internationalen Beziehungen und im
internationalen Recht, denn es wurde in den USA erlassen, soll aber in
der ganzen Welt zur Anwendung kommen.
Sein Titel ist einleuchtend und kein
Mensch könnte etwas dagegen haben – ist doch der Antisemitismus eine
abscheuliche, ja eine barbarische rassistische Angelegenheit. Wenn man
aber die Präambel des Gesetzes liest, stößt man mit Erstaunen auf einige
Details, die sich auf eine Rede des ehemaligen malaysischen
Premierministers Mahathir Mohamed, eine ägyptische Fernsehserie sowie
ein paar andere Ereignisse hier und da beziehen. [2]
Bei der inhaltlichen Prüfung des Gesetzes
fällt dann auf, dass es sich voll und ganz auf die Juden konzentriert.
Wir brauchen an dieser Stelle nicht noch einmal unsere klare und
prinzipielle Ablehnung jeder Unterdrückung einer Gruppe aufgrund ihrer
Religion oder einer bestimmten Abstammung zu wiederholen – was einen
aber zutiefst verwundert ist, dass sich das Gesetz allein auf die Juden
beschränkt, obwohl mit dem Begriff Semiten doch auch die Araber gemeint
sind. Araber oder Angehörige anderer Religionen oder Ethnien kommen hier
aber nicht vor.
'Die Liste [der weltweit Verfolgten] ist
lang, das amerikanische Gesetz aber nennt nur die Juden …'
Wenn die größte Macht der Welt ein Gesetz
gegen rassistische und religiöse Diskriminierung erlässt, dann wäre zu
erwarten gewesen, dass es alle Formen der Unterdrückung umfasst, die
weltweit aufgrund von ethnischem und religiösem Rassismus ausgeübt
werden. Denn wer sich die Welt heute anschaut, stellt fest, dass es
zuerst die Muslime und Araber sowie Schwarze im Besonderen und farbige
Menschen im Allgemeinen sind, die - auch in den USA - von
Diskriminierungen betroffen sind. Außerdem gibt es Rassen [a'raq] wie
die Sinti und Roma [ragar], die schon lange besonders stark unterdrückt
werden.
Die Liste [der Unterdrückten] ist lang,
das amerikanische Gesetz aber nennt nur die Juden. Dabei umfasst es
sogar den Zionismus, obwohl der doch eine politische und keine religiöse
Bewegung ist. Das Gesetz geht sogar noch weiter und schließt auch den
Staat Israel ein. So wird beinahe jeder kritische Artikel oder jede
kritische Meinung über die israelische Politik zu einem Verbrechen, das
bestraft werden muss.
Über diese Strafen, spricht das Gesetz
nämlich gleich mit - denn als von einer Großmacht erlassene Bestimmung,
enthält es auch die Instrumente zu seiner Durchführung und Umsetzung. So
wird es in jeder amerikanischen Botschaft einen Vertreter geben, der
alles beobachtet, was [in dem jeweiligen Land] über Juden, den Zionismus
und Israel veröffentlicht wird. Auf dieser Grundlage wird die Bestrafung
festgelegt, die verschiedene Formen annehmen kann. Dazu gehören etwa die
Verweigerung oder Reduzierung von Unterstützungsleistungen oder
unterschiedliche Formen eines Embargos - angefangen von wirtschaftlichen
bis hin zu militärischen Gütern. Es könnte soweit gehen, dass Literaten
und Künstler weltweit verfolgt werden.
Das Gesetz gegen die Verfolgung von
Semiten, trifft die ganze Menschheit. Es stellt eine effektive Form
globaler Zensur dar und ist damit eine Katastrophe für die Menschheit im
Allgemeinen und die Muslime und Araber im Besondern, da diese momentan
das vorrangige Ziel der USA sind.
'Wer bestraft den Rassismus in Israel?'
Angesichts dieser neuen Situation stellt
sich die Frage: Was tun? Können wir etwas tatsächlich Wirksames
unternehmen - jenseits von aufgeregten Artikeln, die wir für uns selber
schreiben und jenseits von Positionen, die von Ignoranz und
Feindseligkeit gegenüber [anderen] Religionen oder Rassen geprägt sind?
