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MEMRI Special Dispatch – 22. August 2002

Diskussion um einen offenen Brief ägyptischer Intellektueller zum 11. September und dessen Folgen

In der libanesischen Tageszeitung an-Nahar erschien kürzlich ein Artikel des ägyptischen Intellektuellen und ehemaligen Direktors des Al-Ahram's Center for Political and Strategic Studies, Dr. Sayyid Yasin, in dem dieser die Diskussion um eine Erklärung ägyptischer Intellektueller anlässlich des 11. Septembers wiedergibt. Yasin ist demnach Verfasser eines Entwurfes einer Erklärung, mit der sich ägyptische Intellektuelle an die internationale Öffentlichkeit wenden wollen, um ihre Einschätzungen und Positionen über die Anschläge in den USA, die Intervention in Afghanistan und den drohenden Krieg im Irak darzulegen. In seinem Artikel setzt sich Yasin mit einer Antwort der Politikwissenschaftlerin Dr. Nadja Mustafa auseinander, die zu dem von ihm formulierten Entwurf Stellung nimmt.

Die Erklärung selbst sowie der Brief Mustafas sind bisher nach unseren Informationen nicht veröffentlicht.

Der Artikel erschien am 01. August 2002:

„Der Brief, den mir Dr. Nadja Mustafa, Professorin für Politikwissenschaft an der Fakultät für Wirtschaft und Politikwissenschaft und Direktorin des Programms ‚Dialog der Kulturen’, schickte, beinhaltet kritische Anmerkungen zum Entwurf eines [offenen] Briefes der ägyptischen Intellektuellen, den ich entworfen habe. Der Brief [Mustafas] trägt die große Hoffnung auf einen nationalen Konsens aller arabischen politischen Strömungen über die derzeitige Situation und die möglichen Alternativen zur Begegnung dieser Herausforderungen.

Ich möchte hier ihre Worte zitieren. So erklärt sie: ‚Vielleicht ist es möglich zu sagen, dass die ernste Herausforderung, der unsere arabische Nation [umma, auch Gemeinschaft der Gläubigen] gegenübersteht, den Spalt zwischen den Liberalen, den Nationalen und den Islamischen verkleinert hat. Sie hat wichtige Räume geschaffen für einen Austausch und Berührungen in den Diagnosen über die derzeitige Situation, ihre Ursachen, Inhalte und Konsequenzen. Räume aber auch für die Suche nach Möglichkeiten, auf diese Herausforderung, die auf den kulturellen Kern der arabisch-islamischen Nation abzielt, angemessen zu reagieren.’

Vielleicht drückt dieser Absatz am besten aus, wie sehr die Anhänger des politischen Islams zu einem Dialog mit anderen Strömungen bereit sind. [...] Ich würde ihr jedoch in dem Punkt, dass diese Annäherung eine Konsequenz der Herausforderung unserer arabisch-islamischen Nation ist, widersprechen. Seit Jahren rufe ich dazu auf, einen nationalen demokratischen Dialog zu führen, der alle politischen Richtungen einbindet, um zu einem Konsens in der Diagnose der Probleme, denen wir gegenüberstehen, zu gelangen und die effektivsten Lösungen zu suchen.

Meine Hoffnung war, dieser Dialog würde zeigen, dass die erklärten Differenzen zwischen dem liberalen und dem islamischen Diskurs nicht so groß sind wie geglaubt. Dies besonders, weil viele der Anhänger der arabischen politischen Strömungen [in der Vergangenheit] Kritik an ihren eigenen traditionellen Prinzipien übten.

Das Ergebnis des Dialogs wäre, dass es den vermeintlichen großen Unterschied zwischen der islamischen Shura [Rat/Besprechung] und der westlichen Demokratie nicht gibt. Denn die Demokratie - egal wie wir sie definieren – gründet auf dem Prinzip der Shura. Es gibt kein wirklich demokratisches System, in dem ein Führer – wie begabt und vollkommen auch immer - eigenmächtig über Krieg und Frieden entscheidet. Er muss auf die spezialisierten Ausschüsse zurückgreifen, das Ministerium zu Rate ziehen und Beschlüsse überprüfen, egal ob im Entwicklungsbereich oder bei friedlichen und kriegerischen Außenbeziehungen.

Wir sehen, dass die Diskussion über den Entwurf eines ägyptischen Briefes im Namen der ägyptischen Intellektuellen, den ich entworfen habe, eine wirklich gute Gelegenheit ist, einen nationalen Dialog zwischen allen politischen Seiten über die grundlegenden Fragen zu führen. Vielleicht würde ein solcher Dialog eine der Forderungen verwirklichen, die die Frage eines Anwesenden während eines Vortrages, den ich am 11. September im ägyptischen Ausschuss für Außenbeziehungen hielt, beinhaltete. Er fragte, wie wir einen Dialog mit dem Ausland führen sollen, wenn wir nicht zunächst im Inneren einen Dialog führen würden.

