Ein Traum zerplatzt:
Bombenterror im Sinai

Als am Donnerstag Abend die Meldung über eine Explosion im Hilton Taba bekannt wurde, hing fast ganz Israel an den Fernsehapparaten. Auch wenn der Anschlag nicht überraschend kam, traf er die Nation völlig unvorbereitet, und das obwohl es explizite Warnungen gegeben hatte, über die Feiertage nicht in den Sinai zu fahren. Das halb eingestürzte Hotel ist nicht nur Zeichen eines offenbar lange geplanten Terroranschlages, es steht symbolisch für den geplatzten Traum vieler Israelis, dem Traum von ein bißchen Ruhe und Frieden.

25 Menschen wurden bei den Anschlägen von Donnerstag Nacht getötet, weit über Hundert zum Teil schwer verletzt. 13 Tote sind, zumeist junge Israelis. Die Trümmer des Hotels sind mittlerweile abgetragen, aber noch immer warten Familien auf Nachricht, denn die Toten sind noch nicht alle identifiziert. Hoffnung gibt es keine mehr.

Am Freitag war neben den Berichten über die andauernden Rettungsmaßnahmen vor allem eines Thema: Wieso haben so viele Israelis die Warnungen der Behörden ignoriert und sind in den Sinai gefahren? Gefolgt von Schuldzuweisungen an die Regierung, an die Sicherheitsbehörden, an das Außenministerium, die Warnung sei nicht deutlich genug gewesen, sie habe sich nicht von den "normalen" Terrorwarnungen unterschieden, von einem Anschlag dieser Art hätten die Geheimdienste nichts geahnt.


Panorama im "Nelson Village" des Taba Hilton

Tatsächlich waren die Warnungen deutlich, die Behörden gaben bekannt, dass ausdrücklich von Reisen in den Sinai während der Feiertage abgeraten wird. Seit langem liegen Berichte über eine Infiltrierung der Sinai-Halbinsel durch radikale Gruppen vor, gegen die von ägyptischer Seite nicht vorgegangen wird. Dass dies ganz einfach nicht Ernst genommen wurde, zeigt beispielsweise die Tatsache, dass unter den Verletzten die stellvertretende Vorsitzende der Rechtsberater des Antiterror-Komitees der Regierung ist. Auch sie hatte die Sukkoth-Feiertage im Sinai verbracht, obwohl ihr sicherlich alle Sicherheitswarnungen im Detail bekannt waren.

"Auszug aus Ägypten"

Warnung vor Anschlägen im Sinai gibt es regelmäßig zu allen Feiertagen. Aber es gibt die Warnungen auch zu Hause, "dann könnte ich mich ja überhaupt nicht mehr bewegen" sagte eine junge Frau am Grenzübergang Taba. Zu Tausenden strömten die Urlauber noch in der Nacht zurück über die Grenze und wurden im Laufe des Freitags mit Bussen aus den weiter entfernt liegenden Urlaubsorten zurückgebracht. Vom "Auszug aus Ägypten" sprachen die Kommentatoren und tatsächlich erinnern die Bilder an jenes biblische Ereignis. "Schalom und nicht Aufwiedersehen" sagte ein anderes Mädchen in die Kameras, der Sinai, so waren sich viele der Befragten einig, ist nicht mehr dasselbe, und hierhin werden sie nicht mehr kommen.


Im Park von Taba

Nelson Berg im Taba Hilton

Für viele, vor allem junge Israelis ist damit ein Traum zerplatzt, der Traum von ein paar Tagen Ruhe und Frieden. Der Sinai ist mehr als nur ein Urlaubsort, "es war das Paradies auf Erden" wie ein junger Mann unter Tränen sagte. Wer einfach Sonne und Meer haben will, der kann auch in Tel Aviv bleiben, wer Korallen haben möchte, kann sich ein Hotel in Eilat suchen. Der Sinai war ein Symbol. Nach einigen Autostunden ist man da, überquert die Grenze, ist per Handy nicht mehr zu erreichen, hört keine Nachrichten und liest keine Zeitung. Der israelische Alltag bleibt hinter der Grenze zurück. Die Urlaubsorte am Sinai werden überwiegend von Beduinen unterhalten, die einfache Zelt- oder Hüttenunterkünfte anbieten. Man liegt unter einem Zeltdach am Strand, schläft am Wasser, Lagerfeuer, Gitarre und Joint gehören zur Standardausrüstung. Ein Dasein wie in Thailand oder Indien, die Urlaubsziele von vielen Israelis nach der Armee. Nachdem in den letzten Jahren auch vermehrt junge Familien mit Kindern in den Sinai kam, wurden neben dem Hilton Taba neue Hotels gebaut, die eine etwas zivilisiertere Sinai-Variante anbieten.

Neubauprojekte am Taba Hilton

Dass der Sinai nun als Alternative wegfällt, ist für viele bedrückend. Anders als in Deutschland, kann man in Israel keinen Kurzurlaub im Nachbarland machen. Der Sinai war die große Ausnahme, der das kleine Stückchen Freiheit versprach. Das Entsetzen über die Toten und Verletzten vermischt sich so mit dem Entsetzen über den Zustand des Landes. Der Terror, der zwar immer präsent und ständiges Thema ist, konnte doch zumindest für ein paar Tage "Paradies" im Sinai zurückgelassen werden. Der Alltag in Israel schnürt nun noch ein wenig enger.

al / hagalil.com 10-10-2004