In der jüngsten
Vergangenheit wurde in der ägyptischen Öffentlichkeit immer wieder über
mögliche Nachfolger des gegenwärtigen Präsidenten Hosni Mubarak
diskutiert. Verstärkt durch den Tod langjähriger Herrscher wie Hafez
al-Assad in Syrien und König Hussein in Jordanien rückte auch in Ägypten
die Kandidatenfrage ins Interesse der Öffentlichkeit.
Die Benennung Gamal Mubaraks, dem Sohn Hosni Mubaraks, zum Sekretär für
Politische Angelegenheiten der regierenden National Democratic Party während der
8. Generalversammlung der Partei im vergangenen September hatte erneute
Diskussionen zur Folge, in denen Gamal Mubarak als potentieller
Präsidentschaftskandidat im Jahre 2005 gehandelt wurde. Die Wichtigkeit dieses
Themas wurde zuletzt mit einer vielbeachteten Rede des renommierten Historikers
Muhammad Hassanin Haikals an der Amercian University in Cairo deutlich. Anders
als erwartet nutzte er die Gelegenheit nicht für eine Auseinandersetzung mit der
politischen Situation in der Region, sondern für eine Kritik des politischen
Systems in Ägypten. Darin machte er deutlich, dass sich sowohl Mubarak als auch
sein Sohn Gamal mehrfach gegen eine Kandidatur Gamal Mubaraks ausgesprochen
haben.
In der in London erscheinende Tageszeitung al-Quds al-Arabi erschien kürzlich
ein Artikel, in dem der Möglichkeit einer solchen Kandidatur nachgegangen wird.
Der Autor des Artikels, William al-Miri, beschreibt dabei die Diskussionen um
die Kandidatur Gamal Mubaraks als Ausdruck der "Verbrechen, die die
militärischen Diktaturen" an den Ländern der Region begangen haben. Der Artikel
erschien am 18. Oktober 2002:
"Niemand bestreitet das Fehlen der Demokratie in der arabischen Welt, und
niemand bestreitet, dass die meisten arabischen Länder von diktatorischen
Herrschern regiert werden. Gerade jene Länder unter Militärdiktaturen, die als
Folge von Militärumstürzen entstanden - angefangen vom Putsch der Generäle in
Syrien Ende der 40er Jahre, gefolgt vom Coup in Ägypten unter Führung von Gamal
Abd al-Nasir, im Irak unter Abd al-Karim Qasim, im Jemen unter Abd Allah
al-Silal, in Libyen unter Muammar al-Qaddafi und im Sudan unter Gafar al-Numeiri
– unterliegen einer solchen Herrschaft. Die Diktatur im Irak ist eine zivile
Diktatur in militärischem Gewand, denn Saddam war kein Mann des Militärs,
sondern machte sich selbst zum Feldmarschall. Er besteht darauf, dass seine
Minister Militärkleidung tragen, obwohl die meisten von ihnen Zivilisten sind.
Während das Gerede über die Demokratie in der arabischen Welt begann und den
Herrschenden die Unzufriedenheit ihrer Völker mit den militärischen Herrschern
deutlich wurde, verstärkte sich gerade nach dem 11. September auch die Kritik
aus dem Ausland an dieser Regierungsform. Die USA begann, ihr Schweigen über die
militärischen und diktatorischen Herrscher in der arabischen Welt zu überdenken,
die das Ausbreiten des islamischen Fundamentalismus förderten, welcher wiederum
den Terrorismus auf die Welt brachte, der über die USA hereinbrach. Nun drohen
und versprechen die USA, die Diktatur Saddam Husseins zu beenden.
Nach diesen Veränderungen im Ausland – und eventuell im Inland – im Verhältnis
zur militärischen Diktatur zeigte sich einen neues Gesicht dieser Diktaturen:
Ein ziviles Gesicht. Dieses neue Gesicht tauchte zunächst in Syrien auf, nachdem
Bashar Assad, der Sohn Hafez Assads und Augenarzt, die Nachfolge seines Vaters
angetreten hatte. Anzeichen für diese Tendenz sind auch im Irak, in Ägypten und
in Libyen zu erkennen. Die Leute reden darüber, Qussai könne die Nachfolge
seines Vaters Saddam Husseins antreten, und Seif al-Islam die seines Vaters
Muammar al-Qaddafi. In Ägypten sprach man darüber, Gamal Mubarak könne der
Nachfolger seines Vaters Hosni Mubaraks werden.