Dr. Nadja Mustafa leitet ihre kritischen Kommentare über den Briefentwurf mit allgemeinen Anmerkungen ein. Zunächst merkt sie an, dass das Projekt eines ägyptischen Briefes notwendig sei, sie jedoch auf eine Erklärung von den Intellektuellen der ganzen arabischen und islamischen Nation gehofft habe. Bereits Hilmi Shaarawi hatte sich ähnlich geäußert, als ich den Anwesenden während eines Vortrages den Briefentwurf vorlas. Damals hatte er erklärt, er ziehe einen Brief im Namen aller arabischen Intellektuellen gegenüber einem, der nur von den ägyptischen Intellektuellen komme, vor. Trotz der berechtigten Kritik hielt ich es für besser, mit dem anzufangen, was wir als ägyptische Intellektuelle auch verwirklichen können. Denn wenn wir von Anfang an versuchen sollten, einen arabischen Brief zu verfassen, würde dieses sehr lange dauern. Es würde vieler komplizierter Kontakte bedürfen bis der Brief alle verschiedenen Richtungen der arabischen Intellektuellen repräsentierte, insbesondere, da diese zahlreich sind und oftmals widersprüchliche Positionen vertreten.

Darüber hinaus bemerkt Mustafa, dass der vorgeschlagene Brief sehr komprimiert sei und sich damit begnüge, die Positionen zu benennen, ohne sie auf ihre politischen und intellektuellen Hintergründe zurückzuführen, wie es in der Erklärung des Institute for American Values geschah.

Wenn wir alles im Brief ausführen würden und jeden Gedanken und jeden Wert auf seine Ursprünge zurückführen würden, dann würde sich der Brief in eine umfassende Studie verwandeln. Den Brief zu lesen und zu verstehen, würde dann eine äußerst schwierige Sache werden. Wir haben uns daher knapp gehalten und darauf konzentriert, die grundlegenden Prinzipien darzustellen, über den man einen Konsens unter den ägyptischen Intellektuellen finden kann.

Dr. Nadja ergänzt, dass sie auf eine offene und kritische Diskussion über den Briefentwurf hoffe, die einen ersten Schritt darstelle, um einen Brief zu formulieren, der in einer großen Versammlung mit ägyptischen Intellektuellen aller Richtungen diskutiert wird, um eine gemeinsame Stellungnahmen zu formulieren, in der die Gemeinsamkeiten zwischen ihnen zum Ausdruck kommen. Diese Diskussion gebe die wesentliche Strömung in dieser Schicksalsfrage wieder. Ihrer Ansicht nach brachte die gegenwärtige Situation diese Strömung ans Licht, sie müsse daher [nun] herausgestellt und konkretisiert werden.

[…]

In ihrem Brief gibt es viele kleinere Anmerkungen, von denen ich nicht glaube, dass ich mich dabei wesentlich von der Verfasserin des Briefes unterscheide. Ihre erste Anmerkung besagt, dass das Entscheidende der Menschenrechte nicht das Recht auf ein sicheres Leben sei, wie es im Briefentwurf erklärt wird, sondern die Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit sei das, was allen das Recht auf ein sicheres Leben gewährleiste. Ich bin der Meinung, dass die Rangordnung der Menschenrechte seine Bedeutung hat, obwohl ich bei meiner Meinung bleibe, dass das Recht, welches über allen anderen steht, das auf ein sicheres Leben ist. Dies ist auch der notwendige Einstieg, um schließlich über die Gerechtigkeit zu sprechen.

Bezüglich der Verurteilung des Terrors meint die Verfasserin des Briefes, dass es vielfach nicht aus einer Ablehnung der amerikanischen Werte oder aus Hass auf die amerikanische Nation zum Terror komme. Vielmehr liegen die Hintergründe in der Unterdrückungspolitik und der ungerechten Vorgehensweisen der Vereinigten Staaten gegen die arabischen und islamischen Völker. Meine Antwort lautet, es ist notwendig, dass wir uns zu allererst darauf verständigen, den Terror zu verurteilen - egal woher er rührt. Wir müssen aber klar zwischen Terror und dem legitimen Recht auf Widerstand eines Volkes im Schatten einer Besetzung unterscheiden. Ich stimme aber aus verschiedenen Gründen nicht mit der Bemerkung Mustafas überein, dass wir […] in dem Brief daran denken sollten zwischen Jihad und Terror zu unterscheiden. Der wichtigste Grund [für meine Bedenken] ist, dass es bereits viele Uneinigkeiten zwischen den verschiedenen islamischen Gruppierungen und Richtungen über die Definition des Jihads gibt. Es gibt extrem islamistische Richtungen, die von keinem modernen Rechtsstaat, der die Ausübung von Gewalt von keiner Gruppierung außerhalb des staatlichen Rahmens zulassen kann, akzeptiert werden können. Auf der anderen Seite wird das Verständnis der terroristischen islamischen Bewegungen von Jihad, die indirekt die Verantwortung für die Geschehnisse des 11. Septembers übernommen haben und die es notwendig halten, gegen die ‚ungläubigen’ Nicht-Muslime zu kämpfen, auf internationaler Ebene scharf kritisiert. Sie sehen in der Adoption dieses Verständnisses eine Gefahr für die Weltsicherheit.