[Einige] Professoren für internationales Recht haben Aktivitäten
begonnen, die wir verfolgen und beobachten werden. Die ganze
Angelegenheit ist aber so ernst, dass sie nicht nur die juristischen
Experten angeht. Es ist daher nötig, ein allgemeines Problembewusstsein
zu schaffen und die unabhängigen und staatlichen Organisationen, die
gegen Diskriminierungen kämpfen, zu unterstützen.
Leider gibt es davon bei uns nicht viele.
Die wohl wichtigste der in diesem Feld arbeitenden Organisationen ist
'Arabs against Discrimination'. [3] In dieser Ausgabe von Akhbar al-Adab
veröffentlichen wir Auszüge von dem, was die Organisation im Internet
präsentiert. Diese Informationen demonstrieren die hässliche
rassistische Seite Israels. Wir zeigen Karikaturen, die sich in
primitiver Form über den Islam und die Araber lustig machen, und die es
so in der arabischen Welt nicht gibt.
Es stellt sich also die Frage: Wer
bestraft diejenigen, die sich im jetzt unter globalen Schutz gestellten
Israel eines hässlichen Rassismus bedienen? Diese Frage erfordert
wissenschaftliche, politische und juristische Schritte. Ansätze dafür
gibt es: Zum Beispiel die Aktivitäten von Professoren für
internationales Recht und einiger Intellektueller, die sich des Problems
bewusst sind. Außerdem ist eine wissenschaftliche Initiative auf einer
nicht-öffentlichen Tagung gestartet worden, zu der die Arabische Liga
eingeladen hat und dessen Ergebnisse wir in der nächsten Woche
veröffentlichen werden. Auf diplomatischer Ebene ging dem ein wichtiges
Ereignis voran, als es nämlich die arabischen Außenminister bei einer
Konferenz in Brüssel durchsetzen konnten, dass Araber und Muslime in
einem speziellen Gesetz zum Antisemitismus erwähnt werden. Und auf einer
Konferenz, die das ägyptische Außenministerium und die Europäische Union
in der vergangenen Woche in Sharm al-Sheikh veranstalteten, wurde
empfohlen, die Araber in alle Gesetze gegen den Antisemitismus mit
aufzunehmen. [4] Zudem heißt es […], dass die Möglichkeit bestehe, vor
einem amerikanischen Gericht gegen die Verfassungsmäßigkeit des
[US-]Gesetzes zu klagen.
Tatsache ist, dass es sich hier um ein
Gesetz handelt, das mit seiner offenkundigen Diskriminierung gegen alle
humanitären und nicht-humanitären Anschauungen verstößt. Dieses Gesetz
ist ein äußerst parteiisches Gesetz, das unter dem Deckmantel erlassen
wurde, gegen Parteilichkeit wirken zu sollen. Was also werden wir
unternehmen?"
Anmerkungen:
[1] So etwa Azmi Bishara in Al-Ahram Weekly vom 3. Dezember 2003:
http://weekly.ahram.org.eg/2003/667/op2.htm
[2] Zum Auftakt des Gipfeltreffens der 57 Mitgliedstaaten der Organisation
der Islamischen Konferenz (OIC) sprach Mahathir Mohamed in einer
weltweit scharf kritisierten Rede unter anderem von einer
"Weltherrschaft der Juden".
Mit der "ägyptischen Fernsehserie" ist die 2002 ausgestrahlte und auf den
'Protokollen der Weisen von Zion' basierende Ramadan-Serie 'Reiter ohne
Pferd' gemeint. Vgl. dazu:
http://www.memri.de/uebersetzungen_analysen/themen/antisemitismus/
as_protokolle_05_11_02.html
[3] http://www.aad-online.org/
[4] Sowohl bei der OSZE-Konferenz in Brüssel als auch während des Treffens
in Sharm al-Sheikh wurde von europäischer Seite eingeräumt, dass
Rassismus im Allgemeinen verschärft bekämpft werden müsse.
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