Die Vorbereitung Gamals begann vor nicht langer Zeit. Er fing an, in der
Wirtschaft aufzutauchen und wurde Mitglied und Sprecher des
ägyptisch-amerikanischen Wirtschaftsrates und dessen Sprecher. In diesem
Zusammenhang traf er auf dem Wirtschaftsforum im Schweizer Davos vor einigen
Jahren den amerikanischen Journalisten Thomas Friedman. Friedman beschrieb ihn
anschließend als fähige Person. Schließlich begann er, auch im politischen
Bereich aufzutreten. Nach den letzten organisatorischen Veränderungen in der
regierenden Nationalen Partei Ägyptens hat seine Rolle in der Politik weiter
zugenommen.
Der islamische Schriftsteller Fahmi al-Huweidi schrieb dazu in einem Artikel in
der Tageszeitung al-Sharq al-Awsat unter dem Titel ‚Leise Umstürze in Ägypten’ -
und ich zitiere wörtlich, was er schrieb: ‚Die Gerüchte, die in den letzten
Monaten in Ägypten über eine mögliche Kandidatur Gamal Mubaraks, des ältesten
Sohnes Hosni Mubaraks, kursierten, haben sich zu Nachrichten entwickelt, die
seit vergangenem Dienstag glaubwürdig geworden sind. An jenem Tag hat der
Präsident einige Beschlüsse über die Neubildung der Führung der regierenden
National[-Demokratischen] Partei erlassen, durch die Gamal Mubarak die
wichtigste Person in der Partei wurde. Durch die Bekräftigung, dass die
Regierung eine Regierung der Mehrheitspartei ist, ist es nicht mehr übertrieben
zu sagen, Gamal Mubarak ist praktisch zur einflußreichsten Person im System
geworden, natürlich nach Hosni Mubarak. Dies bedeutet einen großen
Bedeutungsgewinn seiner Rolle in der politischen Landschaft und öffnet ihm die
Tür für eine Kanditatur bei den Präsidentschaftswahlen am Ende der vierten
Regierungsperiode des Präsidenten Mubarak im Jahr 2005.’
Nach Ansicht Huweidis ist dies Teil eines Szenarios, in dem mit Gesetzen die
Übernahme der Präsidentschaft durch Gamal Mubaraks vorbereitet wird, bis sich
das zivile Gesicht der militärischen Diktatur vervollständigt. Um dies zu
bestärken und um dem Bild vom neuen System eine demokratische Gestalt zu geben,
könnte auch anderen zivilen Persönlichkeiten die Möglichkeit einer Kandiatur
eröffnet werden. Leider gibt es in Ägypten derzeit keine Persönlichkeiten, die
mit ihrer Position und ihrem Können in der Lage wäre, mit Gamal Mubarak zu
konkurrieren. Das ist ein weiteres Verbrechen der militärischen Herrschaft an
Ägypten. Diese Herrschaft hat Ägypten kastriert. Es bringt keine echten
Führungspersönlichkeiten mehr hervor, wie es sie in den zwanziger und dreißiger
Jahren noch gab, obwohl Ägypten damals lediglich ein Drittel oder ein Viertel
seiner heutigen Bevölkerung hatte. Ägypten gebar Saad Zaghlul, Adli Yakin, Abd
al-Khaliq Tharwat, Ismail Sidqi, Mustafa al-Nahhas, Muhammad Mahmud, Mukarram
Abid, Wasif Ghali, Ahmad Mahir und al-Naqraschi und viele andere.
Die Hoffnung – wenn es denn Hoffnung gibt - besteht darin, dass die zivilen
Führer darauf hinarbeiten, das System in ihren Ländern in ein demokratisches
System zu verwandeln. Der derzeitige König Juan von Spanien, der die Nachfolge
der Militärdiktatur Francos antrat, folgte seinem Einfluß und setzte seinen Weg
fort, doch half der neue König letztlich, das demokratische Leben auf
friedlichem Wege nach Spanien zurück zu bringen.
Aber warum schauen wir in die Ferne, wo wir doch gerade Zeugen einer guten
Erfahrung in Marokko unter der Hand des jungen Königs Muhammad VI. wurden, der
die Durchführung von Wahlen zuließ, die von einigen ausländischen Beobachtern
als sauber beschrieben wurden?!"
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