Daher sollte der Begriff des Widerstands, der durch internationale Abkommen als legitim bezeichnet wird, anstelle des abgelehnten Terrors verwendet werden. Der Begriff des Terrors ist bei aller Schwierigkeit einer Definition der Gegenpol zum legitimen Widerstand.

Vielleicht sollten wir an dieser Stelle auch deutlich machen, dass viele Terrorakte auf internationaler Ebene verübt werden, die nicht aus einer ungerechten Behandlung durch die USA gegenüber den arabischen und islamischen Völkern, sondern gegenüber anderen Völkern herrührt. Dies stellte der Schriftsteller Gore Vidal in seinem kleinen aber wichtigen Buch über die Geschehnisse des 11. Septembers heraus, das unter dem Titel ‚Ewiger Kampf um ewigen Frieden’ erschienen ist. Darin veröffentlichte er eine detaillierte Tabelle über die direkten und indirekten amerikanischen militärischen und politischen Interventionen in vielen Staaten auf allen Kontinenten der Welt. Dies gibt eine Antwort auf die berühmte Frage, die nach den Ereignissen des Septembers aufkam: Warum hassen sie uns?

Zu den wichtigen Anmerkungen von Dr. Nadia Mustafa gehört ihre Forderung nach einer Neuformulierung von Artikel 14 des Briefentwurfes, der folgendermaßen beginnt: ‚Wir ägyptischen Intellektuellen, die diese Erklärung unterzeichnen, glauben nicht an die Existenz eines Kampfes zwischen den Zivilisationen.’ Ihrer Ansicht nach stehen die westliche und insbesondere die amerikanische Politik für einen Kampf der Zivilisationen.

Ich bin hiermit nicht einverstanden. Denn die konservative und reaktionäre Politik, die die Regierung Bush verfolgt, ist nicht so sehr Ausdruck eines Kampfes zwischen der ‚amerikanischen’ und der ‚arabisch-islamischen Zivilisation“, als vielmehr ein Ausdruck der Interessen der Vertreter der amerikanisch militärisch-industriellen Gesellschaft. Das ist der Begriff, den Präsident Eisenhower selbst für die klassenübergreifende Koalition der Interessenvertreter des amerikanischen Kapitalismus

Daher dürfen wir die ideologischen Formulierungen der Theorie des Kampfes zwischen den Zivilisationen, die Samuel Huntington zur Legitimation der interventionistischen Politik der USA zu formulierte, nicht als objektive Beschreibung der Wirklichkeit eines Kampfes zwischen der westlichen Zivilisation und dem Rest der Welt verstehen.

Mustafa schließt ihre wichtigen Anmerkungen mit der Frage, ob die Vereinten Nationen der einzige Weg zum Dialog der Zivilisationen darstelle. Meiner Meinung ist die UNO nicht der einzige Weg, aber der effektivste. Die UNO ist die einzige Kraft in der ganzen Welt, die nach den internationalen Gesetzen ermächtigt ist, die Grundlagen für ein neues internationales System zu legen, dem alle Mitglieder der Vereinten Nationen verpflichtet sind.

Wir fragen uns schließlich, stehen wir vor einem Dialog der Zivilisationen? Nein. Vor uns liegen noch viele Aufgaben, die einem Dialog der Zivilisationen vorangehen müssen. Die wichtigste ist, dass wir Selbstkritik üben, dass wir den Zustand der islamischen und arabischen Gesellschaft reformieren, die von politischer Willkür und dem Mangel an sozialer Gerechtigkeit beherrscht werden. Dies und nichts anderes ist der Weg, um das Bild der Muslime und Araber ‚zu verbessern’, wie es gewöhnlich formuliert wird. Eben nicht mit Worten, sondern mit Taten.“

THE MIDDLE EAST MEDIA RESEARCH INSTITUTE (MEMRI)
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hagalil.com 25-07-02

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